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Die letzten Worte (& Beats) – Total Chaos-Interview

Die letzten Worte (& Beats) – Total Chaos-Interview

Zählte Total Chaos in den 90er Jahren zu einem der wichtigsten HipHop-Exporte Österreichs, so wurde es seit Anfang der 2000er still um Die 2.  2014 und 2015 gibt’s von d.b.h. & Manuva wieder was auf die Ohren, ihre beiden Alben „Worte & Beats“ und „5W“ werden in Deutschland auf hhv.de re-releast.  Für The Message und die Kollegen der wichtigsten HipHop-Radiosendung Österreichs ein gebührender Anlass, Total Chaos um eines ihrer vermutlich letzten ausführlicheren Interviews zu bitten.

Interview: Stefan Trischler, Alexander Hertel, Stefan Anwander
Bildmaterial: Privatarchiv Holger Hörtnagl
Transkription, Scans, Endredaktion: Stefan Anwander

Total Chaos gelten als unumstrittene Pioniere der hiesigen HipHop-Landschaft und als eine der erfolgreichsten österreichischen HipHop-Bands aller Zeiten. Mit ihren eigenen Releases und den Kaleidoskop- und Supercity-Projekten wurden sie weit über die Landesgrenzen bekannt und beliebt. Obwohl sie sich Anfang 2000 mit „Worte&Beats“ am Höhepunkt ihres musikalischen Schaffens präsentierten, konnte das Album aufgrund zahlreicher, vor allem aber labeltechnischer Gründe nicht in gewünschtem Maße reüssieren.  Im Interview, welches gemeinsam mit den FM4-Tribe Vibes-Hosts Stefan Trischler und Alexander Hertel im Rahmen der Radiosendung geführt wurde,  wird aber nicht nur auf diese, keinesfalls einzigartige, unerfreuliche Episode mit Plattenfirmen in der Retrospektive reflektiert. Was folgt ist vielmehr eine Reise durch Raum und Zeit mit Ups & Downs, flankiert von exklusivem Fotomaterial aus dem Privatarchiv von Holger Hörtnagl.

Den Stream zu dem am 8. Jänner 2015 ausgestrahlten Tribes Vibes – Total Chaos -Special gibt’s hier.

Ihr habt euch 1989 in Innsbruck „gegründet“, fünf Jahre später kam dann die „Aus dem wilden Westen“ – Platte. Könnt ihr kurz diese ersten Jahre von Total Chaos zusammenfassen?

Manuva: Holger (d.b.h, Anm.) und ich waren Nachbarn, wir sind in derselben Straße aufgewachsen und haben unsere Kindheit miteinander verbracht. Ich würde Holger als meinen großen Bruder bezeichnen. Holger war dann auch viel in Holland unterwegs, weil er halber Holländer ist, und hat von dort seine ersten HipHop-Platten mitgenommen.

d.b.h: Nicht nur HipHop, da war wirklich alles dabei. Das waren meine ersten DJ-Erfahrungen, von da an ist es aber dann ziemlich schnell Richtung HipHop gegangen.

Manuva: Dann war es relativ schnell klar, dass Holger bei den Plattenspielern bleibt und ich hab damit angefangen, die ersten RUN DMC-Platten nachzurappen. So haben wir eigentlich angefangen, gemeinsam Musik zu machen.

Der junge d.b.h beim (Beats-) Basteln im Kinderzimmer/Home-Studio

d.b.h: Wir haben schon davor gemeinsam Musik gemacht und dann war der Contest bei Tribe Vibes, damals noch im Rahmen der Musicbox. Wir hatten damals ziemlich peinliche Namen und wir dachten, wir brauchen irgendeinen Neustart, einen knackigen Namen. Wir haben uns tatsächlich an dem Tag, an dem wir die Bänder in die Post gegeben haben, den Namen ausgedacht und draufgeschrieben. Das war eben 1989 und deswegen ist das unser „Beginn“. Wir haben davor auch schon Musik gemacht, aber da waren wir noch blutjung.

War Don auch schon dabei oder ist er erst später dazugestoßen?

Manuva: Don ist in der Zeit dazu gekommen, als wir Aus dem Wilden Westen aufgenommen haben. Eigentlich kommt er aus Spanien, ist in London aufgewachsen und ist dann nach Innsbruck gezogen. Er war einer der wenigen, der die gleiche Musik geteilt hat wie wir. Wir waren ja wirklich alleine im Umkreis von 250 Kilometern. Es hat zwar eine große Cosmic- (Afro Raduno, Anm.) und DJ-Szene gegeben, aber wir waren die Einzigen, die sich mit HipHop beschäftigten. Und auch Don, deshalb sind wir auch so ein bisschen zusammengewachsen.

Total Chaos-Konzert Anfang 90 (mit Don, links)

Zu Traurig aber wahr gab es eine Anekdote mit Werner Geier.

d.b.h: Die Nummer gibt’s ja in zwei oder drei verschiedenen Versionen. Sie ist auf einem Schweizer Sampler schon lange vor dem Release rausgekommen, aber in einem anderen Mix, und ist damals schon im Radio gespielt worden. Dann hat uns irgendwann der Werner Geier angerufen und meinte, Polygram würde die Nummer gern rausbringen. Dann waren wir mit 19 und 16, also noch grün hinter den Ohren, in Wien. Werner hatte einen Termin ausgemacht und ist mitgegangen. Beim Reingehen zum Meeting mit dem A&R sagt der Werner: „Burschen, lasst’s mi reden“. Er hat vorher nichts zu uns gesagt, was er vorhat. Er setzte sich dann dorthin und sagte: „Wir stellen uns das so vor: MC Solaar ist gerade der heißeste Act in Europa, Jimmy Jay hat ein fettes Studio in Paris, wir würden gern dort aufnehmen und mischen, Executive Producer Showbiz & AG und das Ganze kommt auf dem Logo von Payday (HipHop-Unterlabel von Polygram, Anm.)“. Clemens und ich saßen mit offenem Mund daneben und dachten, die schmeißen uns sofort wieder raus. Der A&R hat sich aber alles aufgeschrieben und dann ist das wirklich in die Wege geleitet worden. Showbiz ist relativ bald ausgeschieden, er hat Unmengen an Geld gefordert, aber immerhin, er wurde offiziell angefragt, um im Auftrag von Total Chaos einen Remix anzufertigen. Es ist dann hin und her gegangen und hat auch schon Terminverhandlungen in Paris gegeben. Dann ist aber das Klassische passiert, der A&R wurde ausgetauscht und der neue A&R sagte: „Ihr könnt in Wien aufnehmen, Paris könnt ihr vergessen“. Dann waren wir quasi draußen. Aber da haben wir viel gelernt, wie man mit Major-Labels umgehen muss.

5 W (WerWasWannWieWo) ist wie auch schon Aus dem wilden Westen auf dem Label MOVE erschienen. Wie waren die ersten Erfahrungen mit einem deutschen Label? Und wie war dort die Zusammenarbeit mit Gruppen wie Main Concept , HÖRZU und anderen?

Manuva: Das waren alles irgendwie logische Schritte. München war eigentlich unsere erste Connection, dort haben wir die ersten Leute kennen gelernt, die uns auch begleitet haben. Das war damals noch vor Wien. Main Concept war eine der ersten Bands, mit denen wir zu tun hatten. Wie auch die Töpfe. So sind wir relativ schnell nach Deutschland gekommen. Zu MOVE sind wir dann über Andreas Purzer gekommen.

Huckey, Master P & Manuva (v.l.n.r.) Mitte 90

d.b.h: Der war Münchner und quasi unser Manager. Er hat dann auch den Kontakt zu MOVE hergestellt. Wir haben dann auch das HÖRZU-Album gehört, das dort rausgekommen ist. Damals hat man nicht so sehr an Verträge gedacht, sondern es war wichtiger, welche anderen Gruppen auf dem Label waren. Mit Main Concept konnten wir uns total identifizieren, HÖRZU hat uns anfangs auch wirklich weggeblasen. Ritter der Schwafelrunde war für uns ein Meilenstein, das sagt den meisten Leuten heute wahrscheinlich gar nichts mehr.

Total Chaos beim Fotoshooting für „5W“

Manuva: So viel Auswahl, so viele Labels hat es damals ja auch noch nicht gegeben. Es hat uns schon auch gefreut, dass sie an uns herangetreten sind und uns haben wollten. Vor allem muss man immer auch dazu sagen, als Österreicher ist es in Deutschland immer doppelt und dreifach so schwer ein Label zu finden. Das hat aber dann doch gut funktioniert. Bei einem deutschen Label zu sein, das war jetzt nicht unser größtes Ziel, sondern es war eher ein logischer Schritt.

d.b.h: Nein, das war uns immer wichtig. So naiv waren wir nicht, wir haben schon gecheckt, dass Deutschland aufgrund der hochdeutschen Aussprache von Clemens unser Markt ist. Deck 8 war dann ein weiterer Schritt in die Richtung. Das wissen vielleicht gar nicht mehr so viele Leute, aber wir haben für eine österreichische Band extrem viel in Deutschland gespielt. Und das ist nur deshalb passiert, weil wir deutsche Presse hatten, die wir wiederum nur gehabt haben, weil wir auf einem deutschen Label waren.

Manuva: Wir waren schon viel mit anderen Bands in Deutschland unterwegs. Wir sind auch sonst immer nach Deutschland gefahren, weil das auch die Zeit war, als dort die ganzen HipHop-Jams institutionalisiert worden sind. Wir sind zu all denen gefahren. Den Koffer immer voll mit Red Bull-Dosen, die wir dort illegal verkauft haben. Red Bull war damals noch illegal in Deutschland, wir haben 10 Mark für die Dose verlangt und uns so das finanziert (lacht) Wir waren auch immer „die Österreicher“, wir haben sozusagen Österreich „repräsentiert“. Was auch immer schwierig war, weil wir gar nicht den Anspruch hatten. Wir sind dann aber in die Rolle irgendwie reingewachsen, „die Österreicher“ zu sein. Und deswegen hatten wir auch den Anspruch zu zeigen, wie gut die Musik hierzulande sein kann.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Deck 8 zustandegekommen?

d.b.h: Über den Macher von Deck 8, mit dem alles sehr persönlich abgelaufen ist und der auch öfters auf unseren Konzerten war. Er hat uns auch nach Dortmund eingeladen und wir haben uns dort alles angeschaut. Anfangs war alles extrem cool, am Ende ist es dann leider wie so oft ungut geworden aufgrund finanzieller Sachen. Was aber nichts daran ändert, dass man sich prinzipiell gut verstanden hat und sie gute Arbeit geleistet haben.

Manuva: Es war in unserer Geschichte immer wichtig, dass wir uns die Labels auch aus persönlichen Gründen ausgesucht haben. Wir haben nicht nur die Business-Aspekte in den Vordergrund gestellt. Deshalb war es uns auch immer wichtig – egal wie man auseinander geht oder wie auch dann Total Chaos auseinander gegangen ist – dass Geld keine Freundschaften zerbricht, auch wenn das schwierig ist. Das sind die Erfahrungen, die ich aus allem mitgenommen habe, nämlich dass das nie Freundschaften und zwischenmenschliche Beziehungen auf Lebzeiten zerstören darf.

Ihr habt schon erwähnt, dass ihr viele Konzerte in Deutschland gespielt habt, was war da Pi mal Daumen euer Jahresdurchschnitt an Konzerten?

d.b.h: Wir waren damals für alle größeren Gruppen die Lieblingsvorband, weil wir jazzig-smooth waren, schönes Intro halt. Und wir waren nur zu zweit, d.h. die Kosten waren niedrig (lacht). Wir waren zweimal mit Blumentopf, zweimal mit Eins Zwo und mit Too Strong unterwegs und das waren jeweils immer 30 Konzerte am Stück. Wir waren damals dann auch bei Four Music im Booking gesignt und da haben wir wirklich eineinhalb Jahre lang an fast jedem Wochenende in Deutschland gespielt. Das waren auch noch andere Zeiten, da sind noch 200 bis 300 Leute irgendwo in Deutschland auf ein Total Chaos – Konzert gekommen.

ALPENPANORAMA: Total Chaos mit Blumentopf, Texta und Wisdom im Home-Studio von d.b.h. Mitte 90

Die 5W ist gar nicht so lange vor Die 2 rausgekommen, weil das Label mit der Veröffentlichung so lange gebraucht hat?

d.b.h: Das zählte auch zu den Dingen, die uns im Laufe unserer Karriere viel vermiest haben. Du kriegst Ansagen wie „das kommt nächstes Monat raus“, und dann passiert ewig lange nichts und kaum schaut man über die Schulter sind eineinhalb Jahre vergangen. Und keiner weiß eigentlich warum.

Manuva: Das war bei 5W schon bitter, dass sie eineinhalb Jahre zu spät gekommen ist. Die Platte haben wir 1994/95 gemacht, rausgekommen ist sie dann Ende 1996. Wir wussten schon, dass wir damit etwas geschaffen hatten, wo man dahinterstehen kann. Als Musiker kennt man das, ein halbes Jahr später bist du schon wieder unzufrieden damit und man will das nächste machen. Das war schon sehr frustrierend, gleich am Anfang das so zu sehen. Das Feedback unserer Leute war aber durchgehend wirklich gut und das hat uns auch Durchhalten lassen.

Alternatives Cover „5W“

d.b.h: Live und bei den Konzerten hat man schon gemerkt, dass die Platte richtig gut ankommt. Solche Beats haben die Leute bis dahin noch nicht wirklich gekannt, wir hatten schon so einen Mobb Deep– und DITC-Flavour. Und dann kommt aber das Produkt nicht daher. Das war eigentlich die erste negative Erfahrung, wir haben dann MOVE auch gleich verlassen und sind zum nächsten Label, das pleite gegangen ist. (allgemeines Auflachen)

Ihr habt Move dann verlassen, Deck 8 ist pleitegegangen. Stand am Anfang von Worte & Beats der Intonation-Deal oder habt ihr damals schon mit ersten Aufnahmen begonnen?

d.b.h: Das ist schon 1999, in München noch, losgegangen. Wir waren so der letzte Act, der noch nicht bei einem Major-Label untergekommen war. Und für die Leute haben wir als „deutscher“ Act gezählt, weil wir in München gewohnt haben und auf den ganzen Touren waren. Wir haben uns dann so mit ziemlich allen Labels getroffen, das waren teilweise sehr lustige Erfahrungen. (lacht)

Manuva: Völlig absurd, wie in einem Film. (lacht) Business-Essen im Käfer in München, Markus Spiegel ist extra aus Wien eingeflogen worden, damit wir uns mit den BMG-Chef im feinen Restaurant treffen. Da hat Geld keine Rolle gespielt. Wir waren aber eben schon gewarnt, wir wussten schon, es ist alles sehr kurzlebig, A&Rs kommen und gehen. Das für uns weitaus prägendere war dann der Umzug nach Wien. Holger ist ja schon früher nach Wien gegangen und hat dann das Studio mit den Waxos in der Argentinierstraße gefunden.

d.b.h: Uns war klar, dass wir jetzt zusammenbleiben müssen. Dann ist bei mir die Liebe ins Spiel gekommen und ich bin nach Wien und Clemens konnte sich das auch vorstellen.

Manuva: Ich war da noch in München. Für mich war München eine sehr prägende Zeit, das erste Mal weg von Innsbruck, nach der Schule. Die drei Jahre waren sehr intensiv für mich. Dann war es so, dass alle nach Berlin gegangen sind. Diese Berlin-Gravitation war für mich auch sehr reizvoll. Aber dadurch, dass es dann bei uns mit der Musik so losgegangen ist, war uns klar, dass wir zusammenbleiben müssen. Deswegen dann auch der Schritt, nach Wien zu gehen.

ALPENPANORAMA – Die Zweite: Home-Studio Session mit Manuva, Skero, Huckey, Holunder (v.l.n.r.)

d.b.h: Das war die Zeit, wo wir das erste Mal gefühlt haben, wir wollen professionell Musik machen. Und da ist es auch um Geld gegangen. In der Phase ging es uns darum, hauptberuflich Musik zu machen und wir haben die Chance gesehen, richtig groß zu werden. So haben wir auch die Deals ausgehandelt, das hat sich über eineinhalb Jahre gezogen. Und dann haben wir eben, über eine lange Zeit, einen unfassbaren Deal mit Intonation ausverhandelt, der uns auf Jahre hinaus eine Sicherheit gegeben hätte und auch ziemlich einzigartig war. Das war für uns auch der Grund, nach Wien zu gehen und mit dem Geld das Studio einzurichten. Und es war auch der Reiz mit den Waxos und den Live-Musikern gemeinsam Sound zu machen. Nachdem wir München verlassen hatten, sollte das hier unsere neue Basis und unser neues Kollektiv sein.

Manuva: Weil wir jahrelange in Innsbruck allein waren, wollten wir immer kollaborieren, mit Leuten zusammenarbeiten und eine Basis für uns und andere schaffen, die dann auch langfristig funktioniert. Deshalb ist dann auch Goalgetter entstanden, der Plattenladen und Vertrieb von Holger. Das war immer unser Anliegen, mit Leuten langfristig etwas aufzubauen. Auf Blatt Papier hat sich das gut angehört, einmal der Deal, dann das Studio. Aber da haben sich die Zeiten schon zu ändern begonnen, da gab’s die ersten Einbrüche beim CD-Verkauf. Dadurch hat sich viel verändert, auch für alle im Umfeld.

d.b.h: Es wissen wahrscheinlich eh alle, dass Libro in Konkurs gegangen ist und Intonation quasi von Libro finanziert war. Da ist nicht das Label pleitegegangen, sondern Libro. Und das konnten ja nicht einmal Finanzexperten voraussehen. Das heißt, das war auch für uns nicht vorhersehbar.

Sprich der Deal wurde dann nicht eingehalten?

d.b.h: So viel kann man wahrscheinlich verraten: Es war damals üblich, dass die Verträge für ein Album plus eine Option auf ein weiteres Album gemacht wurden, wobei die Option beim Label liegt. Wir haben hoch gepokert und einfach auch mehr Geld verlangt als üblich – und Intonation war das auch bereit zu zahlen – und wollten, dass die Option bei uns liegt. D.h., wenn wir ein zweites Album machen wollen, dann müsst ihr Ja sagen. Und wenn wir kein zweites Album machen wollen, dann müssen wir auch keines machen. Das war damals recht unüblich, aber das war der Deal. Wir wussten also, wenn wir wollen, bekommen wir das ein zweites Mal wieder. Oder wir sind nach einem Album draußen. Der Plan war dann, alles Geld ins Studio zu stecken und mit dem zweiten Album „abzucashen“ (lacht). So einfach war der Plan. Was wir nicht wissen konnten, dass sich Intonation nach bzw. während des ersten Albums in Luft auflöst …

Manuva: Eine Geschichte zu Intonation gibt’s ja noch, warum die überhaupt an uns herangetreten sind. Weil nämlich Fettes Brot von uns so begeistert waren. Da merkt man dann auch, wie beeinflussbar Plattenfirmen sind. Erst über die Empfehlung von Fettes Brot sind die auf uns gekommen.

d.b.h: Man darf aber auch nicht vergessen, dass uns durch den Deal Dinge ermöglicht worden sind wie Fotoshootings, mit denen wir von den Kosten her heute ein ganzes Album machen könnten.

Manuva: Oder Videos produziert, mit denen man heute wahrscheinlich fünf Alben produzieren könnte.

d.b.h: Einige nennen das Geld verbrennen, andererseits ist es extrem super, so was mal gemacht zu haben (lacht)

Manuva: Man muss das auch anders sehen, VIVA und MTV haben zu der Zeit noch ganz anders funktioniert. Da kam man erst mit einem gewissem Marketing- und Videobudget in die Auswahl. Wir wollten auch dorthin, wir wollten uns auch dort sehen. Und nur so ist man dort auch hingekommen. Da ging’s nicht nur um qualitative Entscheidungen, das ist kein Geheimnis. Mit dieser Option, nur ein Album machen zu müssen, und danach sagen zu können, wir können machen was wir wollen und haben das Studio, eine Band und den Vertrieb, das war schon sehr reizvoll für uns.

Ihr werdet wahrscheinlich keine konkreten Zahlen nennen können, aber könnt ihr euer Budget vergleichen mit jenen anderer Acts in dieser absoluten Boom-Phase von Deutschrap?

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d.b.h: Vom Geld her war das genau das, was alle anderen damals auch bekommen haben. Zum Beispiel Eins Zwo, weil die auch früher dran waren, haben einen schlechteren Deal, also weniger Geld, als wir bekommen.

Manuva: Sagen wir mal so, wir hatten damals das gleiche Video-Budget wie Kool Savas, als er dann wirklich groß war. Und die Vorschüsse, die da geflossen sind, waren unvorstellbar.

d.b.h: Für uns war das damals gar nicht so unvorstellbar, erst wenn man die Zahlen im Nachhinein sieht, ist es unvorstellbar. Damals war das normal, das haben alle bekommen, also wir auch. Wir haben das Geld aber auch wieder mit beiden Händen ausgegeben…

Manuva: Wir haben schon viel in das Goalgetter-Studio investiert.

Punkto Kollaborationen, wie seid ihr damals eigentlich mit den Waxos zusammengekommen? Holger, du hast drei Beats auf der Smart Blip Experience beigesteuert, Manuva war auch bekannterweise auf der Nachtschattengewächs vertreten.

d.b.h: Mit Bionic Kid, dem Felix, ist das schon ganz früh losgegangen. Mit seinem ersten Projekt, als er noch gerappt hat, B.oys I.n T.he C.hilling H.ouse, hat er bei uns im Wohnzimmer aufgenommen und abgemischt. So haben wir uns kennen gelernt. Dann ist er nach Salzburg gezogen und hat dort in einem Plattenladen gearbeitet, wo wir oft waren. Da war Felix noch richtig jung und wollte aufs Mozarteum gehen. Wir waren von Anfang an dabei, mit ihm auch befreundet und haben seinen Weg mit begleitet. Dann haben die Waxos Smart Blip Experience gemacht, das hatte ja eher einen Mixtape-Charakter und er hat mich nach Beats gefragt. Ich habe ihm dann zehn Beats geschickt, dann nie wieder was gehört und dann war die Platte da. Da es aber eher ein Mixtape war, hat das ganz gut gepasst.

Und wie ist Nachtschattengewächs zustandegekommen?

Manuva: Bei Nachtschattengewächs war es so, dass Felix nach Wien gezogen ist und ich ihn in seiner Wohnung im 16. Bezirk getroffen habe. Felix ist und war ein unglaublicher Produzent. Was der damals alles auf seiner Festplatte hatte, war wirklich unglaublich, alles natürlich sehr von DJ Shadow beeinflusst. Er hat mir ein paar Beats vorgespielt und ich habe mir gar nicht so viele dann nach München mitgenommen. Nachtschattengewächs habe ich eigentlich in München geschrieben. Auch wenn es der Song ist, der sozusagen Wien repräsentiert. Vielleicht ist er auch deshalb so Wien-lastig, weil Nachtschattengewächs dann auch immer meine Wien-Erinnerungen hochgebracht hat, sozusagen diese Eindrücke, wie es ist, in Wien am Gürtel oder am Ring zu fahren, diese Nacht in Wien. Das war so prägend für mich, das habe ich dann sozusagen in München verarbeitet. Ich bin dann wieder nach Wien und habe das dann im ELAK in der Rienößlgasse aufgenommen. Deswegen heißt es ja auch Manuva and The Bionic Kid, weil wir uns dann auch angefreundet haben und dachten, wir könnten damit auch ein Seitenprojekt machen. Das war noch vor der Smart Blip Experience. Dann wurde aber das mit den Waxos immer konkreter. Deswegen steht auch feat. DJ Buzz und DJ Zuzee. Das ist dann immer mehr zusammengewachsen. Was dann Nachtschattengewächs ausgelöst hat, das war uns zu dem Zeitpunkt selber gar nicht bewusst. Wir wussten schon, dass wir da einen Song gemacht haben, der uns selber bewegt, in den wir viel hineingesteckt und wo wir viel gewagt haben. Ursprünglich habe ich ja angedacht, aus der Sicht der Nacht zu rappen, so wie bei Das Mic. Die Zeile „Ich kriech in jede Fuge, jede Rille deiner Platten“ ist aus dieser Sicht heraus entstanden. Das habe ich dann letztlich aber gelassen, noch etwas abstrahiert und rausgekommen ist dann der Tune.

Smart Blip Experience war dann auch der Ausgangspunkt für das Supercity-Soundsystem-Projekt?

Manuva: Genau, wir haben dann gemeinsam mit den Waxos das Studio in der Argentinierstraße bezogen. Und so ist das immer näher zusammengekommen, dann sind die Twins, Joseph, Funke, Thaistylee dazugestoßen und auf einmal waren da 15 Leute im Studio, die gemeinsam Musik gemacht haben. Die Waxos haben dann an ihrem zweiten Album Plastic People gearbeitet, wir an Worte & Beats und so haben wir uns gegenseitig sehr beeinflusst und gepusht. Dann war es ein logischer Schritt, dass das so zusammenwächst.

d.b.h: Im Studio war alles fix aufgebaut, wir konnten immer proben und jammen. Es war dann irgendwann schon nicht mehr erkenntlich, von wem jetzt eigentlich dann die Nummer ist. Viele Nummern sind ja auch so Jam-mäßig entstanden, die meisten davon sind aber leider nicht releast worden. Das war unser Ding, im Kollektiv Sound zu machen.

Es ist dann ein Supercity-Album im Raum gestanden, das ist dann aber nie veröffentlicht worden? Was waren die Gründe dafür?

d.b.h: Es war dann nach der Doppel-Releaseparty total logisch, gemeinsam ein Ding zu machen. Das war aber genau zu der Zeit, als Label-technisch alles zu Bruch gegangen ist, sowohl bei uns mit Libro, aber auch bei den anderen. Es war dann wirklich innerhalb von kürzester Zeit nicht mehr möglich, diese Deals, die wir 2-3 Jahre vorher noch gemacht haben, bei anderen Labels zu bekommen. Und zwar für alle. Wir wollten dann eigentlich nur das Album machen und professionell aufnehmen, d.h. wir hätten ein Produktionsbudget gebraucht. Das war im Vergleich zu den anderen Budgets nicht viel, circa 15.000 Euro. Es gab dann auch Interessenten wie Showdown aus Hamburg, die eigentlich auch fix zugesagt hatten. Das ist schon Richtung Shady Business gegangen. Ihr seid ja damals nach Hamburg, um den Deal zu unterschreiben und seid ohne Deal zurückgekommen, weil der Typ nicht aufgetaucht ist bzw. sich verleugnen hat lassen. Das waren dann halt die Sachen, man rechnet fix damit und dann passiert es dann nicht. Das kostet sehr viel Energie und man will eigentlich gar nicht mehr Musik machen.

Manuva: Und dann in Kombination mit der Libro-Sache war es dann irgendwann klar, nachdem Holger und ich ja auch seit über zehn Jahren Konzerte gespielt haben, dass wir das Studio auflösen und wir gesagt haben, die schönsten Sachen müssen auch mal ein Ende haben. Bevor wir uns in die Haare kriegen und uns nie mehr in die Augen schauen können, lass uns was anderes machen.

Was waren die Nachwehen der Intonation-Pleite?

d.b.h: Das war eine schwierige, intensive Zeit, wo es auch um viel Geld und Entscheidungen gegangen ist. Zum Beispiel ist eine Woche vor Release Virgin Deutschland abgesprungen, weil Intonation eine Tranche nicht zahlen konnte. Eine Woche vor dem Release in Deutschland! Uns war es sehr wichtig, das Virgin in München in Deutschland das Album machen. Wir haben es sogar geschafft, den Chef von Virgin zu treffen, um mit ihm zu reden. Wir hatten auch das Gefühl, dass sie sich gut um uns kümmern würden. Und dann springen sie eine Woche vorher ab und wir bekamen irgendeinen anderen Vertrieb. In Österreich ist es zwar wie geplant rausgekommen, in Deutschland aber nicht. Deswegen ist es auch nicht so in die Charts reingekommen, wie es eigentlich möglich gewesen wäre. Das sind dann Enttäuschungen, mit denen man schon auch zu kämpfen hat.

Mit „Worte&Beats“ sind Total Chaos damals auf Platz 46 in die österreichischen Charts eingestiegen

Manuva: Es hat dann auch jeder versucht, woanders Fuß zu fassen. Dazu hat sich auch musikalisch in Deutschland viel verändert, nach 1999 ist dann auch ein ganz anderer deutscher HipHop-Sound gekommen. Da habe ich auch gemerkt, dass ich mich da nicht mehr zu Hause fühle, da wollte ich dann auch nicht mehr mitkämpfen. Da ist für mich auch schon die Identität verloren gegangen. Ich habe mich dann sehr zurückgenommen und Holger hat sich dann stärker auf den Vertrieb konzentriert. Uns war nur wichtig, und das habe ich vorher auch schon gesagt, dass man sich immer noch in die Augen schauen kann, auch wenn es nicht immer einfach war. Am Ende des Tages sollte keiner dastehen und sagen, wegen ein paar Tausend Euro will ich mit dir nichts mehr zu tun haben. Das Zwischenmenschliche ist uns wichtig. Das muss über allem anderen stehen. Das kann ich nur jedem mitgeben, wegen Geld streiten, echt jetzt? Wirklich nicht.

Fotoshooting für „Aus dem Wilden Westen“ (links: Don)

Da ihr Total Chaos nie offiziell aufgelöst habt, stellt sich nun die Frage: ist es aus heutiger Sicht ausgeschlossen, dass es von euch neue, gemeinsame Musik geben wird? Oder punktuelle Total Chaos – Konzerte?

d.b.h: Konzerte kann man derzeit ausschließen. Wir haben 2005/06 für uns beschlossen, dass es sich nicht mehr gut anfühlt mit den alten Sachen auf der Bühne zu stehen. Es war also die Entscheidung, entweder wir machen was Neues oder wir lassen es. Weil sonst wird das irgendwann uncool.

Manuva: Es gibt so viele Beispiele, die ich auch heutzutage sehe, und da war mir klar, so will ich nicht sein. Ich hatte einmal mit Torch und Dendemann ein Gespräch. Da sind wir vor dem Rockhouse in Salzburg gestanden und Eins Zwo hatte zu der Zeit Torch mit dem einen Cut und im Video zurückgeholt. Da wurde Torch schon zur Alten Schule gezählt. Torch meinte dann, das wäre nicht mehr seine Musik und er könne sich damit nicht mehr identifizieren. Da ist mir das erste Mal klar geworden, irgendwann bin ich Torch. Dann bin ich derjenige, der sagt, das ist nicht mehr meine Welt. Und ich will auch nicht derjenige sein, der etwas nur mit Magenschmerzen repräsentiert. Genauso wenig, wie wir uns offiziell mit einem Presse-Release gegründet haben, genauso wenig verabschieden wir uns so. Weil das für uns auch zu persönlich ist.

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