Zeichen setzen mit Zeichensätzen. Mag Rap, Reisen und gutes Essen.
Fotos: Alexander Gotter
Wer schon Konzerte in der Wiener Stadthalle D gesehen hat, weiß, dass die Zufriedenstellung derartiger Besuchermassen – neben einer guten Performance – auch eine gigantische Inszenierung erfordert. Dass Macklemore und Ryan Lewis auf der Tour zu ihrem aktuellen Album da keinen Unterschied machen, war zu erwarten. Steh- und Sitzplätze sind nahezu ausgelastet, über der gigantischen Bühne thront das Album-Logo von „This Unruly Mess I’ve Made“, drei überdimensionale Videowalls begrenzen das hintere Ende selbiger. Alles scheint angerichtet für eine Show der Superlative!
XP, den trotz seiner Featurebeiträge auf dem aktuellen Album des Hauptacts nur einige wenige zu kennen scheinen, eröffnet den Abend. Der Rapper aus Chicago stimmt die Anwesenden ordentlich ein und zeigt sich begeistert von der Energie des Publikums, welches eher einem Gesellschaftsquerschnitt als einem Rapkonzert entspricht. Im Anschluss hat Raury, der zweite fixe Tourbegleiter, die Aufgabe, eine immer voller werdende Halle gebührend aufzuheizen. Trotz eines energetischen Auftrittes steht ihm dabei seine Genre-Unabhängigkeit im Weg. Das tendenziell Pop-affine Publikum zeigt sich vom schwerelosen Sound zwischen HipHop, Folk, Funk und Soul ein wenig überfordert – wenn auch Tracks wie „Cigarette Song“ durchaus positiv aufgenommen werden.
Nahezu pünktlich treten die beiden Hauptdarsteller aus Seattle ins Rampenlicht. Begleitet von einer gigantischen Lightshow und Nebelschwaden schieben sich drei Hebebühnen aus dem Boden, auf denen sich eine Streicher- beziehungsweise Bläserkombo sowie Ryan Lewis mit Turntables und Drums befinden. Macklemore taucht aus einer Rauchwolke an der Bühnenkante auf und eröffnet den Abend mit „Light Tunnels“. Featuregast Mike Slap kommt vom Band, was sich aufgrund des featurelastigen aktuellen Albums noch öfter wiederholt — die Wirkung der Show aber nicht beeinträchtigt. Anschließend wird in typisch amerikanisch-überschwänglicher Art dem zahlreichen Kommen gehuldigt und das Publikum mit einigen Schmeicheleien gewonnen. Von da an wird eine Werkschau geboten, die eindrucksvoll die musikalisch und textliche Vielseitigkeit des Duos beweist – Pop kann schließlich auch bedeuten, alle Gruppen bedienen zu können! So folgt auf die trappige Spaßnummer „Brad Pitt’s Cousin“ das von DJ Premier produzierte „Buckshot“ – eine Graffiti-Hymne, die in der Studioversion auch mit einem Verse des großen KRS-One aufwarten kann. Alles on point und dope gerappt, was vom guten Sound in der weitläufigen Halle unterstützt wird und erheblich zur Qualität der Show beiträgt. Die technische Untermalung durch aufwändig begleitende Visuals auf den Videowalls, die bombastische Lichtshow und die sechs TänzerInnen sind da nur das „Tüpfelchen auf dem i“.
Nach dem druckvollen Start überraschen Macklemore und Ryan Lewis mit einem ruhigeren, politischen Teil, bei dem neben älteren Tracks wie „Same Love“ (ein Plädoyer für Toleranz gegenüber allen Formen von Sexualität) und „Wings“ auch „White Privilege II“ (das sich mit der Rassenthematik in den USA beschäftigt) vom neuen Album Platz findet. Hier zeigt sich, dass einem großen Teil des Publikums das Duo nicht erst seit dem massiven Ö3-Airplay von „Thrift Shop“ bekannt ist. Außerdem offenbart sich, wie gut die Mischung aus Live-Instrumenten, Beats vom Band und dem Rap des Mannes aus dem Nordwesten der USA harmoniert. Da wird musikalisch nichts hingerotzt, hat alles Hand und Fuß und genau diese Präzision in der Darbietung macht die Begeisterung der Besucher und die zeitweilige Gänsehautstimmung aus. Dass das Team nahezu alle zwei bis drei Tage genau dieselbe Show auf dem Programm stehen hat, fällt nicht auf – von Lustlosigkeit keine Spur. Dafür merkt man einem Teil des Publikums nach der vierten oder fünften Nummer mit Tiefgang an, dass die Radio-Hits schon sehnlichst herbeigesehnt werden und die Motivation ein wenig nachlässt.
Natürlich werden auch jene nicht vergessen, die erst in jüngerer Zeit Teil der Fangemeinde wurden. So gibt es zum Abschluss noch einen Block an Partytracks, die Macklemore mit der Bitte: „Please turn up the energy and don’t turn it down anymore!“ einläutet. Es folgt das von vielen erhoffte Hitfeuerwerk mit „White Walls“, „Can’t Hold Us“ und „And We Danced“, die das Publikum noch einmal elektrisieren. Bei „Dance Off“, auf dem auch der großartige Anderson. Paak vertreten ist, werden zwei Gäste auf die Bühne gerufen, die tanzend gegeneinander antreten dürfen. Gewinner sind schließlich beide, Macklemore fordert vom Publikum Respekt für den Mut der Kandidaten. Danach folgt die große Verabschiedung, bei der alle involvierten Künstler gebührend geehrt werden. Im Anschluss gibt es noch eine Zugabe, die eine energetische und technisch bombastische erste Solo-Show in Österreich beschließt. Unzufrieden geht hier wohl keiner nach Hause.
Fazit: Dass Konzerte in dieser Größenordnung eigentlich immer eine gewisse Professionalität voraussetzen, ist keine neue Erkenntnis. Die Fähigkeit, ein derart heterogenes Publikum so gut zu bedienen, ist aber eine beeindruckende Leistung. Besonders hervorzuheben ist die harmonische und präzise Verbindung von Band und elektronischen Beats, die Bühnenshow sowie die Energie aller Beteiligten, welche dem Publikum keine Verschnaufpause gönnten. Wenn es auch kein klassisches HipHop-Konzert war, schafft es Macklemore doch, Rap einem breiterem Publikum zugänglich zu machen und dabei nicht auf seine politischen Botschaften zu verzichten – beeindruckend!
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