A jeder ghert zu ana Minderheit,
an jeden geht wos o.
A jeder hot a Handicap,
an jeden gehts a so.
Der ane merkts stärker,
der aundare merkts ned.
Der ane is gescheida,
der aundare is bled.
Als ob Wolfgang Ambros schon vor vierzig Jahren über die Handicaps der beiden Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer gesungen hätte. „Hoffnungslos“ heißt das Album des damals erst 25-Jährigen, „Minderheit“ eines seiner besten Stücke. Tatsächlich löste Ambros mit diesem Lied die negative Bedeutung des Minderheit-Begriffs auf, indem bei ihm von den Schönen bis zu den Sterbenden alle zu einer Minderheit wurden. Seine Worte waren an ein heute unvorstellbar graues und monokulturelles Wien gerichtet: Damals wurde in Österreich gerade erst die Abtreibung entkriminalisiert, der städtische Autoverkehr kräftig ausgebaut, der erste Wiener McDonald’s eröffnet, die Schaffner waren kurz vor dem Aussterben und es gab noch nicht einmal CDs. Doch trotz aller technischer und kulinarischer Fortschritte der vergangenen vierzig Jahre scheint die subtil geäußerte Kritik an gesellschaftlicher Ausgrenzung und der darin innewohnenden intellektuellen Armut noch immer aktuell.
Dem Gegenwartsbezug des Liedes schadet es auch nicht, dass die beiden Präsidentschaftskandidaten selbst zu Minderheiten gehör(t)en: Der eine zur zweitgrößten „Grünen“-Bewegung des Landes, der andere zu den sich ständig ausgegrenzt fühlenden „Freiheitlichen“. Beide haben zahlreiche Schwächen und zumindest ein Handicap: Hofer ist gehbehindert, Van der Bellen nikotinabhängig. Dass sie damit nicht Wahlwerbung machten, erscheint zwar logisch, gleichzeitig hätte noch vor einigen Jahren niemand geglaubt, dass eines Tages nicht nur Hofer, sondern auch Van der Bellen in erster Linie mit einfachen patriotischen Symbolen und Gesten versuchen würde, die Mehrheit zu erreichen. Und man fragt sich: Sind Fahnen und Trompeten wirklich alles, was Österreich zu bieten hat – oder traut man der Mehrheit der Bevölkerung intellektuell einfach rein gar nichts mehr zu? Wenn der eine mit „Die haben gesagt ‘Fuck Hofer’„ zum Angriff bläst und der andere mit „Ja, aber deine Leute haben geschrieben ‘Fuck VDB’„ kontert, ist selbst die Debattenkultur eines durchschnittlichen Wiener Rapbattles höher einzuschätzen. Das mangelnde oder ebenso oberflächlich geäußerte politische Interesse von Jugendlichen hinsichtlich solcher Inhaltslosigkeit sollte deswegen keinen der Titelträger mehr wundern.
In seinen Anfangsjahren kritisierte Wolfgang Ambros selbst mehrmals das Verhalten der tonangebenden älteren Generationen. Ironischerweise hatte er dabei mit seinem anklagenden „„Da Hofa“ den kommerziellen Grundstein seiner Karriere gelegt. Vor einigen Tagen bezog sich übrigens Hans Söllner auf diesen Titel und die österreichische Präsidentschaftswahl. Ambros machte im Laufe seiner Karriere mit Nummern wie „Zwickt’s mi“, „Heidenspaß (Mir geht es wie dem Jesus)“, „Gö da schaust“ oder „Alfred Hitter“ mehrmals klar, wo er gegenüber der verbitterten konservativen Masse steht. In einer der durchdachtesten politischen Rapnummern Österreichs kommt Ambros auch vor. Sie stammt aus der Feder Kamps und war einem lebensmüden und natürlich „freiheitlichen“ Polizisten namens Helmut gewidmet. Die österreichische Poplegende hatte auch schon vor Jahrzehnten über die mit fast allen Rechten ausgestattete Minderheit gesungen. Bei folgenden Zeilen könnte man sich dabei an zumindest einen Präsidentschaftskandidaten erinnert fühlen:
I glaub du tramst den foisch’n Tram,
du tramst von ana Ordnung, die’s ned gibt.
Du manst es jo so ehrlich, oh du manst es jo so guad,
trotzdem bist so unbeliebt
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