In Österreich kennt man die drei Herren von Alt-J spätestens seit sie mit ihrem Song „Fitzpleasure“ in der A1-Werbung zu hören waren. Was kaum jemand mitbekommen hat: Nach ein paar Monaten wurde der Spot wieder abgesetzt; scheinbar ist jemandem aufgefallen, dass der Song eine Vergewaltigung thematisiert. Die Briten haben sich in Österreich sowie international zu einer der großen Indiepop-Bands aufgeschwungen. Dabei ist ihre Musik gar nicht so einfach einzuordnen. Neben Alternative Rock, Folk und Elektro-Pop schwingen jede Menge Melancholie, eine Prise Psychedelisches und ab und an geradezu mittelalterlich anmutende Melodien mit. Der Kitt, der alles zusammenhält, ist die markante, nasale Fistelstimme von Leadsänger Joe Newman. An dieser Stelle ein Shout-out an die zwei wachen Typen, die „how to write an alt j song“ gemacht haben.
Auf ihrem aktuellen Album „RELAXER“ zeigt sich die Band abwechslungsreich und experimentierfreudig. Neben vielen ruhigen und gefühlvollen Balladen stehen ein paar großartige Singles. „Deadcrush“ ist eine davon und dient in der Wiener Stadthalle als starker erster Song. Die drei Musiker stehen auf der großen Bühne starr an ihren Stationen. Für Dynamik und Bewegung ist trotzdem gesorgt: Unzählige LED-Streifen hängen von der Decke und bauen Abteile aus Licht für Keys, Gesang und Drums. Die Lichtinstallation, kombiniert mit Bildschirmen und Scheinwerfern, sorgt für beeindruckende dreidimensionale Lichteffekte und schafft ganz eigene Stimmungen.
Früher waren Alt-J zu viert. Ohne Bassisten wirken manche Arrangements reduziert. Bei anderen Songs hört man mehr Instrumentalspuren, als Keyboarder Gus Unger-Hamilton Arme zur Verfügung hat. Ein zusätzliches Mitglied hätte hier nicht geschadet. Reduktion gehört allerdings zum Konzept. Die Publikumsinteraktion beschränkt sich auf wenige Grußworte. Erst beim Mitsingteil in „Matilda“ wird der Frontalvortrag für kurze Zeit zum gemeinsamen Erlebnis.
Dank vieler Hits wie „Fitzpleasure“, „In Cold Blood“, „Tesselate“, „Hunger Of The Pine“ und „Left Hand Free“ blieb die Stimmung während des Konzerts konstant hoch. Die wirklich magischen Momente blieben allerdings rar. Neben „Matilda“ sorgte „3WW“, der erste Track des neuen Albums, in der Zugabe für Gänsehaut. Ihr größter Erfolg „Breezeblocks“ wirkt danach, als müsse man ihn eben noch abhaken. Genau darin liegt das größte Problem des Konzerts. Neben zehn (!) Titeln vom ersten Album „An Awesome Wave“ spielen die Briten lediglich vier Titel vom aktuellen Album. Einige der schönsten neuen Nummern fallen den alten, halbherzig vorgetragenen Kassenschlagern zum Opfer. Gerade ein paar ruhige Songs hätten mehr Dramaturgie in ein sehr lineares Konzert gebracht. Der Song „Last Year“ vom aktuellen Album etwa hätte sich hervorragend angeboten, da Gastvokalistin Marika Hackman als Vorband sogar mit in der Stadthalle ist. Trotz überraschend gutem Sound (für die Wiener Stadthalle), vielen Hits und beeindruckender Lichtshow bleibt das Konzert etwas hinter den hohen Erwartungen zurück.
Weitere Fotos von Mario Baumgartner (Instagram):
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