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Gelebter Hedonismus // Apollo Sissi Interview

Gelebter Hedonismus // Apollo Sissi Interview

Die Worte kommen nicht leichtfertig daher, wenn Apollo Sissi vom Leben erzählt. Es geht um die Liebe und andere schöne Gefühle, um Drogen und darum, wie es ist, der beste Rapper zu sein und schnelle Autos zu fahren. Die Texte selbst sind manchmal ein Spiel mit Worten und Referenzen, manchmal ein Eintauchen in ein Selbst im Übermaß. Gepaart mit den Beats von Alex The Flipper und vorgetragen mit einer Mischung aus Gelassenheit und Hochgefühl entstehen daraus Songs, die bereits einen Signature Sound durchschwingen lassen.

Mit “Shady & Schön” hat der Newcomer Ende Mai sein erstes Album releast. Um genau darüber und seinen Werdegang als Künstler zu reden, lädt uns der Rapper in seine Wohnung im vierten Bezirk ein. Hier entsteht zwar nicht alles, aber zumindest ein Großteil seiner Texte und Musik. Turnringe von der Decke und Yogamatte in der Ecke zeigen, dass in dieser Wohnung nicht der Weg des geringsten Widerstands gewählt wird. „Mehr Anstrengung, bringt auch mehr Freuden”, erklärt er. Notizen hängen in Form von kleinen Zetteln an Türen und Wänden, Bücher stapeln sich. Die Wohnung ist voller Inspirationen und Ansammlungen von Output zugleich.

In der Wohnung ist zum Beispiel gemeinsam mit Alex The Flipper, Lak und Cocco Bella der Song “Ariel” entstanden. Inmitten einer Wolke aus Gras, Endorphine und dem was entsteht, wenn vier Köpfe gleichzeitig tüfteln und rauchen, wurde zuerst ein Beat gebaut und dann mit alten Texten und Gedichten von Sissi kombiniert. “Die Stimmung war magisch”, erzählt er. Mit ein bisschen weniger Gras und Magie in der Luft unterhalten wir uns mit dem Rapper über seinen Schreibprozess, Hedonismus und ob Arroganz unbedingt etwas Negatives sein muss.

Apollo Sissi

The Message: Du hast davor schon unter einem anderen Künstlernamen Musik gemacht, aber bei Apollo Sissi ging’s vom Newcomer bis zum Album ziemlich schnell. Wie war der Prozess für dich?

Apollo Sissi: Ich hätte es gar nicht als schnell empfunden, ganz langsam eigentlich. Aber das liegt daran, dass man, wenn man von außen drauf schaut, nur die Releases sieht. Das Album war eigentlich schon vor eineinhalb Jahren fertig. Aber die Videos zu machen und sich zu überlegen, wie und mit welchem Partner man es rausbringt hat sehr lange gedauert.

Man hat das Gefühl, du bist was deine Releases betrifft schon sehr detailverliebt.

Ja, komplett. Es muss einfach vollendet sein. Ich möchte danach nicht denken, dass man es noch besser hätte machen können, sondern ich möchte denken, dass ich das Beste gemacht hab, was ich in dem Moment machen hab können. Es ist aber kein Zwang, sondern eher ein Anspruch.

Wie bist du zur Musik gekommen?

Über meine Gedichte. Ich hab irgendwann angefangen, Gedichte zu schreiben, meistens über die Liebe. Aus dieser Rhythmik, die Gedichte ja auch haben, hat sich entwickelt, dass ich Songs schreibe. Und weil ich auch schon immer HipHop gehört hab, war es dann naheliegend, dass ich mit Rap anfange. Wenn man mit HipHop aufwächst, gerne schreibt und etwas sagen will, dann kann man fast nicht anders, als da mitzumachen.

Was hast du damals so gehört?

Einer der ersten, an die ich mich erinnern kann, ist Big L. Das Album „Watch the Throne“ von Jay-Z und Kanye West hab ich richtig viel gehört. Cro hab ich auch viel gehört. Und alles, was meine Eltern immer so rennen gehabt haben, also viel österreichische Musik – Danzer, Ambros, aber auch Queen oder Prince.

Du sagst, dass du über die Gedichte zur Musik gekommen bist. Wie ist dann dein Schreibprozess? “Texte nur am Sonntag, bei Kerzenschein und Badewanne”, heißt es auf “Houston” – ist es in Realität auch so?

Ja, das auf jeden Fall, aber auch alles andere. Ich hab immer ein Notizbuch mit und sammle da Ideen von Sätzen, hingeworfene Konstrukte, Gedichte eben. Manchmal schreibe ich aber auch Songs am Handy oder am Laptop. Meistens schreib ich auf irgendwas, das schon musikalisch da ist, irgendeinen Loop, ganz egal, hauptsache es gibt mir eine Stimmung, die mich inspiriert und emotional trifft.

Deine bisherigen Releases hast du gemeinsam mit Alex The Flipper gemacht – wie ist die Zusammenarbeit entstanden?

Ich weiß nicht mehr, wie ich Alex The Flipper kennengelernt hab, aber wir haben irgendwann angefangen, dass wir längere Spaziergänge machen, über Sound reden und uns kennenlernen. Es ist schon wichtig, wenn man gemeinsam Musik macht, dass man sich tief kennt, weil es einfach voll intim ist, mit einem Menschen zu zweit Musik zu machen. Die ersten Songs, die wir gemacht haben, haben wir alle verworfen. Dann haben wir irgendwann angefangen das Album zu machen, das war “Shady & Schön”. Die EP ist nebenbei entstanden, das sind auch Songs noch von früher und so.

Wie kann man sich eure Zusammenarbeit vorstellen?

Manchmal sind es gemeinsame Studio-Sessions, manchmal schickt er mir etwas. Dann hör ich mir Loops oder Beats an, ich schreib drauf, wir fahren ins Studio und machen es fertig oder wir überlegen uns gemeinsam Arrangements. Es gibt so viele Wege, ich kann gar nicht sagen wie das immer abläuft.

Das Album geht sehr in diese Oldschool-/Soul-Richtung mit all den Samples – war das dein Wunsch, dass es so wird?

Das ist durch diese Kennenlernen und das gemeinsame Zeit-Verbringen entstanden. Wir wollten etwas finden, wo wir uns beide verwirklichen können und was beide anspricht. Es ist aber immer an der Kippe zwischen Oldschool und dem Neueren, zwischen den zwei Welten, fast wie eine Brücke.

Apollo Sissi

Teilweise hört man diese Brücke in einzelnen Songs.

Ja, es ist echt ein Zusammenfinden von den zwei Welten. Es ist durch die Samples sehr viel Soul und Liebe drin – ich wollte eben ganz warme Musik machen für den Sommer, das haben wir in dem Moment einfach gespürt.

Das Album heißt “Shady & Schön”, zwei Gegensätze, die nicht als Gegensätze formuliert sind, sondern zusammengedacht – wie kommt es zu dem Titel?

Der ist beim Freestylen entstanden. Dieses Koexistieren von gut und schlecht. Bestimmte Dinge, können einfach nicht alleine existieren, wenn etwas anderes fehlt – bei allem. Egal was du hernimmst, du findest das Gegenteil und es ist notwendig, dass man checkt, dass das andere da ist.

Es kommt in deinen Texten auch stark ein Gefühl von Hedonismus durch. Braucht es auch einen Ausgleich dazu?

Ja. Also dieser Hedonismus ist in den Texten absichtlich sehr überzogen – dieses Über-den-Wolken-schweben. Genau dieses Gefühl wollte ich festhalten. Hedonismus ist an sich, solange es nicht in das Selbstzerzörerische oder Weltzerstörerische geht, voll ok.

In einem deiner Texte geht es um Ikarus, der vor lauter Euphorie zu nah zur Sonne fliegt und dann ins Meer stürzt – widerspiegelt das dein Mindset?

Die Line geht ja so: “Ich flieg zu nah an die Sonne, doch wir machen was wir wollen, somit haben wir schon gewonnen.” Es hat sicher auch Momente gegeben, nicht unbedingt bei mir, sondern auch bei anderen Menschen, die ich beobachtet habe, wo dieser Überschwang nicht gut war. Ich persönlich glaube nicht, dass mich Hedonismus in irgendeiner Hinsicht negativ beeinflusst hätte.

Sind deine Ziele in Bezug auf deine Musik auch von diesem Überschwang beeinflusst?

Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man gar nicht zu groß denken kann. Ich wüsste nicht, was schlecht daran ist, wenn man so groß denkt, wie es nur geht. Man muss das immer in Relation setzen. Wenn ich jetzt zum Beispiel Kanye frage, wird er sicher sagen, dass ich nicht groß denke. Jemand anders könnte denken, dass ich völlig übertreibe. Ich hab bestimmte Ideen von einem guten Leben und Dingen, die ich gerne machen will. Wenn das alles passiert, wäre das das Schönste und am Weg dorthin bin ich eben gerade.

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Was sind diese Ideen?

Ich möchte mit den besten Leuten zusammenarbeiten und von ihnen lernen. Ich könnte jetzt voll konkret werden, aber das würden die Leute wahrscheinlich eher als träumend interpretieren und das ist es ja auch ein bisschen.

Bis jetzt hast du immer mit Alex The Flipper zusammengearbeitet, als Featuregäste sind Lak und Cocco Bella vertreten, die Freunde von dir sind. Hast du vor, auch ein bisschen aus dieser schönen cozy Bubble auszubrechen?

Ja, auf jeden Fall. Ich finde es so inspirierend, andere Künstler und zu erleben und wie sie arbeiten. Einfach aus Denkmustern ausbrechen, die man hat. Ich arbeite eh immer wieder mit anderen Leuten, die Songs sind aber noch nicht draußen. Mit Pharrell würde ich zum Beispiel echt mal gerne etwas machen – rein der Gedanke, er ist so der krasse Musiker, der mich begeistert, der sich jedes Mal neu erfindet und einfach so arge Musik macht. Ich würde gerne erleben, wie er menschlich ist.

Und in Österreich? Hast du das Gefühl, du bist in der Musikszene hier gut connected?

Semi würde ich sagen. Es ist schwer zu sagen, ich kenne jetzt gar nicht so viel Musik aus Österreich, ich höre fast nur englische Musik. Aber natürlich – wenn das der Fluss der Dinge ist, ich freue mich über jeden Menschen, der mit mir Zeit verbringen will und Musik machen will. Aber es ist überhaupt nichts forciert.

In deinen Texten kommt auch eine gute Portion Arroganz durch. Inwiefern bist das wirklich du oder Apollo Sissi als Kunstfigur, die hier spricht?

Es ist auf jeden Fall eins. Für mich ist das natürlich und logisch. Viele Menschen haben sehr viele verschiedene Seiten. Manchmal bin ich wütend und manchmal bin ich arrogant, manchmal bin ich traurig. Auf dem Album, da war auf jeden Fall die arrogante Seite eine, die mir wichtig war und die viel zum Vorschein gekommen ist. Ich werde jetzt viel andere Musik machen, die vielleicht traurig oder voll verliebt ist. Das bin alles ich, genau so wie es ist. Ich finde Arroganz auch lustig irgendwie, also wenn ich mir die Lines jetzt durchlese, muss ich kichern.

Also du siehst das nicht als etwas Negatives?

Wenn ich andere Leute damit verletze, dann schon. Und wenn ich mir selbst damit Möglichkeiten versperre und versperre, dass Begegnungen passieren, dann ist es auf jeden Fall negativ. Aber wenn es nur zur Selbstfeier ist, dann ist es voll cool. Man braucht schon ein gesundes Maß und mein Album ist auf jeden Fall ein übertriebenes Maß – aber das ist einfach der Ausschnitt einer Welt, die so ist.

Du legst großen Wert auf Ästhetik. Das merkt man vor allem an deinen Musikvideos und am Hang zum Konzeptuellen – hast du einen Bezug zu Kunst generell?

Ja, ich mal auch voll gerne und schreibe Gedichte. Freunde und Freundinnen von mir sind Künstler. Deshalb war es auch interessant an dem Magazin zu arbeiten. Vor allem wieder aus einem ganz neuen Feld lernen – ich hab mich noch nie mit Grafikdesign auseinandergesetzt.

Du hattest mittlerweile auch schon dein erstes Konzert. Wie war es und was ist für die nächste Zeit so geplant?

Es war so schön und unbeschreiblich, die Leute das erste Mal meine Songs singen zu hören und zu verstehen, dass da Menschen sind, die deine Musik lieben und gemeinsam mit dir tanzen. Es war auch alles ganz leicht. Wir werden noch Musikvideos machen und eine Vinyl zum Album mit dem Magazin kommt raus. Im Sommer kommen noch ein paar Konzerte. „Shady & Schön“ ist jetzt echt fertig, abgeschlossen. Die Leute denken jetzt, dass das ich bin und das ist auch Teil von mir, aber das ist nicht alles. Ich arbeite schon länger an einer EP und habe jetzt schon so viele Songs gemacht, seit das Album fertig ist.