Nach einer einwöchigen Auszeit vereint das Austro Round-up wieder eine üppige Sammlung an Releases und Videos. Denn die jüngste Releasewelle hatte es durchaus in sich – auch abseits der „The Message Exclusives“ von Polifame, über die wir bereits berichtet haben. Der Vollständigkeit halber erwähnen wir einleitend noch die wichtigsten verpassten News aus der Kalenderwoche 20: Bibiza veröffentlichte mit „Tourbus“ eine neue EP, Wandl kehrte mit der neuen Single „Double Exposure“ auf die Bildfläche zurück, Def Ill & P.tah lieferten mit „Panamapaperstreet“ ein gehöriges Style- und Flowfeuerwerk als Vorboten auf das neue Def-Ill-Album „Lobotomie“, Kayo verarbeitete bei der Visualisierung seines neuen Tracks „Ka Moßstob“ einige ihm zugesendete Videoschnipsel.
Releases
Lent – 10 EP
Nach ein paar Vorab-Singles veröffentlichte Lent seine neue EP „10“, die eigentlich nur sieben Songs lang ist. Die Beats kommen wie gewohnt von seinem Bruder und Hausproduzenten Damian Beats. „10“ bietet typischen Lent-Sound: eine Mischung aus Autotune in teilweise gefährlichen Höhen und oft genuschelte Lines über Flex, Fame und Hustle. Die Stimmung der EP ist weit gefächert. Mal ist es langsam und ein bisschen melancholischer wie auf „Teller“, manchmal aggressiv wie auf „No Cap“ oder entspannt wie auf „Moonrocks“. Auf „6. Dezember“ erzeugt der Beat 80er-Vibes. Featuregäste wie der oberösterreichische Rapper und Songwriter Roko von der Tanke und das Deutsch-/Französischrap-Talent Eight O unterstützen den nach Wien emigrierten Linzer auf der EP. „Zehn/Zehn von Zehn“ singt dieser auf dem Titeltrack. Eine ambitionierte Line, der die EP nicht ganz gerecht werden mag – eine gute Sieben ist aber definitiv drin, da passt es dann auch wieder mit der Anzahl der Tracks überein.
Club der Menschen – Gönn‘ dir
„Eure Kommentare sind unsere Raps“. Unter diesem Motto leitet der Club der Menschen seit geraumer Zeit eine monatliche Sendung auf Okto TV, deren Herzstück eine interaktive Freestyle-Show ist. Das Publikum soll Worte spenden, die beteiligten Rapper bauen diese anschließend ein. Im Dunstkreis der Wiener Crew tumeln sich einige altbekannte Namen – Faun, HolyMoly, derMog, MSMC, SirReal und XLEO –, die nun auch erstmals gemeinsam auf Albumlänge zu hören sind. Und das gleich auf sportlichen 19 Tracks, produziert von DJ Drunkadelic und DJ Phlow. Dabei kommen in erster Linie lockere Representer und Posse-Tracks zur Geltung, bei denen der eingespielten Crew der Spaß an der Sache anzuhören ist. Grundsolide Angelegenheit, bei so vielen ähnlich strukturierten Tracks hätte das über März Records erschienene Album aber ruhig ein bisschen kompakter ausfallen können. Kurze Aufmerksamkeitsspanne und so. Wo waren wir gerade? Egal.
Videos
Texta – Rundherum
Über zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass Huckey verstorben ist, ein weiteres Bestehen von Texta stand seither an der Kippe. Nun kündigen die Linzer ein neues Album für kommenden Winter an – und lassen Huckey beim ersten Vorboten aufleben. Denn auf „Rundherum“ ist einer der letzten mit ihm aufgenommenen Parts vertreten. Auch im Video, das schon 2017 entstanden ist, taucht er auf. Inhaltlich könnte die Autotune-Hook von Laima durchaus schon aus der Zeit der Pandemie stammen, letztlich dreht sich die Nummer aber um ganz andere Themen, die vielen Menschen dauerhaft im Magen liegen und die Welt um einen herum als Irre erscheinen lassen. Egal ob Schleichwege der Geldströme, der Umgang mit dem Klimawandel oder mit Migrationsfragen, Texta plädieren für mehr Menschlichkeit. Definitiv schön, sie nochmal als Quartett in Aktion zu sehen.
Diskoromantik – Schlafzimmerblick
Schon seit geraumer Zeit ist „Schlafzimmerblick“ ein geschätzter Bestandteil der Live-Auftritte von Diskoromantik, bestehend aus HipHop Joshy, Jonas Herz-Kawall und Melonoid. Ein Track über den Liebesrausch? Jein. An erster Stelle steht jedenfalls die Liebe zum Rausch. Doch auch in den waachsten Momenten kann das eine zum anderen führen, wie die Heiße-Luft-Boygroup weiß. Um keine Entzugserscheinungen zu riskieren, ist der Track kürzlich auch offiziell erschienen – inklusive Video. Eine haarige Angelegenheit, wenn man sich die Mähnen des Trios vor Augen führt. Der Vintage-Style bei den im Roxy und bei einer Spritztour im VW Käfer gedrehten Bilder macht sich jedenfalls gut, obendrein ergänzen einige Filmschnipsel.
EsRAP – Yalla Habibi
Mit „Yalla Habibi“ meldet sich das Wiener Duo EsRAP nach einer Mini-Releasepause wieder zurück. Auf ihrem neuen Song präsentieren sich Esra und Enes überraschend Lo-Fi-artig, ruhig und atmosphärisch. Soundtechnisch erinnert die von Testa produzierte Single zwischendurch an orientalische Gesänge, strahlt von kultureller Offenheit. „Du meintest du bist anders / Ich bin anders weil ich kann das“, heißt es. Eine kleine Erinnerung ans eigene Können, eine Stärkung des Selbstbewusstseins. EsRAP verbinden ihre musikalischen Offenheit mit dem Talent, verschiedene Stile harmonisch zu vermischen.
Amnezzi – Trainwreck
Besonders viel ist über Amnezzi noch nicht bekannt. Vier veröffentlichte Songs auf Spotify und einen Deal beim Major-Label Sony Music hat der junge Rapper aber bereits in der Tasche. Sein zweites Video-Release nennt sich „Trainweck“, produziert von Vienca, der in jüngster Vergangenheit die Sounduntermalung von Wiener Kollegen wie SLAV und Shen verantwortete. „Trainweck“ zeigt sich mit der Menge an Energie, wie sie von einem Newcomer zu wünschen ist. Nach vorne gebretterter Rap, gepaart mit einer melodischen Hook. Die vorige Single „Paradies“ erwies sich allerdings als eine gute Spur stimmiger.
Jamal52 – Hustler
Bis vor kurzem als Aykay aktiv, folgte jüngst der Namenswechsel zu Jamal52. Weiterhin steckt der Simmeringer Rapper viel Emotion in seine Tracks, er hat einiges zu verarbeiten. So rappt er auf „Hustler“ mit hörbar viel Wut und Herzblut über eine graue Gegend, eine pechschwarze Seele, gute Menschen im Bau und Sorgen, denen er sich entledigen will. Kein Wunder, dass er dabei wenig mit jungen Straßenrap-Posern anfangen kann. Technisch bewegt sich Jamal52 auf einem hohen Level, das teils auf Bahngleisen gedrehte Video ist simpel, aber zwecksdienlich.
Chaoz, SaniTäter & Taiga – Chiefs im Game
Was ist eines der beliebtesten Videomotive für Street-/Gangstah-Rapper? Richtig, oben ohne vor teuren Autos posieren. Und in Linz? Da reicht’s auch, wenn sich das Ebenbild im glänzenden Lack des Baggers widerspiegelt. Denken sich zumindest Chaoz, SaniTäter und Taiga. In Slavenhocke über der Baugrube sitzend und die Mittelfinger hochhaltend zeigen sie, dass es nicht die teuren Marken sind, die die richtigen „Chiefs im Game“ ausmachen. Sondern die heilige Dreifaltigkeit: Skills, Männlichkeit und die Zugehörigkeit zum Bluntkartell, dann passt das schon.
Grandmaster Flow – Treibsand
Zum Bluntkartell zählt auch Grandmaster Flow, der sich mit seinem neuen Track allerdings in ganz anderen Sphären bewegt. Unterstützt durch ein interessantes Instrumetnal mit Reggae- und Jazz-Vibes, präsentiert sich der Linzer Rapper gedankenversunken. Gefangen im Treibsand, reflektiert er Fehler, doch auf der Suche nach dem inneren Frieden kommen auch noch belastende Umstände in die Quere. Nämlich das mangelnde Verständnis für die Ansichten anderer: „Für dich zählen Hautfarbe und Aussprache, für mich zählen Aussagen und auch Taten“, rappt er etwa. Verständlich.
Bjøvan – Image
Auf seinem jüngsten Track spielt Bjøvan die Style-Polizei – in einer Weise, die durchaus vertretbar ist. So knöpft sich der in Graz lebende Rapper einige Kollegen vor, deren erfundene Stories, Prahlereien mit harten Drogen und Insta-Posereien ihm zuwider sind. „Ich hör so vieles, aber nichts davon ist wahr, nein / Rapper plündern für paar Klicks im Internet ihr Sparschwein“, kontert er „Imagerappern“ und möchte sich stattdessen für geradlinigere, erdigere Tracks starkmachen. Gute Absichten, denen sich der übersättigte Rap-Aufmerksamkeitswettbewerb aber wohl so bald nicht beugen wird.
Max Rino feat. Cibo the Hacker – Mach sie fertig mit ’nem Smettbo
Max Rino und Cibo the Hacker befassen sich mit der Frage, die die Generationen X bis Z seit Jahren entzweit, oder zumindest Max Rino von vielen anderen – ja, es ist die Wahl der richtigen Pokemon-Edition. Allerdings, auch wenn das Unverständnis über den PokemonGo-Hype durchaus nachvollziehbar ist, muss noch lange nicht auf ableistische Begriffe zurückgegriffen werden, um dem Ausdruck zu verleihen. Nichtsdestotrotz eine durchaus unterhaltsame Aufbereitung der Kindheit. Wer sich den Titel tatsächlich mit einem Smettbo holt, dem gebührt auch eine Medaille.
Weiteres
Im Verbund mit Brenk Sinatra sorgt Saiko mit „Nightwatch“ für den ersten Vorboten seines neuen Instrumentalalbums – dem Nachfolger des 2019 erschienenen Werks „Saik Rider“.
Nach „Who’s This?“ liefern Fellowsoph & Edi Flaneur mit „Karriereplanung“ einen zweiten Vorboten zu ihrem demnnächst erscheinenden Album – den Track haben sie visuell durch Videoschnipseln aus einer Live-Session ergänzt.
Average hat sechs ältere Singles als „Verlorene Tapes“ zusammengefasst und damit auf den wichtigsten Streaming-Plattformen verfügbar gemacht.
Ein wenig schrill geht es diesmal bei Crack Ignaz zu, der mit „Neontränen“ seine bereits fünfte Single im Jahr 2020 releast hat.
Außerdem haben unter anderem Rotbär & der Luchs mit „Mandala„, Uncle Kareem & Purge Mob mit „The Evil In Good“ neue Tracks veröffentlicht
Text: Simon Nowak, Chiara Sergi, Francesca Herr & Mira Schneidereit