Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Während die Videos zu „Connecten über Ecken“ von HipHopJoshy & ESC sowie „Sativa“ von Pucci bereits erschienenen Projekten entspringen, sind vergangene Woche auch zahlreiche neue Tracks erschienen. Wie gewohnt kommt beim Round-up ein bunter thematischer und stilistischer Mix zur Geltung.
Hunney Pimp – Britney
Es geht weiter mit der Ganovenstory und den Chicago-Vibes: „Britney“ ist das zweite Kapitel und zugleich der zweite Song von Hunney Pimps bald erscheinendem Album „Chicago Baby“. „I was ned – bin i in Chicago oder no in Wien?“ – wie im Film sitzt Hunney Pimp mit Sonnenhut an Bord eines Boots, während sie und ihr (aus dem ersten Kapitel bereits bekannter) Partner in Crime durch den Sonnenuntergang cruisen. Das Meer glitzert und Hunney Pimp singt selbst, sie fühle sich wie in einem Film. Etwas überraschend und erfreulich kommt auch die Nachricht, dass „Britney“ in der aktuellen „Deutschrap Brandneu„-Playlist auf Spotify vertreten ist. Ein Interview mit Hunney Pimp über Imagewechsel, Räume für Frauen, um sich auszuprobieren und natürlich über ihr kommendes Album erscheint demnächst auf The Message.
Dazart & Drexor – Paper
Bevor am 20. September ihr gemeinsames Album „Gangstapop“ via Hanuschplatzflow erscheint, stimmen Dazart & Drexor mit einem dritten Vorboten weiter ein. Nach „Astalavista“ sowie dem Titeltrack bietet auch „Paper“ Mundartrap der härteren Gangart. Diesmal fokussieren sich die Salzburger Rapper vor allem auf ihren Zugang zum „Gödlife“: „Lobe, Money, Para, Mula, Knedl und Hak, hey Typ ruck uma die Scheine, wei sonst gibts bees auf die Nak“, gibt sich Dazart kompromisslos. Die eingängige Hook wird dem „Gangstapop“-Anspruch gerecht. Dass das Wirkungsfeld der beiden von der Salzach bis zur Donau reichen soll, veranschaulicht das Video zu „Paper“. Eingefangen von Meilner, posieren Dazart & Drexor erstmals in Wien vor der Kaisermühlner Skyline sowie rund um den Strom platzierten Gemeindebauten.
Ms Def – 1,1 Grad
Dass sich das weltweite Klima seit der vorindustriellen Zeit bereits um „1,1“-Grad erwärmt hat, ist für Ms Def mehr als genug. Der gleichnamige Track der Mundart-Rapperin dient als Appell, den Worten auf Klima- und Umweltebene endlich Taten folgen zu lassen. Das geht nur über einen drastischen Wandel im Sinne einer CO2- und umweltbewussten Lebensweise – und noch viel umfassendere Proteste, damit Machthaber endlich richtige Maßnahmen gegen eine weitere Ausbeutung des Planeten aus kapitalistischen Motiven setzen. Denn sonst könnten Naturkatastrophen, Waldbrände, Dürre, Artensterben und weitere Auswirkungen wie Klimaflucht schon sehr bald zu einem unaufhaltsamen Problem werden. Ms Def ruft daher auf: „Es konn in jedem von uns a Klimahöd stecken, wir müssen söwa unsa Wöd retten.“ Lobenswerter Ansatz, kann mancherorts allerdings auch sehr gefährlich werden. Die NGO Human Rights Watch berichtete kürzlich ausführlich über mafiöse Netzwerke, die hinter der systematischen Brandrodung im Amazonas-Regenwald stehen und Umweltschützern ohne Gnade begegnen – einige von ihnen wurden ermordet. So herrschen im südamerikanischen Regenwald, der rund 20 Prozent des weltweiten Sauerstoffs produziert, immer noch zahlreiche Brände, ein Ende ist nicht absehbar.
Philiam Shakesbeat feat. Ines Kolleritsch – Unsere Straßen
Rechtzeitig vor der Nationalratswahl am 29. September meldet sich Philiam Shakesbeat wieder zu Wort. Es ist seine erste Veröffentlichung seit dem Ende 2018 erschienenen Track „Gemma“. Zusammen mit Sängerin Ines Kolleritsch (Lucid Kid) hat er eine klare Botschaft an die Parteien und die Bevölkerung: „Nicht mit uns!“. Der ehemalige Punksänger spricht sich gegen Patriotismus, Kapitalismus sowie jegliche Form von Ausgrenzung aus, er setzt sich lieber für Diversität und Innovation ein. Hintergrund und Schauplatz sind die fortan wieder wöchentlich stattfindenden Donnerstagsdemos. Das Video zeigt abwechselnd Philiam Shakesbeat in einem T-Shirt mit der Aufschrift „fuck gender roles“ und Mitschnitte der Demos, zur Verfügung gestellt von der 1UP Crew aus Berlin und der schmodalarmcrew aus Österreich. Die Einnahmen des Tracks möchte er an NGOs gegen Rechtsextremismus spenden.
Dacid Go8lin – Bitches & Witches
Um „Bitches & Witches“ geht es im neuen Song von Dacid Go8lin. Dabei setzt sie auf einen atmosphärischen Beat, albanischen Rap und eine futuristische Hook auf Englisch. Der neue Song der Gründerin des queer-feministischen Musik-Kollektivs Femme DMC entstand in Kooperation mit kino5 – einer Plattform für unabhängige Filmschaffende. „Bitches & Witches“ ist der offizielle Festival-Song der diesjährigen Wienwoche, die der Verschmelzung von kreativen Praktiken und Aktivismus eine Bühne bieten will. Der Titel fungiert zugleich als Motto der achten Auflage: „Wir verstehen BITCHES & WITCHES als Aufruf zur radikalen queer-feministischen Gesellschaftskritik an einem Status quo, in dem politische und soziale Repressionen Normalität geworden sind“, heißt es dazu auf der Website.
Heiße Luft – Impetus Vol. 4: Hate
Seit Freitag ist nach „40 Tage“ und „40 Nächte“ das zweite Gegensatzpaar der „Impetus“-Beat-Compilation-Serie von Heiße Luft vollständig. Auf je 15 Beats widmen sich stets doppelt so viele Produzenten den konträren Themen. Nachdem in der Vorwoche liebreizende „Love“-Klänge herausgekommen sind, ist es nun also Zeit für „Hate“. Mit Titeln wie „About Hate“, „Weird scenes inside the Kerker“ oder „Swingdeath“ fällt das Beattape folglich um einiges düsterer aus als sein(e) Vorgänger. Vertreten sind diesmal etwa Mo Cess, Kardinal Kaos, DJ Sticky, Isaac Haze oder Wilczynski. Alle vier Ausgaben sind via Bandcamp als Kassetten verfügbar.
Jala Brat, Buba Corelli & Raf Camora – Zove Vienna
Dass RAF Camoras Herz auch für den Balkan schlägt, er dort gut vernetzt ist und seine Musik auch im Balkan funktioniert, dürfte nichts Neues sein. „Zove Vienna“ vereint nun RAF mit den beiden bosnischen Rap-Stars Buba Corelli und Jala Brat – der Songtitel zumindest handelt von Wien. „Bruder, neuer Hit, wir machen Win-Win“, sagt RAF und dürfte damit verdammt recht haben: Der Song schreit förmlich danach, dort in Clubs und hierzulande auf Balkan-Partys gespielt zu werden. Daran soll auch nichts verwerflich sein, soundtechnisch gibt es wenig auszusetzen. Die drei wissen definitiv, wie man entertaint und performt. Inhaltlich fällt eine Beurteilung aufgrund von Sprachbarrieren schwieriger. Während RAFs Stimme für seine Verhältnisse etwas undeutlich klingt, dürfte es auch Leuten in der Diaspora nicht immer ganz leicht fallen, die Lines der beiden bosnischen Rapper aufzufassen. So sagt selbst der ein oder andere Native-Speaker: „Jala Brat und Buba Corelli versteht man wie gewohnt fast gar nicht“.
Borgata – Voodoo
Auf „Voodoo“ zeigt sich Borgata von seiner ruhigen, beinahe sentimentalen Seite. Am Sportplatz trauert er einer Frau nach, schließlich ist er doch so „crazy nach ihr’m Booty„. Er liegt nachts wegen ihr wach, ruft sie an, sie hebt nicht ab. Er muss immerzu an sie denken, vermutlich hat sie bei ihm „Voodoo gemacht„. Das ist auch schon der komplette Songinhalt und wiederholt sich drei Minuten lang. So wirkt „Voodoo“ im Vergleich zu anderen Tracks wie „Ego“ oder „Vanilla“, die noch richtige Strophen enthalten, stumpf und substanzlos. Dazu kommt, dass der Track laut Videobeschreibung „ein richtiger Deutschrap Sommer Hit für den Club und das Cabrio“ sein soll. Das ist nicht nur in Anbetracht der fortgeschrittenen Jahreszeit fraglich, zumal das Gesamtpaket bestenfalls für den musikalischen Altweibersommer und Fenster unten beim Autofahren reicht.
Faces & Mirac – Disaster Alert
Gut ein Jahr nach dem Release ihrer Future-Bass-EP „Ahead“ basteln Faces & Mirac weiter fleißig an gemeinsamen Tracks. Auf „Deep Down“ und „Tonight“ ließen der Produzent und die Sängerin kürzlich „Disaster Alert“ folgen, allesamt als Vorboten einer angekündigten „Grow“-EP. Bei dieser dürften sehr kontrastreiche Stimmungsbilder zur Geltung kommen. Während eine zufällige Wiederbegegnung auf „Tonight“ Faces noch von einer schmerzlichen Trennung ablenken konnte, herrscht auf „Disaster Alert“ ein düsteres Selbstbild, das nach dem „kalten Entzug von der Droge Zweisamkeit“ ihren Lauf nimmt. Wie bisher haben die beiden auf ein dazugehöriges Video verzichtet.
Text: Simon Nowak, Chiara Sergi & Francesca Herr