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Eine greeene Evolution // GReeeN Porträt

Eine greeene Evolution // GReeeN Porträt

Lange Zeit wurde der Name GReeeN mit Internet-Battlerap-Turnieren assoziiert. Anders als die meisten seiner damaligen Kontrahenten verschwand GReeeN nach der Turnierzeit aber nicht in der Versenkung, im Gegenteil. 2019 ist er erfolgreich wie nie – und Wien spielt hierfür eine wichtige Rolle. Ein Porträt eines Künstlers, der seine Nische gefunden hat. 

Fotos: Daniel Shaked

An Videobattlerap-Turniere denkt im Jahr 2019 keiner mehr. Die Zeiten haben sich schlichtweg geändert, und Deutschrap ist sowieso eine Szene, die einem ständigen Wandel unterliegt. Vor wenigen Jahren hatten Battlerap-Turniere noch einen ganz anderen Stellenwert. Vor dem Erfolgslauf von Streaming-Diensten wie Spotify waren diese eine beliebte Plattform für unbekannte Reimakrobaten. Auf YouTube erreichten das „VBT“, das „Videobattleturnier“ der Deutschrap-Seite rappers.in, oder das „JBB“, das „JuliensBlogBattle“ des umstrittenen YouTubers JuliensBlog, Klickzahlen in Millionenhöhe.

Innerhalb der Deutschrap-Szene bildete sich so eine Sub-Szene mit eigenen Helden. Was nicht bedeutete, dass einige ihren Erfolg in diesen Turnieren später nicht in Charterfolge ummünzen konnten. Weekend, der bei Chimperator signte und mit seinem zweiten Album „Für immer Wochenende“ 2015 auf Platz eins der deutschen Albumcharts landete, ist so ein Beispiel. Auch einem Lance Butters, der zwei Alben in den Top 10 der deutschen Albumcharts platzierte, nutzte das „VBT“ als Karrieremotor. Ein anderes Beispiel ist Sundiego: Als Rapper an der Seite Kollegahs gescheitert, konnte er sich als SpongeBOZZ via „JBB“ eine bemerkenswerte Zweitkarriere aufbauen.

Und dann wäre noch GReeeN, der sich ebenfalls außerhalb der Bubble behaupten konnte. Nicht ganz auf SpongeBOZZ-Niveau, aber 2019 auf Platz sechs der deutschen Albumcharts zu landen, ist eine starke Leistung. Nicht zuletzt, weil sich GReeeN stilistisch von seiner Battle-Rap-Vergangenheit abnabelte. Er ist immer noch ein Rapper, der Stil ist aber ein anderer. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in Wien und lautet Irievibrations Records.

Künstlerische Neugeburt durch Irievibrations 

Seine Zelte in Mannheim hat GReeeN, bürgerlich Pasquale Denefleh, abgebrochen, der 18. Wiener Gemeindebezirk ist zur neuen Heimat des 30-Jährigen geworden. Dort lebt er unweit des Irievibrations-Studios. Die örtliche Nähe ist kein Zufall. Zu den Labelinhabern Iriepathie bestehen glänzende Verbindungen, die weit über das Geschäftliche hinausgehen. Privat und musikalisch versteht sich GReeeN mit der österreichischen Reggae-Institution ausgesprochen gut, lässt er bei einem Treffen in einer Grünoase mitten in der Stadt, bei dem der Rapper in einem farblich passenden olivgrünen T-Shirt und schwarzen Shorts erscheint, wissen.

Ihren Anfang nahm die Zusammenarbeit im Frühjahr 2018 mit einer Einladung zum Eastrock-Festival in Lienz, das seit 2009 von Iriepathie veranstaltet wird. Zufälligerweise befand sich GReeeN zu dieser Zeit gerade in Wien, stand bei ihm ein ausverkaufter Gig in der „Grellen Forellen“ auf dem Programm. Die Gelegenheit zu einem persönlichen Kennenlernen mit dem Iriepathie-Duo Professa und Syrix ließ er nicht verstreichen. Retrospektiv eine weise Entscheidung, zeigten sich schnell gegenseitige Sympathien. „Manche Menschen trifft man und es bedarf keiner Worte, man versteht sich direkt. Es war fast so wie bei ‚Herzblatt’“, so GReeeN, der stets in einem hohen Tempo und mit wenig Pausen spricht.

In der Folgezeit entwickelte sich eine enge Verbindung, die 2018 abseits des Privaten in der Iriepathie-produzierten EP „Ach du grüne Neune“ und einer gemeinsamen Tour resultierte, auf der Iriepathie GReeeN durch bestens besuchte Konzertlocations in Deutschland, Österreich und der Schweiz begleiteten. Das stressige Tourleben hatte auf die Freundschaft keinen negativen Einfluss. „Mir war klar, dass die Jungs genau das bieten, was mir fehlt“, sagt GReeeN.

Der nächste Schritt konnte nur lauten: Mannheim verlassen und Wien zur neuen Heimat machen. „Er hat das Potenzial für etwas Größeres, weil er eine breitere Masse ansprechen kann“, meinte Professa 2018 im Interview mit The Message. Und wenn es einer wissen muss, dann Professa. Schließlich half er tatkräftig mit, die Karriere von RAF Camora in Superstar-Sphären zu lenken. GReeeN soll der Nächste sein. Mit seiner eigenen Mischung aus Rap und Reggae, die unter dem naheliegenden Ausdruck „Rappae“ firmiert.

Der Weg zum „Rappae“

Diesen Sound musste GReeeN erst entwickeln. Ansätze sind allerdings schon auf seinen frühen Projekten zu finden. Vieles, was er 2012 gemeinsam mit seinem Partner als dieZwei Richtung Deutschrap-Szene entsandte, wurde später fortgeführt und verfeinert. Das betrifft vor allem die Inhalte und sein Gespür für Melodien. Ein Song wie „Schöpfergeist“, den er 2012 veröffentlichte, unterscheidet sich so kaum von der Themensetzung vieler gegenwärtiger Songs.

Die ganz große Aufmerksamkeit ernteten dieZwei mit ihrer Musik nicht, das Duo ging getrennte Wege (kam aber für Features immer wieder zusammen). GReeeN nannte sich damals noch Der Grüne, analog zu seinem Partner Der Rote. Aus Der Grüne wurde GReeeN mit drei „e“: Genug, um Google zufriedenzustellen, und ein „e“ zu wenig, um nicht mit einer populären japanischen Pop-Band verwechselt zu werden.

Ein Faible für Reggae war schon damals vorhanden, rückte zunächst aber für die harte Schule der Videobattleturniere in den Hintergrund. Ein Weg, den nicht alle in seinem Umfeld vorbehaltlos gut fanden. Kritische Kommentare bekam GReeeN vor allem vor seiner Teilnahme beim „JBB“ zu hören: „Vor meiner Teilnahme beim ‚JBB‘ habe ich gehört, dass ich das besser sein lassen soll. Weil der Typ, der das ausrichtet, ein Idiot sei. Aber ich dachte mir nur: ‚Solange das kein Nazi-Veranstalter ist, spielt das doch keine Rolle’“.

Für die eigene Karriere bedeutete die Teilnahme an den Videobattleturnieren vor allem eines: einen enormen Popularitätsschub, der sich in den entsprechenden Like-Zahlen auf Facebook und Followern auf Instagram ausdrückte. Doch für GReeeN brachte die Welt der Online-Battles auch einen Zwiespalt mit sich, der ihn herausforderte; schließlich ist es nicht einfach, als ein und dieselbe Person das Pech in Form asozialer Texte über das Haupt eines Kontrahenten zu gießen – und an anderer Stelle glaubwürdig positive Werte zu transportieren. Denn das war immer sein eigentlicher Antrieb, betont er. Die Lösung lag in Grinch Hill, einem 2014 geschaffenen Alter Ego. Mit diesem versuchte GReeeN, die Battle-Rap-Asozialität von seiner „anderen“ Musik fernzuhalten.

Gleichzeitig zur „Deutschland sucht den Battlerap-Star“-Karriere, bei der er sich immer beweisen, aber nie den ganz großen Coup landen konnte, werkte GReeeN an einer Reihe von EPs. Mit den EPs „Alles grün“ (2013) oder „Hippie 2.0“ (2014) arbeitete GReeeN an der Entwicklung des sogenannten „Rappae“, der an den „Raop“ eines Cros erinnert – nur hier mit Reggae statt Pop als Beigemisch. Ein Kunstbegriff, den er 2018 mit dem gleichnamigen Titel einer EP zu etablieren versuchte.

Schatten der Battle-Rap-Vergangenheit

Vor dieser EP tauchte GReeeN bereits in den Charts auf. Sein Solo-Debüt „Vergessenes Königreich“ erschien 2015 über den Major Sony/ATV. Überwiegend produziert vom befreundeten DJ Slick, ist das Album geprägt von seiner Vorliebe für Reggae und dem Ziel, bei dem Hörenden eine positive Stimmung zu entfachen. Über Beats mit der Schwere der Rauchwolken, die GReeeN beim Konsum cannibinoider Rauchwaren erzeugt, widmet sich GReeeN unbeschwerten Themen, die sich in Songtiteln wie „Bis ans Ende der Welt“, „Wunderschönes Leben“ oder „Tohuwabohu“ ausdrücken.

Sein musikalisches Potenzial lässt er mit diesen Nummern aufblitzen, sein kommerzielles konnte er aber noch nicht ausschöpfen. „Vergessenes Königreich“ positionierte sich auf Platz 33 der deutschen Albumcharts, für ein Debüt durchaus ordentlich. Dennoch kamen Zweifel auf, ob es GReeeN endgültig aus dem Internet-Battle-Rap-Strudel, der so viele vor ihm verschlungen hatte, herausschaffen würde. Doch GReeeN hatte mit Ausdauer und Ideenreichtum zwei Eigenschaften mit im Schlepptau, die bei vielen anderen auf der Visitenkarte fehlten.

Als goldrichtig entpuppte sich dann die Idee, via YouTube bekannten Deutschrap-Songs ein Reggae-Cover zu verpassen: So jamaikanisierte GReeeN Songs wie K.I.Z.s „Hurra die Welt geht unter“, GENETIKKs „König der Lügner“, Kool Savas‘ „LMS“ oder Sidos „Arschficksong“. Das Ergebnis? Klicks in Millionenhöhe und großer Zuspruch in Form eines greenen Like-Dislike-Verhältnisses sowie vieler positiver Kommentare.

GReeeN verschafft diesen Songs tatsächlich eine ganz eigene Stimmung; erstaunlich, wie er harte Songs wie Sidos „Arschficksong“ in musikalische Watte hüllt. „Ich suche mir Klassiker heraus, die provokant sind. Zum Beispiel den ‚Arschficksong‘ von Sido. Der ist so pervers und so primitiv. Wenn ich aber gefühlvoll über einen melodischen Beat diesen Text singe, verliert der harte Text durch die sanfte Melodie an Wirkung“, erklärt GReeeN seinen Zugang, der dazu führte, dass er sich weiter von seiner Vergangenheit emanzipieren konnte. Der Battle-Rap-Schatten verblasste, immer stärker wurde er als Rap-Reggae-Mischproduzent wahrgenommen. „Stück für Stück ging es bergauf, ohne dass ich einen wirklichen Hit abliefern musste. Meine Karriere gleicht einer Pflanze, die seit sechs Jahren wächst“, lautet sein Fazit zu den vergangenen Jahren.

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Aber bitte mit Message

Für GReeeN rückte dabei ein konkretes Ziel immer stärker in den Mittelpunkt seiner musikalischen Aktivitäten: In seinen Songs will er seiner Zuhörerschaft eine aufmunternde Botschaft vermitteln, etwas, was ihnen in schwierigen Lebenslagen Kraft gibt. Befeuert wurde diese Motivation durch persönliche Nachrichten von Fans, die GReeeNs Musik sogar eine lebensrettende Funktion bescheinigen.

Es sind solche Momente, die in GReeeN das Gefühl wecken, es geschafft zu haben; die ihm die Gewissheit geben, dass seine Botschaft ankommt: „Mir geht es bei der ganzen Sache nicht um mein Ego oder irgendeine Anerkennung. Darauf scheiße ich. Ich will den Leuten das Gefühl vermitteln, dass sie es schaffen können, wenn sie an sich glauben. Weil jeder Talente hat. Das will ich meinen Fans mitgeben, weil für mich sind sie die Helden von morgen. Und so viele wie möglich mit dieser Botschaft zu erreichen, das ist mein Ziel“, führt GReeeN aus.

GReeeN ist mit dieser Motivationsschiene aber beileibe kein Unikum im Deutschrap. Ein Kontra K fühlt sich in dieser Nische ebenfalls wohl. Mit dem Berliner sieht er sich auf einer Wellenlänge, nur die Nähe zu der Straße ist ein Unterscheidungsmerkmal. Und natürlich der Hang zu Cannabis. Bei GReeeN ist der äußerst ausgeprägt, wie er auch auf seinem neuen Album „Smaragd“ mit einem Track wie „8 Jahre“ zeigt. Cannabis würde sein Energielevel in die richtige Bahnen lenken, ihn auf „das richtige Maß“ einbremsen, meint er. Cannabis ist für ihn aber nicht nur Konsumgut, sondern auch Geschäft: In Kooperation mit einem österreichischen Bauer entwickelte er seine eigene, behördlich zugelassene Nutzhanfsorte, das sogenannte „Happy GReeeN“. Zugelassen, weil der THC-Gehalt der Pflanze unter 0,2% liegt. Viel mehr Spielraum lassen die gesetzlichen Bestimmungen nicht zu.

Diese Drogengesetzgebung ist ein Grund, warum sich GReeeN für Politik interessiert. Ein Ergebnis davon ist der Song „Pharmazeug“ aus „Smaragd“, wo die deutsche Cannabis-Gesetzeslage kritisiert wird. Aber damit endet nicht sein politisches Interesse. Im Mai gehörte GReeeN zu den mehr als 90 Persönlichkeiten, die mit einem YouTube-Video für Aussehen sorgten. Darin unterstützt diese Gruppe die harsche Kritik an die CDU/CSU, die zuvor YouTuber Rezo in Form des Videos „Die Zerstörung der CDU.“ übte.

Der Aufruhr war groß, Rezo landete auf dem Cover des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel – und die Bundesvorsitzende der Union, Annegret Kramp-Karrenbauer, sah in Rezo und Kollegen Verantwortliche für das enttäuschende Abschneiden der CDU/CSU bei den EU-Wahlen. Sogar über eine Regulierung von Meinungsäußerungen im Internet dachte sie in der Folge nach. Rezo brachte GReeeN auch aus diesem Grund eine ganz besondere Erkenntnis: Dass das einzelne Individuum sich der nach Theodor Adornoüberwältigenden Kraft des Bestehenden“ durchaus widersetzen und etwas verändern, etwas bewirken kann.

Die Zukunft ist greeen

Wie sein Bekannter Rezo möchte sich GReeeN für einen politischen Wandel einsetzen, in seinem Fall durch Musik statt YouTube-Aufklärungs-Videos. „Alte Parteien gehen mir auf die Eier, da muss ein neuer Wind her“, stellt er klar. Optimismus schöpft er aus einer Jugendbewegung wie „Fridays for Future“, die lautstark für den Klimaschutz demonstriert. Der Klimaschutz ist GReeeN wichtig. Nicht nur aus Namensgründen, wenngleich er entschuldigend zugibt: „Ich nenne mich zwar GReeeN, aber so grün bin ich auch nicht. Da geht auf jeden Fall noch mehr!“

Auf dem im Juni erschienenen Irievibrations-Longplayer-Debüt „Smaragd“ wird bis auf die vorhin erwähnte Ausnahme auf Politik verzichtet. „Smaragd“, das musikalisch zwischen Rap, Reggae und Dancehall pendelt und von DJ Slick und Syrix von Iriepathie gekonnt produziert wurde, ist über weite Strecken ein Feel-Good-Album geworden. Bisschen Nostalgie, bisschen luzid-meditative Träumereien, viel Gras, alles sehr eingängig. Das von Professa bescheinigte große Potenzial ist auf jeden Fall zu erkennen.

Seine Internet-Battle-Rap-Vergangenheit hat er auf „Smaragd“ allerdings auch komplett hinter sich gelassen. GReeeN hat seine eigene Nische gefunden, in der er sich hörbar wohl fühlt – und in der er erfolgreich ist. Das ist eine „greeene“ Evolution, deren letzte Stufe in der Zukunft, aber bestimmt in Wien-Währing liegt.

GReeeN: Facebook | Instagram

Am 8. November 2019 veröffentlicht GReeeN mit „Smaragd Plus“ eine neue EP, ab Jänner 2020 ist er auf „Smaragd-Tour“ durch Deutschland und Österreich.