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Beatshizzle (November 2019) // Beats & Instrumentals

Beatshizzle (November 2019) // Beats & Instrumentals

In dieser Reihe widmen wir uns monatlich den neuen Releases der Beat- und Instrumental-Szene. Das Meer an großartigen Beats wird von Tag zu Tag größer und nur die wenigsten Produzenten erhalten gerechtfertigte Credits. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Instrumentalreihen – viele der Projekte gehen allerdings in der Flut an Releases einfach unter und werden nicht mit eigenen Artikeln gewürdigt. Dennoch sind sie relevant genug, um ihnen eine Plattform zu bieten. Über Edward Sizzerhand und sein neues Album „A Taste of Honey“ haben wir bereits in der neuen Ausgabe des Formats Just For The Record brichtet, außerdem findet ihr einige der besten Tracks aus den folgenden Releases in unserer Spotify-Playlist.

Text: Simon Nowak & Simon Huber

Blockhead Bubble Bath

Neben regelmäßigen Produktionen für Alternative-Rap-Größen wie Aesop Rock oder Billy Woods bleibt bei Blockhead die Dichte an eigenen Releases hoch. Erst im Jänner veröffentlichte der New Yorker Produzent die mit einigen Featuregästen versehene LP „Free Sweatpants“, kürzlich folgte mit „Bubble Bath“ ein reines Instrumentalalbum. Wie der Titel und das badende Faultier am Cover andeuten, gehen die Instrumentals diesmal in eine sehr entspannte Richtung. Dafür schöpft Blockhead aus einem bunten Mix an Samples. Innerhalb der Tracks sorgt er für viel Entwicklung, lässt die vielen Layers zu einem verträumten, flächigen Sound mit Trip-Hop-Charakter verschmelzen. Zudem runden einige Vocal-Samples die meist über fünf Minuten dauernden Tracks ab. Naturgemäß hat das zwar einige gewisse Überladenheit zur Folge, im Gesamtwerk überwiegt aber das Harmonische – und so steht ein stimmiges Album für ruhige Stunden.

Clams Casino Moon Trip Radio

Anfang der 10er-Jahre zählte Clams Casino zu den aufstrebendsten HipHop-Produzenten. Dank seiner mit Ambient-Einflüssen bespickten, sphärischen Beats galt er neben Blue Sky Black Death als Wegbereiter einer oft als Cloudrap titulierten Sparte. Regelmäßig versorgte der US-Produzent Rapper wie A$AP Rocky, Lil B oder auch Mac Miller mit Beats, außerdem steckte er viel Lob für seine „Instrumental Mixtape“-Reihe ein. Nach einigen ruhigeren Jahren ist Clams Casino nun zurück mit dem Instrumentalalbum „Moon Trip Radio“. Er knüpft damit weitgehend an seinen altbekannten Sound an – die elf Tracks fallen melodisch aus, bieten einen gewissen LoFi-Charaker und oft eine düstere Note. Gleichzeitig fällt alles eine Spur ruhiger, entschleunigter aus. „Moon Trip Radio“ ist zwar ein schöner Backflash, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Stilistik über die Jahre einiges an Magie eingebüßt hat.

DJ Shadow – Our Pathetic Age

Ist von DJ Shadow die Rede, fällt dessen Huldigung als Legende zumeist noch im selben Atemzug. Dieser Status fußt auf seinem revolutionären, 1996 erschienenen Debütalbum „Endtroducing“ – das erste, das ausschließlich aus Samples bestand. 23 Jahre später ist die Plattensammlung des Kaliforniers auf 65.000 Exemplare angewachsen, seiner Diskografie fügte er im November mit „Our Pathetic Age“ ein siebtes Werk hinzu. Bei diesem sollen verstärkt eigene Kompositionen und Experimente zur Geltung kommen. Klingt interessant, sollte allerdings keine zu hohen Erwartungen hervorrufen. Erweisen sich die retrofuturistisch anmutenden Klänge zu Beginn trotz ihres etwas trashigen Charakters noch als hörbar, reißt der Geduldsfaden beim fünften Track. „Juggernaut“ klingt wie ein nicht mal halbgarer Versuch, in Halftime-Sphären vorzudringen. Immerhin bietet die „Instrumental Suite“ gegen Ende noch den einen oder anderen schönen Ansatz. Jedoch wird DJ Shadow damit letztendlich weder seinem großen Namen gerecht, noch kann er Lust auf die „Vocal Suite“ machen – obwohl darauf etwa Run The Jewels, Wiki oder Pusha T vertreten sind.

Evidence – Squirrel Tapes Vol. 1

Seit den späten 1990er-Jahren in erster Linie als Rapper bekannt, kann Evidence auch eine beachtliche Diskografie als Produzent vorweisen. Der Kalifornier steuert regelmäßig Beats für befreundete Kollegen bei – in den vergangenen Monaten etwa für Westside Gunn oder Brother Ali – und knüpft nun mit dem Start der Reihe „Squirrel Tape“ an seine frühere Instrumental-Reihe an. Im Gegensatz zu den vier nach Farben betitelten Beattapes, die Evidence zwischen 2003 und 2013 veröffentlicht hat, sind diesmal ausschließlich kurze Sequenzen vertreten. Am Mic als „Mr. Slow Flow“ bekannt, weisen auch die Produktionen ein gemächliches Tempo auf – die meisten der 26 Tracks pendeln sich bei rund 80 BPM ein. Dabei kommt sein gewohnter Sound mit harten Drums und einprägsamen, zugleich oft etwas verworrenen (Sample-)Melodien gut zur Geltung. Wie bei seinem Step Brother Alchemist geht mit den neuen Beats zeitweise eine gewisse Annäherung an den düsteren Neo-New-York-Boombap à la Griselda Records einher. Insgesamt eine schöne Sammlung, die ausschließlich zuvor unreleastes Material beinhaltet.

Free The Robots – Datu

Mit seinem neuen Album begibt sich Free The Robots auf eine musikalische Reise in die Philippinen. Dort liegen die Wurzeln des in Los Angeles aufgewachsenen Produzent und DJs. Erstmals bei einer Reise nach Manila vor rund zehn Jahren mit der Kultur und Musik seiner Vorfahren in Berührung gekommen, setzte sich Free The Robots seither intensiv damit auseinander. Das zeigt sich auch auf „Datu“. Betitelt nach Stammesoberhäuptern in der philippinischen Prä-Kolonialzeit, kommen darauf ausschließlich philippinische Samples und Field Recordings zur Geltung. Aufgenommen auf der Insel Siargao, hat Free The Robots die Ausschnite um Drums und Percussions ergänzt. Ein interessantes Album, das letztlich viele abstrakte, psychedelische Grooves und Melodien bietet.

Jsoul – The Neutronic Suite

Auch Jsoul sieht sein neues Album als eine Reise. Bis dato vor allem als Soul-Sänger aktiv, möchte sich der Musiker aus Baltimore fortan mehr aufs Produzieren konzentrieren. Genau diesen Weg soll sein neues Album „The Neutronic Suite“ verdeutlichen. Auf zwölf Tracks setzt Jsoul auf smoothe, soulige Klänge und oft prägnante Basslines. Dabei kommen teils Afro-Electronic und Future-Jazz-Rhythmen zur Geltung, es werden viele Emotionen transportiert werden. Unterstützung liefert Uyama Hiroto als Produzenten-Feature, daneben runden Rapper Substantial sowie die Sänger Sy Smith und Eric Robinson auf vereinzelten Tracks mit Vocals ab.

DJ Yung Vamp – Die Trill Vol. 2

Neben Soudiere zählt DJ Yung Vamp zu den bekanntesten Vertreter des internationalen Kollektivs Purpleposse, das sich melodiösen Südstaaten-Klängen verschrieben hat. Auf seinem neuen Album/Mixtape „Die Trill Vol. II“ liefert der Belgier entspannt vibende Phonk-Tracks. Wie gewohnt durch jede Menge Vocal-Sampels ergänzt – ob „Candy Shop“ von 50 Cent da unbedingt dabei sein muss, sei mal dahingestellt –, gehen die 17 Tracks angenehm ins Ohr und bieten somit jede Menge Repeat-Potenzial. Als einer von zwei Featuregästen vertreten ist der im August verstorbene Purpleposse-Kollege Mythic, der gemeinsame Beat „Miss You“ dient somit gleichzeitig als Hommage.  

Morlockko Plus – Turbulenzen über Honolulu

Der „HerzbubeMorlockk Dilemma hat sich wieder einmal die Maske übergezogen und sich zu seinem Alter Ego Morlockko Plus verwandelt. Seine Geschichten kann er eben nicht nur mit Worten erzählen, sondern auch mit seinen Beats. „Turbulenzen über Honolulu“ ist ein Konzeptalbum und spielt zeitlich in den Anfängen des Flugverkehrs, als beim Fliegen noch Luxus und Rauchen erlaubt waren. Es ist bereits das vierte Instrumentalalbum in den vergangenen 2 Jahren, jeweils arbeitet Morlockko Plus damit eine bestimmte Situation konzeptuell auf. Erschienen wie immer mit stilechter Actionfigur, die natürlich innerhalb kurzer Zeit ausverkauft war.

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Cover zu "Quaranta" von Danny Brown

Jules Hiero – Honey Trap

Der in Wien lebende Jules Hiero, der zuvor als Skeptika bekannt war und unter diesem Name bereits zwei Alben veröffentlichte, machte jüngst mit seinem Debüt auf Krekpek Records unter neuem Namen auf sich aufmerksam. Mit „Honey Trap“ führt er die Mischung aus LoFi-Melodien und scheppernden BoomBap-Drums weiter und hievt sie auf ein noch höheres Level. Die Connection zu Krekpek entstand bei der Südamerika-Tour von Figub Brazlevic und Klaus Layer 2018, wo auch „Honey Trap“ zusammen mit Antonio Neves entstand, der auf drei Tracks mit einer Trompete und/oder Posaune vertreten ist.

Robot Orchestra – Unwind

Über vier Jahre sind seit dem letzten Album von Robot Orchestra verstrichen. Unter dem Aspekt ist die sechs Tracks umfassende EP „Unwind“ fast etwas kurz, was jedoch keinen Einfluss auf die Qualität der detailverliebten, sphärischen Beats hat, die von Cloudchors und Soul Food Horns zusätzlich veredelt wurden. Untätig war der Kölner in den vergangenen Jahren jedoch keineswegs, ist er schließlich gern gesehener Gast auf diversen hochkarätigen Compilations von Chillhop, Krekpek oder seines mitbegründeten Kollektivs Hobo Truffles, liefert Beats für Rapper wie Skyzoo und ist als zweifacher „Producer-Battle“-Champion mittlerweile Teil der Jury.

Toonorth – Long Story Short

Einer der für mich persönlich underratedsten Produzenten zur Zeit ist Toonorth. Der aus Oregon stammende Produzent veröffentlichte kürzlich sein neues Album „Long Story Short“ über Radio Juicy  und hat damit jetzt vermutlich schon eins meiner meist gehörten Instrumentalalben des Jahres geschaffen. Abwechslungsreich, frei von Genregrenzen, Einflüsse von klassischem BoomBap über Oldschool-R’n’B und Soul, düstere Basslines und sehr viel Herzschmerz machen das Album rundum gelungen.

POSTPARTUM. – PPT-DS 001-004

Eigentlich auf Vinyl spezialisiert, hat POSTPARTUM. im November eine Digital-only-Reihe gestartet. Das Konzept: Ein Produzent, zwei Beats im Ein- bis Zweiwochentakt. Die ersten vier Beiträge kommen von NitreX, DJ Obsolete, Stainlexz und K-Otis, die alle schon in irgendeiner Art und Weise im PP-Umfeld aufgetreten sind. Wann und inwiefern die Reihe fortgesetzt wird, steht noch nicht fest, aber die Nummerierung mit drei Ziffern lässt auf viele Fortsetzungen hoffen.

Chillhop Records

Chillhop Records macht in diesem Monat seinem Namen wieder alle Ehre und lässt es musikalisch sehr gechillt angehen. Nicht quantitativ, der Output ist wie immer hoch, aber auf musikalischer Ebene sind die vier November-Releases von Aviino, fantompower, Mr. Käfer und dryhope ensprechend der Jahreszeit sehr ruhig und verträumt, meditativ und entspannend. Gerade „Plush“ von erstgenanntem trägt die Geborgenheit und Wärme schon im Namen.

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