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Geben „Malibu Ken“ Psychedelika: Aesop Rock & TOBACCO // Review

Geben „Malibu Ken“ Psychedelika: Aesop Rock & TOBACCO // Review

(Rhymesayers/VÖ: 18.01.2019/Fotoquelle: Label)

Für den Mythos seiner Plastikpuppe Ken hat sich der amerikanische Spielwarenhersteller Mattel in den vergangenen Jahren einige turbulente Wendungen einfallen lassen, die natürlich die Beziehung zu Barbie betreffen. Turbulenzen, die Aesop Rock und TOBACCO nicht kennen. Unter dem Namen „Malibu Ken“, eine klare Referenz auf das 1961 erschienene Mattel-Produkt, haben sich die beiden zu einem Duo zusammengeschlossen. Dramen sucht man hier jedoch vergebens.

Seinen Ursprung hat „Malibu Ken“ im Jahr 2007. Damals spielte Aesop Rock eine Nordamerika-Tour, auf der TOBACCOs Experimental-Electronic-Band Black Moth Super Rainbow bei einer Vielzahl von Gigs den Vor-Act gab. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich schnell, dass nicht nur eine Schnittmenge in musikalischer, sondern auch in persönlicher Hinsicht besteht.

Ein Jahr später folgte dann die erste musikalische Zusammenarbeit, veredelte Aesop Rock den Track „Dirt“ auf TOBACCOs Album „Fucked Up Friends“. Eine Intensivierung der Arbeitsgemeinschaft zwischen dem wandelnden Lexikon Aesop Rock und dem Großmeister der analogen Synthies war fest geplant, brauchte aber dann doch mehr als ein Jahrzehnt, um sich in einem gemeinsamen Projekt niederzuschlagen.

Dieses gemeinsame Projekt trägt nun denselben Namen wie das Duo und weist eine Spielzeit von knackigen 34 Minuten oder zehn Tracks auf. Zehn Tracks, auf denen die beiden prächtig miteinander harmonieren und ihre jeweiligen Stärken ausspielen. So watet TOBACCO im trüben Wasser seiner gewohnt psychedelischen Analog-Synthies, die an frühe Videospiel-Soundtracks oder 80er-Jahre-B-Movies erinnern, und greift für manch Hook (etwa auf „Tuesday“ oder „Suicide Big Gulp“) auf den Einsatz eines Vocoders zurück, der die gesamte Ästhetik abrundet.

Ein musikalisches Setting, das Aesop Rock dazu anspornt, mit seinen Skills nicht zu geizen. Im Gegenteil: Wie er über die sperrigen Beats rappt, wie er seinen Flow präzise an die Beschaffenheit der Synthies anpasst, ist überaus kunstvoll. Kennt man von dem mittlerweile in Portland residierenden Katzenfreund aber nicht anders.

Doch nicht nur die Flows passen. Inhaltlich gibt sich Aesop Rock ebenfalls keine Blöße, wie üblich sitzen die Metaphern. In jüngster Vergangenheit reduzierte er zwar ein wenig die Komplexität seiner Lyrics, dennoch finden sich auf „Malibu Ken“ Denksportaufgaben wie „I make rap, I ain’t a motherfuckin‘ peacock“. Tiere sind beim Surrealisten Aesop Rock ein ungebrochen populäres Motiv, animalische Referenzen alles andere als eine Rarität auf dem Album. In dieser Hinsicht am auffälligsten der Track „Churro“, auf dem metaphorisch mit der Geschichte der schwankenden Population der Weißkopfseeadler in Pittsburgh hantiert wird. Tiere sind aber nicht alles: Aesop Rock übt sich auf den zehn Tracks auch an einer vergleichenden Darstellung von Musikern/Rappern mit Magiern („Sword Box“), befasst sich mit Selbstakzeptanz und Isolation („Tuesday“) oder liefert cineastisches Storytelling wie „Corn Maze“ oder „Acid King“.

Besagtes „Acid King“ erzählt die Geschichte von Ricky Kasso, komprimiert auf knapp vier Minuten. Kasso, wie Aesop Rock selbst aus dem verschlafenen Long-Island-Städtchen Northampton stammend, mutierte 1984 im LSD-Rausch zum Mörder. Durch die Nähe Kassos zum Satanismus und Okkultismus schlug der Fall in den USA hohe Wellen. Mit negativen Konsequenzen für Aesop Rock: Aufgrund mancher Parallelen, wie gleicher musikalischer Vorlieben, sah die Stadtbevölkerung in ihm den nächsten Ricky Kasso. Dementsprechend wurde er behandelt. Ein Thema, dem sich Aesop Rock nicht zum ersten Mal annimmt. Bereits 2012 sprach er jenes im Track „Catacomb Kids“ an.

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Dieser persönliche Bezug schimmert auch bei „Acid King“ durchaus durch. Seine Qualitäten bezieht der Song aber in erster Linie aus dem packenden Storytelling („At a party, a passed out drunk Kasso gets got for 10 bags of dust/Now it’s not a big town, and people have big mouths“). „Acid King“ steht jedoch auch für die Stimmung des gesamten Albums, auf dem das Soundbild ausgesprochen kohärent ausfällt; die einzelnen Beats ähneln sich fast schon zu stark. Ein wenig mehr Abwechslung hätte nicht geschadet. Bei etwas mehr als einer halben Stunden Spielzeit fällt diese Monotonie aber nicht wirklich ins Gewicht.

Fazit: „Malibu Ken“ gleicht einem psychedelischen Streifen. Über verschrobene Beatkonstruktionen zeigt Aesop Rock, dass er seine Fähigkeit zu detailverliebtem Storytelling und zur Kreation surrealer Metaphern nicht verloren hat. Aesop Rock und TOBACCO, eine Paarung, die mindestens so gut zusammenpasst wie Ken und Barbie.

4 von 5 Ananas