Caramelo war die vergangenen zwei Jahre fleißig, gefühlt jeden Monat erschien ein neues Video des Newcomers. Unverkennbar ist dabei die Handschrift seiner Crew Live From Earth. Das Kollektiv aus Berlin brachte einen neuen Stil, der musikalisch aber vor allem ästhetisch nach und nach Standard in der deutschen Rap/Trap/Cloud-Community wurde. Auch Caramelo konnte sich mit drei EPs, durchweg sechsstelligen Klickzahlen und vielen Livekonzerten im Rapgame etablieren. Seine Nische hat er zwischen den Welten gefunden, klassisch gerade Flows treffen auf Produktionen zwischen Memphis-Nostalgie und Trap-Zeitgeist. Die Texte stützen sich meist auf prägnante Schlagwörter in der Hook, in den Strophen geht es um Selbsterhebung, Drogen, Frauen und die Überlegenheit der eigenen Gang. Eigentlich sippt er abwechselnd Chantré und gefährliche Sprite, am Tag vor seinem Auftritt in Wien treffen wir Caramelo aber in einem nüchternen Moment und unterhalten uns über kaputte Walkmans, den Einfluss der Wiener auf die deutsche Szene und die Generation Soundcloud.
The Message: Willkommen in Wien, wie war die Reise?
Caramelo: Schwierig. Ich bin Montag bei Yung Hurn aufgewacht und dachte mir nur: „Oh Shit“. Meine Wäsche war noch in der Maschine in Schöneberg. Ich hatte nur vier Stunden zum Trocknen und dachte mir ständig: „Nee, ich kann auf keinen Fall nach Wien fliegen.“
Scheint doch noch funktioniert zu haben. Hast du einen engen Bezug zur Wiener Rapszene?
Persönlich durch Jonny5. Der ist auf jeden Fall der Plug, ein herzensguter Mensch. Yung Hurn habe ich über Soundcloud kennengelernt. Irgendwann habe ich dann Meilner in Frankfurt getroffen. Jetzt bin ich zum sechsten Mal jetzt in Wien, dieses Mal gar für mein erstes Headliner-Konzert. Einmal habe ich in Wien für Karate Andi die Vorgruppe gemacht. Das war damals voll spontan, ich wollte eigentlich schon heimfliegen. Ein Kumpel von Andi hat mich dann gefragt, ob ich kurzfristig auftreten kann. Hat geklappt – ich habe auf den Flug geschissen und mit Andi in der „Grellen Forelle“ gespielt. Gibt schon gute Freundschaften in Wien.
„Mich beeinflusst Jonny5 auf jeden Fall stark“
Stehst du auf Wiener Rap?
Yung Hurn und Jonny 5 sind schon krasse Leute, von denen viel ausgeht im deutschsprachigen Raum. Sonst weiß ich nicht, wer gerade so „hot“ ist. Mich beeinflusst Jonny5 auf jeden Fall stark. Wir haben auch viele gemeinsame Tracks, die noch nicht veröffentlicht sind.
Du bist kürzlich von Wiedenbrück nach Berlin gezogen.
Ich wohne jetzt in Schöneberg mit DJ Creep zusammen. Ich habe früher immer auf dem Sofa bei ihm gewohnt. Nun ist ein ein Zimmer in seiner WG freigeworden – und ich habe mich da jetzt eingenistet, im „Schöneberger Dungeon“.
Du und DJ Creep seid beide bei Live From Earth gesigned und wohnt zusammen. Klingt als wäre das mehr als eine Arbeitsgemeinschaft. Wohnt der Rest der Crew auch in der Gegend?
Zwar schön verteilt über die Stadt, aber alle in Berlin, ja. Wir wohnen nicht in einer Hood, aber sind nah beieinander. Die Arbeitsbeziehung kommt erst als Zweites, viel passiert beim Chillen. Ist auf jeden Fall alles familiär. Ich würde es gar nicht als Geschäftsbeziehung sehen. Ab und zu paar Gespräche, aber an sich ist alles nur zusammen leben, Spaß haben und halt Sachen machen, Sachen schaffen. In Zürich sind auch noch paar LFE-Jungs. Die besuchen wir bald – ich drehe bald ein Video mit P Vlex in den Alpen.
Was erwartet uns in den nächsten Monaten?
„Sirius B“ kommt als Nächstes (erscheint am 04.04., Anm. d. Red.). Darauf sind zehn bis elf Tracks. Wird auf jeden Fall sehr anders, nicht wie „Tales From The Dungeon“ klingen, sondern mehr wie „Orange Mound“. Der Sound wird frischer. „Dungeon“ war nur ein Konzept-Tape für zwischendurch, um den Memphis-Shit wieder aufleben zu lassen für uns selber, weil DJ Creep und ich da herkommen. Das ist meine Kindheit gewesen. Von dem klassischen Rap, den man so hört, bin ich irgendwann komplett nach Memphis abgedriftet.
„Tales From The Dungeon“ wurde auf Tape released. Wie kam es dazu?
Die ganzen Memphis-Tapes gab es damals nur auf Kasetten. Aber den stärksten Einfluss darauf hatte Skinny Finsta, der auch auf der EP ist und schon länger alles auf Tape rausbringt. Dann hat es sich einfach angeboten, das mit ihm so zu machen.
„Der letzte Walkman, den ich hatte, war von meiner Oma“
Hörst du Musik über einen Kassettenspieler?
Der letzte Walkman, den ich hatte, war von meiner Oma. Der hat ein Tape gefressen – war sogar das Solo-Tape von Skinny Finsta, ein legendäres Tape. Das war auf jeden Fall „haram“. Ich habe Skinny das geschickt. Er meinte, er schaut einmal, was er machen kann. Aber ich glaub nicht, dass das was wird. Ist eine heftige Rarität gewesen.
Du veröffentlichst neben Tapes auch digital. Die Frage aller Fragen: Bandcamp oder Soundcloud?
Früher mehr auf Soundcloud. Mittlerweile weniger. Über Bandcamp wird released, aber ich fliege jetzt nicht auf Bandcamp ‚rum und hör mir Mucke an. Das passiert nur, wenn ich über einen Youtube-Link dort hinkomme. Auf Soundcloud kann man hingegen gut rumfliegen und neue Sachen finden.
In den USA ist Soundcloudrap fast schon ein Genre.
Diese Strömung gibt es in Europa auch: Soundcloud Life. Für mich sind aber immer noch Videos am stärksten. Soundcloud kann schon was, es ist halt schnell, ich habe letztens so ’nen Kacktrack gemacht und einfach hochgestellt, das war auch kein Trap, sondern so Weihnachtsbäckerei-Shit. Da kannst du einfach schnell mal Audiodateien hochladen.
Prägt das Releasemedium die Musik?
Manchmal habe ich Bock, einfach schnell was rauszuhauen, manchmal habe ich Bock mir mehr Gedanken darüber zu machen, wie das mit dem Video und der Soundästhetik wird. Da hole ich mir dann andere Leute, die das ausproduzieren. Für Soundcloud frag ich nur kurz ’nen Kollegen: „Kannst mir das schnell mischen?“ Und dann geht’s „Zack zack zack!“
Produzierst du auch selbst?
Ich mache teilweise Beats, aber ich rap nicht drauf. Auf Soundcloud gibt’s ein paar alte Sachen, zum Beispiel „Anna Got Me Clickin“ ist so ein Memphis-Beat.
Wird „Sirius B“ wieder ein Kollabo-Projekt mit einem einzelnen Produzenten, wie „Tales From The Dungeon“?
Nein, ich krieg von überall Beats her. Ich habe jetzt ein paar aus Holland von Niaggi Beats, habe paar von PHIL2K, den ich über Jonny5 kenne. Modem x Acoid ist auch drauf.
Entstehen deine Tracks im Studio?
Meistens höre ich die Beats und habe dann irgendeinen Einfall darauf. Das mache ich, wenn ich alleine bin. Der Anfang wird zuhause gemacht, der Rest dann im Studio. Modem ist ein heftiger Produzent, der hört auf jeden Fall viele Sachen raus und gibt dann Hilfe. Ich habe einen Track mit Tightill auf dem neuen Tape, „Denk an dich“, den haben wir im LFE-Studio aufgenommen und Modem hat den produziert.
„Die Cola ist rar, doch der Whiskey ist da“
Bist du ein Studiorapper oder performst du lieber live?
Auf jeden Fall live! Das sind zwei Welten. Selbst wenn ich einmal keine Lust habe auf eine Show – sobald ich auf der Bühne stehe und es losgeht, dann habe ich automatisch komplett Bock. Macht einfach Spaß.
Auch mal als Freestyle?
Im Wohnzimmer von Kollegen haben wir auf Memphis-Beats gecyphert und gefreestyled. Weil früher in Wiedenbrück echt viele Leute gerappt haben. Da gab’s immer gute Sessions in der WG von einem Kollegen, dort wurde hart gechillt. Da war die Base und es waren paar legendäre Freestyles dabei. Die Cola ist rar, doch der Whiskey ist da …
Direkt aus dem Leben. Willst du noch etwas loswerden?
„Sirius B“, Keep it real. Nicht alle Regeln die Regeln sind, sind Regeln. FD Regeln!
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