24°C Mitte April in Wien. Das ist durchaus ungewöhnlich und die damit aufkommende sommerliche Stimmung steigert ehrlich gesagt nicht gerade die Vorfreude auf einen fensterlosen, dunklen Raum wie das Flex. Auch wenn die bajuwarischen MCs Dicht & Ergreifend zu Gast sind. Doch das haben sich dann auch die Veranstalter gedacht und den Einlass von 19 auf 20 Uhr verlegt, damit die Sonnenstrahlen noch etwas länger genossen werden können. Um zehn nach acht herrscht entsprechend gähnende Leere im Flex. Am Merch-Stand jubiliert man: „Oh, der erste Gast“. Auf der gegenüberliegenden Seite des Donaukanals tümmeln sich hingegen die Massen, entspannen vor dem Tel Aviv und genießen den lauen Abend.
Keine einfache Ausgangssituation für den deutsch-österreichischen Support Kiste und DJ Sticky. Sie starten vor einer Handvoll Leuten, bleiben davon aber völlig unbeeindruckt und liefern souverän ab. In breitestem Oberpfälzisch werden bayerische Lauchs, Spliffs und Schweinsbraten thematisiert. Wissenschaftlich interessant ist vor allem die spontan durchgeführte Umfrage im Publikum, wie viele sich im Kalenderjahr 2017 in die Hose – pardon my speech – geschissen hätten. Gefolgt von entsprechendem Track versteht sich. Recht mutig ist es im Jahr 2018 hingegen, sich selbst angesichts der vermeintlich unzureichenden Auswahl cooler Frauen im Song „Liegt es an mir oder an euch“ mit einem „Veganer an der Fleischtheke“ zu vergleichen. Das Flex ist derweil komplett (!) voll. Schwer zu glauben, dass der Gig ursprünglich im B72 stattfinden sollte.
Kaum sind Kiste und DJ Sticky von der Bühne verschwunden, werden schon die Lichter abgedunkelt und Dicht & Ergreifend starten mit dem epischen Opener „O.N.T.H.“ in den Abend. Zwei Blechbläser sind auch dabei und sorgen für die passende instrumentale Untermalung. Besonders einnehmend fällt die Lichtshow aus. Unnötig zu erwähnen, dass das Publikum von Anfang an dabei ist. Die bunte Mischung aus Ortsansässigen und zugereisten Bayern erweist sich als extrem textsicher. Ob Manu Chao sich je hätte ausmalen können, dass sein Song „Me Gustas Tu“ mal in „Forever Youngg’seY“ umgedichtet und von Österreichern in Wien auf Bairisch mitgegröhlt werden würde? Wohl nicht. Welch Ehre!
Zugegeben: über zwei Stunden fällt die musikalische Bandbreite eher schmal aus und man muss den volksmusikalischen Klängen schon recht zugeneigt sein, um die eigene Aufmerksamkeit oben zu halten. Freunde von wummernden Bässen werden ob deren Abwesenheit an diesem Abend auch eher enttäuscht sein. Alle anderen feiern sich jedoch munter durch das süddeutsche Oeuvre von „Ghetto mi nix o“ über „Schofal Boogie“ bis hin zu „Wach vom Wecka“. An diesem Abend fühlt sich das Flex wie eine zur Partyhöhle umfunktionierte Scheune in einem Dorf irgendwo hinter Straubing an. Lokalmatador Skero leistet den bayerischen Buam zwischenzeitlich auch noch Gesellschaft bis sich die „Fensdabuzza“ schließlich in den wohlverdienten Feierabend verabschieden.
Fazit: Wenn nicht jetzt Mundart-Rap, wann dann? Vor zehn Jahren wäre es vermutlich noch schwierig gewesen, über die geografischen Grenzen des eigenen Dialekts hinaus erfolgreich zu sein. Wer hört schon in Flensburg niederbayrischen Rap. Aber in Zeiten von Mumble Rap, wo man Texte ohnehin nicht mehr zwingend verstehen muss, scheint alles möglich. Bester Beweis: der Auftritt von Dicht & Ergreifend im Flex. Die bayerische Gaudi mitten in Wien zeigt, dass Rap mit Dialekt schon lange nicht mehr das Stiefkind der HipHop-Szene ist. Es gibt eben nix bessas wia wos guads.
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