Das Leben ist ein Strand – besonders dann, wenn man wie Easy Life in Leicester lebt und geographisch so weit wie nur möglich vom Meer entfernt ist. Zumindest aus UK-Perspektive. Am 28. Mai erschien „life’s a beach“. Nach mehreren Mixtape- und Single-Releases über die vergangenen Jahre ist es das lang ersehnte Debütalbum der britischen Indie-/R’n’B-Band. Im Interview spricht Frontman Murray Matravers über den Entstehungsprozess des Albums, seine Vorliebe für schwarzen Humor und über seine eigenen Unsicherheiten, die in den Songs immer wieder rauskommen.
„Ich schätze das Thema und die Idee hinter dem Album war ein Ausflug zum Strand, der dann aber irgendwie schief geht. Man will zum Meer fahren, alles sieht super aus, aber dann nimmt das Ganze eine schlechte Wende und am Ende fährt man halt wieder heim“, erzählt Murray. Auf „have a great day“ ist zum Beispiel noch alles gut. Ein Sommer-Track, der zum Daydrinken einlädt mit nostalgischen Beach-Style Gitarrensounds und harmonischen Background-Ahhs und -Ohhs. Dabei geht es einfach mal um gar nichts, außer darum, dass es ein schöner Tag ist, und man ohne schlechtes Gewissen seine Zeit verschwenden kann.
Auf anderen Songs wird es ein bisschen ernster. „A message to myself“ ist ein Track über Selbstliebe und eine Erinnerung daran, dass man in den schlechten Zeiten am besten für sich selbst da ist. Auf „living strange“ ist dann auch die Rede von Selbstmordgedanken und von den Momenten, in denen man die Realness des Lebens nicht mehr packt – „There’s always something wrong, if it’s HD, it’s too graphic for me.“ „Ich schreibe über das, was ich fühle und großteils der Zeit fühle ich mich einfach besorgt, klaustrophobisch und überwältigt. Ich glaube vielen Leuten geht es so, ich glaube nicht, dass ich der einzige bin. Ich glaube die Welt kann sehr überwältigend sein und es ist ein sehr entmutigender Ort, an dem wir hier leben. Ich schätze deshalb sprechen viele Songs über die Schwierigkeit, in dieser Welt zu leben.“
Gleichzeitig sind die Songs immer voller Humor und positiven Gedanken. Auch die Instrumentals sind sehr melodisch und verbreiten viel eher eine positive als eine negative Stimmung. Alles nach dem Motto: Es ist eh scheiße, wenn es einem scheiße geht, aber dann kann man wenigstens gute Musik hören und Jokes machen. „Ich glaube die Probleme, über die ich spreche, existieren und deshalb spreche ich darüber. Aber anstatt sich von ihnen runterziehen zu lassen und zu viel darüber nachzudenken, sollte man lieber lächeln und sagen, dass alles gut wird. Und wenn man dann noch Witze darüber machen kann, umso besser. Es sind oft Elemente von schwarzem Humor in den Songs – ich mag das. Mir gefällt es, mit Humor zu spielen, Humor ist so subversiv und kann auch so ein starkes Mittel sein, um seine Message rüberzubringen.“
Auf die Frage, inwiefern das Ganze eine Realitätsflucht mit sich bringt, sagt er „Für mich war Musik schon immer eine Art von Eskapismus. Es ist Eskapismus, weil es dich an einen anderen Ort mitnimmt. Im Album haben wir versucht eine andere Welt zu erschaffen, die ein bisschen surreal ist und die Dinge laufen nicht so, wie sie laufen sollten. Es ist eine positive und gute Welt, aber sie ist untergraben durch diese dunkleren Themen. Ich bin einfach besessen von Realitätsflucht. Ich glaube alles ist gut, wenn es dich raus aus der kalten Realität zieht. Und ich will auch, dass die Leute das Album hören und es genießen. Aber nicht nur, weil es wichtige Themen anspricht, sondern auch für den reinen Genuss. Einfach, weil man es sich anhören kann und an einen anderen Ort mitgenommen wird, eine Pause von der Welt macht für 20 Minuten oder 40 Minuten oder wie lange auch immer. Ich glaube Eskapismus ist gut für die Seele, es ist eine Art Verwöhnung, die manchmal notwendig ist.“
Neben dieser Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor sind die Lyrics vor allem sehr zugänglich. Es sind keine Zeilen, für die man eine anständige Textanalyse hinlegen muss, sondern stets ehrlich erzählte Geschichten, die mehr oder weniger immer relatable sind. Für Murray bedeutet Songwriting wortwörtlich das zu schreiben, was er fühlt. „Ich denke mir immer, wenn ich etwas fühle oder sehe, dann müssen auch andere Leute das gefühlt oder gesehen haben. Ich mache normale Sachen, die alle anderen auch machen, also bin ich mir sicher, dass die Dinge, die ich erlebe auch andere Leute erlebt haben müssen. Aber viele meiner Erfahrungen treiben mich dazu, alles niederzuschreiben. Ich schätze alle Lieder auf dem Album sind über Dinge, die mir passiert sind. Ich denke, es ist wichtig, ehrlich zu sein und über echte Dinge zu sprechen und es gibt so viele Dinge, über die es wert ist zu reden.“
Mit ihren Songs erschaffen Easy Life Soundscapes, die sich nach Sommer und Meer anhören. „Wir wussten von Anfang an, dass unser Album ‚life’s a beach heißen wird‘ und damit wollten wir spielen. Wir wollten nicht, dass das ganze Album klingt, als wären wir am Strand, aber jeder Song hat zumindest ein Element, das sich danach anhört. Der Grund, warum wir das so gemacht haben, ist, dass vieles davon, was mich dazu antreibt Musik zu machen, nostalgisch ist. Daran zu denken wie gut das Leben in the good old days war, als man noch ein Kind war und alles so einfach gewirkt hat.“ Die Instrumentals sind melodietechnisch recht simpel gehalten, können dennoch mit einer gewissen Experimentierfreudigkeit überzeugen. Pop-Elemente treffen auf HipHop, Gesang auf Rap, elektronische Elemente wechseln sich mit akustischen ab. „Skeletons“ sticht durch seinen Up-Beat-Charakter hervor, auf „lifeboat“ sind Trap-Elemente zu hören, „message to myself“ fängt mit der Aufnahme eines rumänischen Orchesters an. Dadurch bleibt das Album trotz des durchgängigen Themas abwechslungsreich.
Ein Song der stark mit dieser Strand-Ästhetik arbeitet ist „ocean view“. Wenn ein Sonnenuntergang ein Lied wäre, würde es wahrscheinlich in etwa so klingen. „In ‚ocean view‘ geht es darum, etwas geplant zu haben, das dann nicht ganz nach Plan läuft. Es geht darum, wie man mit Dingen umgeht, die in die falsche Richtung laufen. Du nimmst jemanden mit zum Strand und du denkst dir, dass die Person es lieben wird, aber sie hat keinen Spaß und du fragst dich einfach nur ‚why‚, also wie kann man den Strand nicht mögen? Der Song dreht sich um eine Beziehung, aber die Metapher ist viel größer.“
Mit ihrer Musik waren Easy Life schon von Beginn an sehr erfolgreich. Gleich nach dem Release ihres ersten Songs wurden sie von Island Records unter Vertrag genommen. Diesen Sommer haben die Boys eine UK-Tour geplant. Unter anderem werden sie auch im Brixton O2 spielen, laut Murrary „der holy grale der britischen Venues“. An diese großen Konzerte hätte er sich noch immer nicht gewöhnt. „Ich werde bei allem was ich tue nervös. Ich bin nervös vor Interviews, vor Konzerten, sogar wenn ich mir Zigaretten kaufen gehe. Aber ich mag es, nervös zu sein, das ist gut so. Es ist ein wahnsinniger Luxus zu performen und auf der Bühne zu stehen. So fühle ich mich lebendig. Ist es nicht nice, einfach irgendwas zu spüren? Es ist schön, etwas so stark zu fühlen, also nervös sein – das ist wirklich voll ok.“ Nächstes Jahr im März wird durch Europa getourt und da ist wohl hoffentlich auch ein Abstecher in Österreich dabei. Hoffentlich, weil Murrays Rückblick aufs jüngste Konzert in Österreich nicht gerade positiv ausfällt. Am Frequency hätten sie damals für gefühlt eine Person gespielt – und das nach einer dreitägigen Anreise. „It was mental“, sagt er dazu nur.
Bei einem Blick auf den Instagram-Account der Band wird schnell klar, dass Easy Life ein einziges Hipster-Konglomerat ist. Die Songs kommen so entspannt und lässig daher wie ihre tie-dyed und oversized T-Shirts. „Life’s a beach“ ist ein sehr gelungenes Debütalbum, gemacht für alle, die jetzt einfach lieber am Strand wären. Aber um es mit Murray’s Worten zu sagen: „Wenn du dann zum Strand kommst, wirst du merken, dass die Probleme trotzdem noch da sind, also vielleicht solltest du einfach heimgehen und dich ihnen stellen, anstatt dir zu wünschen irgendwo anders zu sein.“
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