"The hardest thing to do is something that is close…
Anzeichen eines verqueren Frauenbildes lieferte der Düsseldorfer Farid Bang, seines Zeichens einer der erfolgreichsten Deutschrapper der Gegenwart, bisher zuhauf – in und abseits seiner Musik. Denn neben der Titulierung und Selbstcharakterisierung als „Frauenschläger“, die er selbstbewusst auf Tracks wie „Ghettosuperstars“, „Crime Time“ oder im musikalisch ungemein poppigen, aber einen umso zweifelhafteren Inhalt aufweisenden „Keine Träne“ vorträgt (ein Song über eine angeblich herzlose Frau, die Farid verlässt, nachdem sie „von seinen Schlägen immer nur die Sterne sah“), stilisiert sich der „Oberbanger“ auch abseits seiner musikalischen Künste als der Stereotyp eines Patriarchen.
Die Liste an äußerst fragwürdigen Äußerungen in diese Richtung fällt lange aus. Ein besonders verstörendes Beispiel ist der „Heißer Star-Girls-Check“, den Farid Bang 2014 in der Teenie-Zeitschrift BRAVO vornahm. Ein „Check“, in dem Farid Bang, wie der Titel schon verspricht, eine Auswahl an Sängerinnen und Model Heidi Klum danach bewertet, ob sie Chancen hätten, mit ihm das Bett zu teilen. Im Falle von Sängerin Lorde klingt das beispielsweise so: „Die wär nicht mal was für ’nen One-Night-Stand – aussehen tut sie wie ’ne 35-jährige Junkie-Alte! (…) Aus Neuseeland ist die? Da haben sie den ,Hobbit‘ gedreht – da passt sie voll hin.“ Aussagen, die das Medium ohne irgendeine Form der kritischen Kommentierung veröffentlichte. Wenn einem bewusst wird, dass fast ausschließlich Pubertierende die BRAVO konsumieren, ein irritierendes wie gefährliches Relikt medialer Verantwortungslosigkeit.
Elena Carrières Aktion verdient Respekt
Aber Farid Bang benötigt mittlerweile gar nicht mehr irgendwelche Interviews zur Postulierung seines Frauenbildes. Heute reicht ein Posting auf Instagram oder Snapchat. Nachdem er Ende vergangenen Jahres bereits diesen Kommunikationsweg nutzte, um zur Causa Lombardi Stellung zu beziehen („Herzlich Willkommen (sic!) in der Familie, jetzt bist du auch endlich ein Frauenschläger“) legte er am Freitag mit einem Statement zu einer Kampagne gegen häusliche Gewalt nach. Besagte Kampagne geht auf Model/Influencerin Elena Carrière zurück, die mit einem schockierenden Posting auf Instagram zur Auseinandersetzung mit dem Thema aufforderte: Das Model veröffentlichte ein Foto ihres Oberkörpers, der diesmal anstatt Social-Media-typischer Makellosigkeit eine Armada von blauen Flecken aufwies, die mit Photoshop eingefügt wurden. Ein qualvoller Anblick.
Auch wenn über die exakte Gestaltung der Kampagne verschiedene Meinungen vorherrschen können – alleine dafür, dass Elena Carrière ihre Reichweite benützt, um auf das Thema der häuslichen Gewalt hinzuweisen, verdient Respekt. Handelt es sich hierbei nicht um eine Lappalie. Wenngleich die Studie, auf die sich Carrière bezieht, mit dem Ergebnis jeder vierten Frau als Opfer häuslicher Gewalt nicht nur physische Gewaltauswirkung, sondern auch psychische Gewalt miteinfließen lässt (deren Folgen aber keineswegs unterschätzt werden dürfen): Häusliche Gewalt ist kein Phänomen, dessen Relevanz sich nur auf eine kleine Randgruppe beschränkt. Die Dunkelziffer ist bei einem derartigen Delikt besonders hoch, fehlt den Opfern in vielen Fällen der Mut, sich über die Misshandlungen öffentlich zu äußern. Also ein Thema, das Betroffenheit auslöst und nicht zu dummen Scherzen einlädt.
Aber genau einen solchen machte Farid Bang, der es sich nicht nehmen ließ, Carrières Foto in seiner Instagram-Story mit „Die junge Dame hier kann sich mit Sicherheit einige tolle schminktipps (sic!) von meiner ex (sic!) holen vielleicht bringe ich auch make up mit genau der Farbe raus ,abortion purple‘ zu kommentieren. Wahrscheinlich meinte er „abuse“, also Missbrauch, anstatt „abortion“, Abtreibung – was natürlich nichts an der Menschenfeindlichkeit der Äußerung ändert. Und wäre dem nicht genug, legte Farid Bang kurze Zeit später noch mit einem merkwürdig gestammelten, äußerst ironisch wirkenden Entschuldigungsvideo auf Facebook nach. Bewusstsein darüber, wie blödsinnig seine Aktion war, vor allem im Hinblick darauf, wie viele seiner jugendlichen Fans das regelrecht abfeierten? Fehlanzeige.
„Super, Ich schlage Frauen“ würde er niemals sagen, so Farid Bang 2011
Dabei zeigte sich Farid Bang in der Vergangenheit durchaus der reflektierten Gedankengänge fähig. Als sein Featuregast Summer Cem auf dem Track „Es ist soweit“ (sic!) aus dem Album „Asphalt Massaka“ die Zeilen „Ey, guck mal, ich bin auf der Flucht und lauf’ besoffen in den Saunaclub/Ficke, komm’ mal heim und hau dann erstmal meine Frau kaputt“ rappte, hagelte es Kritik. Vor allem, nachdem sich die Fußballer Kevin Kuranyi und Mohamed Amsif, die beide im dazugehörigen Video Cameo-Auftritte hatten, medienwirksam davon distanzierten. Ein Vorgehen, für das Farid Bang im Interview mit Planet Interview 2011 Verständnis zeigte und zugleich eine zur Gegenwart völlig konträre Sichtweise hinsichtlich Frauen äußerte: „Also, ich bin ohne meinen Vater in einem Haushalt nur unter Frauen aufgewachsen, mit meiner Mutter, meiner Großmutter und Tanten. Von daher habe ich großen Respekt vor Frauen und natürlich kann ich nicht sagen: ,Super, ich schlage Frauen‘, das würde ich niemals sagen – und ich verurteile so etwas“, so Farid Bang auf die Frage nach seiner persönlichen Einstellung zu der Zeile. Nun ja, die Zeiten scheinen sich dahingehend geändert zu haben.
Nur asoziale Unterhaltung?
Bestürzung liefert aber nicht nur Farid Bang mit seinem Statement, auch die mediale Reaktion gleicht einem Trauerspiel. An kritischen Tönen mangelte es zwar nicht, diese kamen aber ausschließlich vom Boulevard oder der deutschen Version der Huffington Post. In den einschlägigen Szenenmedien hingegen ein einziges laues Lüftchen, keine Spur eines Sturms der Entrüstung. Auf die Frage nach dem „Warum?“ landet man bei rap.de, die in der Vergangenheit bereits unliebsame Erfahrungen mit dem Banger-Camp machten. Chefredakteur Oliver Marquart durfte sich gar über eine Verewigung in Form einer Zeile auf dem Track „100 Bars“ freuen. Der Grund für die Verstimmung lag in der Formulierung kritischer Fragen in einem Interview. Also eigentlich eine Selbstverständlichkeit, mit der sich jeder Künstler auseinandersetzen muss, aber im Wattebausch, der sich Deutschrap-Journalismus nennt, viel zu selten stattfindet. Anzunehmen, dass das rap.de-Beispiel vorbildlich für manch Medium war, besser die Auseinandersetzung zu scheuen oder wenn, dann auf kritische Töne zu verzichten. Den Vorwurf mangelnder Kritik an den reichweitenstarken Banger-Musik-Künstler, dessen Videos (und die seiner Signings) millionenfach angeklickt werden, muss sich beispielsweise hiphop.de gefallen lassen, die mit der Headline „100% Asozialität: Farid Bang scherzt über Gewalt gegen Frauen“ titelten. Zwar wird im Bericht die Caption als „geschmacklos“ bezeichnet, auf eine klare Positionierung aber verzichtet. Vielmehr wird das Bild gezeichnet, dass es sich dabei schlichtweg um Unterhaltung halte und die Chose daher halb so schlimm sei. Die Conclusio, Farid Bang gäbe zur Zeit wieder richtig Gas in den sozialen Netzwerken, lässt keinen anderen Schluss zu.
Wie falsch derartige Rechtfertigung ist, wurde in der Vergangenheit nicht nur von Vertreterinnen des radikalen Feminismus skizziert. Die Durchsetzung öffentlicher Ächtung ist eine maßgebliche Komponente, um häusliche Gewalt zu bekämpfen. Statements wie von Farid Bang dürfen im öffentlichen Diskurs keinen Raum ohne entsprechenden Gegenwind erhalten. Selbst, wenn jenes unter dem fadenscheinigen Argument der Unterhaltung geschieht. Nach Kate Millett ist die Struktur und Wirkung des Patriarchats vergleichbar mit der des Rassismus und Kolonialismus, die Absicherung der Herrschaftsverhältnisse im Patriarchat basiert jedoch auf Vergewaltigung und häuslicher Gewalt. Die Konstellation der Macht in den genannten Gefügen läuft aber jeweils nach dem gleichen Schema ab. Wäre Farid Bangs Posting rassistischer Natur gewesen, keiner hätte einen entschuldigenden Ton angeschlagen oder von „asozialer Unterhaltung“ gesprochen. Zu Recht. Bei der Ächtung des Sexismus ist aber noch viel Luft nach oben. Dies gilt vor allem auch für die HipHop-Szene. Leider.
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