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Der geborene Entertainer // Fatoni live

Der geborene Entertainer // Fatoni live

Fotos: Philipp Detter | www.derdetter.at

Regenbogenfarben im Flex. Buntes Scheinwerferlicht, das sich auf Juicy Gay, den Voract des Abends, richtet. Passend dazu auf seinem T-Shirt die Aufschrift „No Place For Homophobia“. Er atmet tief ein und lacht kurz, eher er sich erkundigt, wer im Publikum denn an eine flache Erde glaube. „Sensation“ aus seinem aktuellen Album „Axolotl Princess“ leitet er mit der Frage „Wer von euch feiert den Autotune?“ ein. Die Gretchenfrage des Trap-Kosmos.

Eher ungewöhnlich für einen Support-Act: Als Juicy Gay von der Bühne geht, schallen ihm laute „Zugabe“-Rufe entgegen. Diese lässt er aber relativ rasch mit einem „Ich darf leider nicht“ verstummen und verweist auf seine künftigen Konzerte: „Kommt da vorbei, wenn ich das nächste Mal in Wien bin, ich küss‘ eure Augen!“. Juicy Gay huscht dann aber doch nochmal kurz auf die Bühne – zur Enttäuschung seiner Fans aber nur, um seinen selbst betitelten DJ-Koffer zusammenzupacken. „Ich war hauptsächlich wegen Süßgott Juicy Gay da, der eine sehr gute Supportshow gespielt hat und mit DJ-Koffer eine Alexander Marcus relatede Liebe zu Gegenständen präsentiert hat“, kommentiert Babu von der 808Factory den Auftritt.

Shoot me. Shoot me. Shoot me. Shoot me. John Lennon säuselt die ersten Worte vom Beatles-Song „Come Together“, als das Licht sich verdunkelt. Heute ist alles ein bisschen anders als bei Fatonis Konzerten vor zwei und drei Jahren im Flex. Größer. Professioneller. Voller. Der Tour-Manager stimmt noch kurz die E-Gitarre, die Schlagzeugerin Philo wirbelt schon die Drumsticks zum Aufwärmen. Als bei einem der ersten Tracks, das Dexter-Feature „Authitenzität“, schließlich das Schlagzeug einsetzt, breitet sich Fatonis Energie und Bühnenpräsenz mit einem Schlag aufs Publikum aus. „Werdet ihr langsam wach? Wien, seid einmal so richtig laut für Dexter, sodass er es vielleicht sogar bis nach Stuttgart hört!

Unter lauten Rufen stimmt er „Das ist alles Kunst“ an und fordert das Publikum auf, in die Hocke zu gehen, „ja genau, wir machen das heute schon beim dritten Track!“ Die Menge beginnt zu springen und in den ersten Reihen bildet sich bereits der erste kleine Moshpit. Bei weitem nicht der einzige an diesem Abend. Fatoni beginnt über seine Anfänge als Musiker zu erzählen, auch von Samy Deluxe und davon, was sich bis heute alles verändert hat. Er sei mittlerweile alt geworden, „damals war ich noch jung und jetzt schau ich in den Spiegel und der Mann, der da zurückschaut, ist jetzt alt und schaut mehr so aus wie Clint Eastwood“. Zu Songende streift Fatoni seine Schuhe am Bühnenrand ab. Jemand habe einen Kaugummi auf die Bühne geworfen, meint er. „Das ist echt eklig.“ Er hält kurz inne, lacht dann und fährt fort, „wenn ich im Track sage, ich habe nur Luxusprobleme, stimmt das wohl“.

Mit der E-Gitarre in der Hand meint Fatoni, falls jemals ein Best-of von ihm veröffentlicht werden sollte, werde „Semmelweißreflex“ bestimmt ein Teil davon sein, „immerhin geht es im Song ja auch ganz viel um Wien„. Ein Wien, das er so gerne mag, dass er vor seinem Auftritt Kamp-hörend über den Stephansplatz geschlendert ist. Nach dem Refrain geht Fatoni nahtlos zu „Mitch“ über und verschwindet danach sofort von der Bühne. Um kurz später aus der Dunkelheit der Flexhalle auf dem Mischpult stehen zu bleiben. Den Trick mit der B-Bühne habe er sich von Casper abgeschaut, als er mit ihm auf Tour war. Aber das Geld bei ihm reiche halt nur fürs Mischpult, witzelt er. Wie auch schon bei den vorherigen Konzerten gibt er eine Akustik-Version von „lassensiemichkünstlerichbindurch“ sowie ein Medley aus: „C’mon das geht auch klüger / Check / Deutscher Rap / An der Uhr“. Bei der Zeile „Du wählst FPÖ, ganz der Opa“ geht ein aufgeregtes Johlen durch den Club. Das Publikum scheint wohl Fatonis politische Einstellung zu teilen.

Für „D.I.E.T.E.R“ will Fatoni nochmals alle Hände oben haben. „Ein letztes Mal. Nein das war gelogen, das kommt heute noch bestimmt zehnmal. Aber jetzt will ich wirklich alle Hände oben sehen„. Sein Toumanager reicht ihm wieder die E-Gitarre auf die Bühne. Als Fatoni die letzten Akkorde des Songs zu spielen beginnt, legen ihm sofort einzelne Fans nahe, die Gitarre zu stimmen. Er dreht eine Weile an den Wirbeln herum, wodurch diese nur noch verstimmter klingt. „Wisst ihr, die Gitarre hat 2.000 Euro gekostet, ich glaube, sie ist kaputt“. Seine Drummerin kommt nach vorne, nimmt ihn die Gitarre ab, hockt sich neben ihn auf die Bühne und beginnt zu stimmen. Fatoni lässt sich davon aber nicht aus dem Konzept bringen und beginnt zur Überbrückung sofort ein paar Anekdoten zu erzählen.

Mit seiner ersten Band Creme Fresh habe er einmal ein eher mittelmäßiges Konzert im Planetarium in Wien gespielt. Als Bühnenshow haben sie sich kleine Sketches ausgedacht, was beim Publikum überhaupt nicht funktioniert habe. Trotzdem haben sie das so lange durchgezogen, bis dann ein Wiener irgendwann „Oida, checkts ihr des ned, dass wir des ned witzig find’n?“ gerufen habe. Das, fährt Fatoni fort, sei der demütigendste Moment gewesen, den er je auf einer Bühne in Wien erfahren musste und „wenn wir es nicht schaffen, die Gitarre wieder zu stimmen, wird das heute noch getoppt“.

So schlimm ist es dann aber nicht. „Zur Not nehmen wir einfach die Akustikgitarre. Ich wollte ohnehin ,Wonderwall´ lernen, für alle Leute, die sich das bei Konzerten immer wünschen. Aber dann waren’s nur noch zwei Wochen bis zum Tourstart und ich hatte keinen Bock“. Da gibt es beim vielseitigen Künstler Fatoni ja noch den Trap-Sound, der sich beim Soundcheck schon durch lautes Wummern durch die verschlossenen Türen bis auf den Donaukanal angekündigt hatte. Klingen dröhnt aus den Boxen. Fatoni blickt abwechselnd auf seine Armbanduhr und ins Publikum. „Es ist Zeit für die Traptime!“ Fatoni spritzt den Inhalt seiner letzten Wasserflaschen für „Modus“ und „Burj Khalifa“ in den Moshpit. Auch Juicy Gay kommt noch einmal auf die Bühne. „Wenn nicht mit Rap, dann mit Germany’s Next Topmodel“ rappen die beiden zusammen im Chor – wohl ein kleiner Seitenhieb auf Juicy Gays Auftritt in der Heidi-Klum-Show.

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Fatoni spricht während der Show kurz davon, wie sein potenzielles Best-of ausschauen könnte. Und die Show ist im Grunde genau das: Ein gelungener Ausflug durch seine bisherige Karriere – ganz nach dem Konzept seines aktuellen Albums „Andorra“, mit denselben Opener- und Closing-Tracks. Und das nicht nur einfach runtergerappt, sondern mit einer Leidenschaft dargeboten, die das Konzert zu einer Art Late-Night-Show verwandelt. Mit Entertainer Fatoni in der Hauptrolle. Leider fehlen hier die Freestyle-Einlagen, die geneigter Fatoni-Konzertbesucher sonst gewohnt ist. Dass die abwechslungsreiche Show dennoch erneut höchst zufriedene Rapfans zurücklässt, zeigen auch die Reaktionen der Konzertbesucher und Wiener Musiker, die an diesem Abend dabei sind. „Das Konzert war top. Fatoni ist eben ein geborener Entertainer, ohne gekünstelt rüberzukommen. Das Live-Setup mit Drummer und Ecke-Prenz-Ikone V.Raeter an den Decks ist sowieso ein Selbstläufer, wirkt perfekt aufeinander abgestimmt, weil wohl auch gute Freundschaften dahinterstehen“ , kommentiert etwa Stanley Stiffla von Fear le Funk die Show.

Und auch Mosch, Duzz-Down-San-Gründer, glüht nach dem Konzert vor Begeisterung. „Es ist so schön zu sehen, wie sich dieser 15-jährige Junge, den ich Anfang der Nullerjahre bei einer Jam im Münchner Feierwerk kennengelent habe, zu einem der spannendsten Künstler des Deutschrapuniversums entwickelt hat. Seine Live-Skills durch die vielen Jahre und damit verbundenen Konzerte ziehen mich immer wieder aufs Neue in ihren Bann. Dieses Mal im knackvollen ausverkauften Flex hat er für mich erneut deutlich gemacht, dass er gekommen ist, um zu bleiben. Tausend Pröpse, Bruder Toni!“ Besser können wir es nicht zusammenfassen.

Text: Francesca Herr & Julia Gschmeidler