Tag zwei an der Traisen steht wieder ganz im Zeichen von HipHop. Die Stimmung ist ausgelassen und das kann auch ein kurzer Regenschauer nicht ändern. Hier und da gibt es die traditionellen “Helga”-Chöre oder auch Menschen, die sich kurz mal am Wegrand die Frisur zurechtrasieren, wenn die Menge bestens gelaunt von der einen zur anderen Bühne wandert (oder kriecht, tanzt – je nachdem). So weit also alles wie immer!
Auch zur Halbzeit ist das Line-up vielversprechend und divers, so ist von Sookee, die auf der Green Stage den Festivaltag einläutet, bis Trettmann über G-Eazy alles dabei, was das Herz potenziell begehrt. Ein weiteres Zeichen für die Tatsache, dass die Tage, an denen Rapper in dunkle und kleine Hallen verbannt wurden, gezählt zu sein scheinen. Immerhin gibt nahezu jedes Festival-Line-up in diesem Jahr der Erfolgswelle recht.
Nach dem kurzen Wetterumschwung am Nachmittag kommt mit Mavi Phoenix, dem ersten großen Austro-Act, am späten Nachmittag im wahrsten Sinne des Wortes die Sonne wieder raus. Dem Hype um ihre Person macht sie mit ihrer wohlbekannten Mischung aus HipHop und Urban Pop alle Ehre. Die junge Linzerin reißt die Crowd problemlos mit und performt beispiellos. Keine Verhaspler, kein Genuschel, sondern angenehme Vibes, die die anbrechende Abendstimmung perfekt untermalen. Und es wäre nicht Mavi, wenn es mit einer Regenbogenflagge nicht noch ein kurzes politisches Statement gäbe, womit sie sich zusätzlichen Jubel einheimst. Die Begeisterung hält auch eine Stunde später beim Autogrammzelt noch an, als die sehr lange Schlange mit erwartungsvollen Gesichtern auf die kurze Begegnung wartet.
Zur beginnenden Dämmerung steigt jedoch neben dem Autogrammzelt die Spannung deutlich, immerhin klopft ein Top-Act aus Sachsen an: Trettmann, mit seinem 2017 erschienenen Album “#DIY” wohl nach wie vor einer der Besten im Game, legt einen gewohnt soliden Auftritt mit zwischenzeitlichem Gänsehaut-Faktor hin. Seinen Flow kreiert er mit seiner unverkennbaren Stimme und zeigt mal wieder, dass er Meister in Sachen Autotune ist. Bei Tretti ist es nie zu viel oder zu wenig, sondern so gut wie immer on point. Da ist selbstverständlich der Sound von Kitschkrieg nicht ganz unbeteiligt, weswegen es auch ein paar Shoutouts für das Berliner Produzententeam gibt. Mit Hits wie “Grauer Beton”, “5 Minuten” und natürlich dem Kitschkrieg-Kracher “Standard” haut er einige Bretter raus, die seine Fanbase zum Springen, Singen und Tanzen bewegen. Standard eben!
Viel Verschnaufpause bleibt einem auf der Space Stage heute Abend nicht. Was aber auch gar nicht nötig ist, denn nicht lang nach Trettis Abgang werden die “187”-Sprechchöre immer lauter und die Menge größer. Zum Sonnenuntergang warten die Fans dennoch geduldig und schmeißen sich vor Freude fast in den nächsten Moshpit, als der riesige 187-Banner fällt und die 187 Strassenbande einen ordentlichen Entrance hinlegt. Wer denkt, dass es bei der Hamburger Crew so etwas wie Ups and Downs gibt, liegt definitiv falsch. Die Crowd geht mittlerweile deutlich über den Fanbase-Kern hinaus und bei all den Finger-Pistolen und hochgehenden Armen kommt man beinahe nicht nach. Abriss ist angesagt! Spätestens dann, wenn Raf Camora als Gast die Bühne betritt und nicht nur seinen Vodka, sondern auch seine “Palmen aus Plastik”-Vibes mitbringt. Bei Songs wie “500 PS” schnellen unzählige Smartphones in die Höhe und die Menge tobt. Die Crew scheint sich an diesem Abend regelmäßig immer wieder selbst übertrumpfen zu wollen. Das merkt man spätestens dann, als plötzlich ein CL 500 straight auf die Bühne fährt. Trotz kleiner Verhaspler seitens Gzuz und Bonez MC gibt es auch raptechnisch wenig zu bemängeln.
Moralisch dafür leider genug. Denn bei all der Begeisterung rund um solch einen Act, den man gerade als Anhänger eines derben Hamburger Straßenrap haben kann, wird der Spaß an der Sache doch immens getrübt. Die Vorwürfe rund um Gzuz und Bonez MC, die in den vergangenen Monaten publik wurden, können und dürfen eben nicht vergessen werden. Die Frage nach dem Umgang damit muss man von Medien bis Veranstalter stellen. Denn am Ende des Tages zählt nach wie vor, wer da eigentlich vor uns auf der Bühne steht und Tausende zum Ausrasten bringt. Deshalb bleibt mit fadem Beigeschmack leider trotzdem zu sagen: Schade, 187 Strassenbande.
Den Abschluss in Sachen HipHop macht als vorletzter Act auf der Space Stage G-Eazy. Die Vorfreude scheint groß, die Menge ist riesig. Und tatsächlich legt der US-amerikanische Rapper einen Abschluss hin, bei dem man irgendwann neben Tanzen und Mitgrölen anerkennend mit dem Kopf nickt. Mit präzisem Flow und zackigen Rap-Skills erscheint G-Eazy wahnsinnig kraftvoll und dank seiner Band und den gekonnt eingesetzten Visuals schon fast heldenhaft. Und das nicht nur dann, wenn zum Beispiel Hymnen wie “I mean it” auf dem Programmzettel stehen.
Fazit: Der zweite Tag war HipHop-technisch ein guter. Alle Farben waren abgedeckt und es war für jeden was zu sehen und hören. Auch qualitativ war das Level an diesem Abend ganz schön hoch angesetzt. Ob das das Finale mit Macklemore und Capital Bra toppen kann? Wir werden sehen!
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