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Genregrenzen sprengen // Food For Thought Interview

Genregrenzen sprengen // Food For Thought Interview

Als wir das Studio von food for thought im 7. Bezirk betreten, ist er gerade in einer Session mit Suikoon. Es wirkt wie ein Musikdojo, alles sauber, alles ordentlich und an seiner Stelle. Die Beats, die hier seit seinem Auszug aus der „Schule“ – dem Heiße Luft Headquarter – produziert werden, sind aber oftmals das Gegenteil: roh, verschroben und distorted – kaputt machen lautet die Devise. Der gebürtige Luxemburger, dessen musikalische Karriere in einer der letzten konstitutionellen Monarchien Europas zunächst in einer Screamo-Band und später als House-DJ seine Ursprünge hat, stellt seit Jahren eine feste Größe in der Wiener HipHop-Landschaft dar. Ob Crack Ignaz, Verifiziert oder Yugo, viele Wege laufen mittlerweile bei ihm zusammen. Nun hat er sein erstes Producertape „FOOD WITH FRIENDS“ veröffentlicht und wir sind anlässlich der Jungfernfahrt auf Tuchfühlung gegangen.

Interview: Hassan Safaverdi & Simon Huber
Fotos: Daniel Shaked

The Message: Man sieht auf deinem Desktop eine Liste mit deinen Liveauftritten. Wann war der erste und was war das für ein Gig?
Food for thought: Das fängt am 7.10.2011 an, als ich noch nur DJ war, ich hab einfach von Anfang an alles mitgeschrieben. Das erste war auf einem Festival, vergleichbar mit der Gürtel-Connection in Wien. In Düdelingen, D-Town. Da hab ich noch als Makz Stanley aufgelegt, mein damaliger Facebookname.

Was für ein Genre hast du damals aufgelegt?
UK Garage, House, so die Richtung.

Kam dann der Wechsel zu HipHop mit dem Stadtwechsel?
Nein, nicht direkt. Ich bin hierhergekommen hab erstmal zwei Jahre studiert, wollte meine House-Sachen ausproduzieren, aufs nächste Level bringen und habe ein bisschen geschaut, wo ich hier auch live spielen kann. Für Garage und co haben sich damals in Wien aber nicht viele interessiert. Dann hab ich bei der Beatbox-Championship aufgelegt von MOM, wo auch auch Emzetka einen Auftritt hatten – das waren 5 Leute, mit 2 von denen, Joshy und Jonas, und JerMC hab ich später ein Label gegründet.

War das dann direkt Heiße Luft Records ?
Ich hab dann mal für die einen Remix gemacht, die fanden das urgeil und haben mich direkt als DJ mit auf Tour genommen. Nach Emzetkas Auflösung sind nur noch Tudas, Joshy und Jonas geblieben und mit Tudas und Joshy hab ich dann die 3€-Platte aufgenommen, das erste Release auf Heiße Luft.

Das war dann auch dein erstes HipHop-Release als food for thought?
Genau, das waren so die ganz frühen Anfänge, das muss man so sagen. Ich hatte keine Ahnung von nix, obwohl ich auch viel HipHop gehört habe. Aber ich wusste nicht, wie man es produziert.

Was waren dann so deine ersten Inspirationen oder Producer im HipHop-Bereich, als du gewechselt hast?
Auf jeden Fall MF Doom, Madlib, also Sachen von der Zeit. Das war schon sehr prägend. Aber auch Leute wie Reaf (SSIO), Erick Arc Elliott (Flatbush Zombies), Torky Tork.

Was ist von „Kaktusfreund“ bis zu den aktuellen Tracks soundtechnisch passiert? Es ist ja schon sehr viel Veränderung hörbar.
„Der Kaktusfreund“ ist ja mittlerweile vier Jahre alt, da hat sich so einiges getan- Der Sound ist auf jeden Fall elektronischer und eklektischer geworden. Keine Samples von Jazzplatten, sondern halt Synths, Gitarren und Drums und alles bisschen over the top. Marketingmäßig ist es natürlich eigentlich eher nicht so clever, das unter dem gleichen Spotifynamen zu releasen. Früher war food for thought eher diese Instanz, die für instrumentale Tracks stand. Da mussten keine Vocals und auch kein Gesicht drauf sein, da musste keine Person dahinter stehen. Und dann hat sich das geswitcht zu Trap und dass sich Produzenten auch genauso sich präsentieren müssen wie Rapper. Und das wollte ich eigentlich nicht unbedingt machen.

Müssen sie das?
Naja schon, die Namen würden kürzer, das Tag muss recognizable sein. Und ich habe mich schon gefragt, mache ich da jetzt mit oder ich scheiß drauf und mach weiter als food for thought. Ich habe mir davor nie so viele Gedanken darüber gemacht. Vielleicht wird’s dann irgendwann nur mehr Foody, mal schauen. Aber ich habe auch ein Soloprojekt gestartet, was dann elektronischer ist, mit dem ich versuchen werde, live wieder mehr zu spielen, ohne auf andere Leute angewiesen zu sein. (zeigt ein paar Songskizzen und Videobeispiel)

Man sieht, du hast dein House/Techno-Alter Ego noch nicht hinter dir gelassen.
Definitiv nicht. Ich finde elektronische Tanzmusik super spannend. Vor allem, wo es in Zukunft noch hinführen kann, mit den ganzen Kombinationen aus verschiedensten Subgenres.

Kommt dir diese House- und UK Garage-Vergangenheit ein bisschen zugute bei den jetzigen Produktionen, weil du das schon mal durch hast?
Ja schon, nur war ich damals halt echt noch nicht wirklich gut.

Du bist extrem organisiert. Kann das sein?
Ich mag Ordnung, sonst werde ich verrückt. Wenn ich meine Sachen nicht ordentlich hab, dann kann ich auch nicht denken. Das ist mir sehr wichtig. Aber in der Musik bin ich deshalb umso unordentlicher. Da geht es dann manchmal schon bissi messier zu.

Was war die Idee hinter dem Producertape? Vorher hast du immer als Produzent mit Rapper XY an einem Album mitgearbeitet. Und jetzt ist das erste Mal, dass du als Produzent mit vielen verschiedenen Leuten zusammenarbeitest.
Es hat sich einfach so viel gutes Material angesammelt. Und dann haben die Leute aber manchmal Deals, wo sie nicht mehr alles rausbringen können oder es nicht zu deren Sounds oder zu dem, was sie gerade machen, passt. Da die Sachen aber meiner Meinung nach gut waren, habe ich mir dann überlegt, vielleicht eine EP zu machen. Aber ich mag eigentlich als Produzent nicht unbedingt im Vordergrund stehen, außerdem finde ich es urschade, wenn man so ein Produzententape rausbringt und niemand sich das anhört, weil niemand den Produzenten kennt, man braucht also ein gewisses Standing vorher schon. Und irgendwann war es mir egal, ich hatte jetzt all die Songs, ich wollte sie rausbringen. Es sind dann im Prozess nochmal viele Songs dazugekommen und jetzt bin ich echt happy, dass ich es gemacht habe. Auch wenn es unfassbar anstrengend ist, sich um so viele Sachen zu kümmern, die normalerweise die Künstler*innen machen, also Cover, Social Media und so weiter und da bin ich eigentlich ohne ein gutes Team aufgeschmissen.

Wer hilft dir dabei?
Die Grafiken und Visuals sind von den Glitch Bitches und Julia Winkler. heiße Luft hat mir als Label die ganze administrative Arbeit abgenommen und bei kreativen Fragen sind auch Joshy, Jeremie und David mir zur Seite gestanden.

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Findest du, heutzutage gibt es in der Szene mehr Platz, dass du überhaupt so ein Tape machen kannst und veröffentlichen kannst?
Früher hat sich ja niemand darum geschert. Es ist jetzt nicht so, dass es jetzt anders wäre, aber ich finde es schon geil, dass überhaupt die Künstler*innen, mit denen ich jetzt die letzten Jahre Musik gemacht habe, dann einen auch supporten. Ich glaube, früher wäre das nicht so einfach gewesen. Rap hat viel verändert, dass Produzenten allgemein auch wichtiger angesehen werden und das ist ganz geil, weil die Musik ist ja auch mindestens 50% vom Track.

Hast du vor, in Wien zu bleiben oder ist für dich Luxemburg irgendwann wieder eine Option?
Schwierig. Also momentan nicht. Aber ewig in Wien bleiben ist halt auch nicht die Option. Irgendwo in die Berge vielleicht, weg aus der Stadt. Ich mag schon, wenn was los ist, aber ich bin trotzdem auch ein Mensch, der sich dann gern zurückzieht. Und ich merke, wie ich die Natur auch brauche, ich geh halt kaputt in der Stadt. Ich brauch dann immer mal wieder Auszeit. Vielleicht eben irgendwie schauen, dass man nicht zu weit weg von Wien ist, sodass man auch die Möglichkeit hat, connected zu bleiben.

Du hast dich vor Kurzem auch wieder mal mit Wanja (Anm.: Hardy X) in Berlin getroffen.
Ja, das war im Rahmen der Verifiziert-Releaseparty. Er ist einfach ein super lieber Kerl, ich bin auch froh, damals mit ihm das Edwin-Album gemacht zu haben, ohne ihn wäre das nie fertig geworden. Kennengelernt haben wir uns in einer Diskoromantik-Session, in der alten WG von Melonoid. Wanja hatte auf jeden Fall immer einen unfassbaren Drive und auch schnell gecheckt, dass er nach Berlin muss.

Man merkt, dass du immer mit den Leuten, mit denen Musik machst, auch privat ganz gerne hängst und befreundet bist. Brauchst du diese Connection zum Musik machen oder gibt es für dich auch manchmal einfach „business is business“?
Ja, zu 100%. Was auch ein großes Privileg ist. Allerdings ist es dann umso trauriger, wenn man mal nicht mehr miteinander arbeitet und sich auch privat Wege trennen. Andere haben ihre Arbeit und ihr Privatleben und was sie am Abend mit den Homies machen ist ein anderes Ding als das, was sie morgens machen, wenn sie zur Arbeit kommen. Momentan genieße ich es extrem,  ich kann mich nicht beschweren, durch meinen Traumjob mit Freunden arbeiten zu können. Aber es hat eine Zeit dazu geführt, dass ich am Abend oft so ausgelaugt war, dass ich keine Energie mehr für andere Freunde hatte und dadurch andere soziale Beziehungen plötzlich vernachlässigt habe.

Gibt es etwas, das du machst, damit du am Abend oder am Wochenende auch mal runterschalten kannst?
Im Sommer ist mir aufgefallen, dass ich da leider bisher keine Trennung von Arbeit und Privatleben hatte. Da gab’s diesen Moment mit Babu (Anm.: 808factory/Tausendaugen Booking), dieses Jahr am Splash. Wir sind grad angekommen nach sieben Stunden Fahrt und haben das erste Bier geöffnet. Und ich fange direkt an, über irgendwas arbeitsbezogenes zu reden. Er meinte nur, ihm wurde geraten, am Feierabend nicht zu viel über Arbeit zu reden. Und ich hab vorher nie daran gedacht, das mal so zu trennen, ich konnte das gar nicht. Mit den Leuten, die ich abends auch sehen würde, rede ich halt auch über Mucke. Was auch geil ist, aber mein Kopf schaltet dann nie ab. Aber ich will es versuchen, damit ich halt dann auch wieder besser arbeiten kann. Wenn ich in die heimat nach Luxemburg fahre, versuche ich zum Beispiel, keine Musik zu machen und nach zwei Wochen Zwangspause hat man dann auch wieder neue Inspiration und Energie.

Ich weiß, dass du sehr großer Yeat-Fan bist. Yeat macht ja sehr eigenen Sound mit working on dying. Wünschst du dir manchmal einen Artist, der in eine gewisse Richtung Musik macht, damit du Beats in diese Richtung machen kannst, ein gewisses Genre ausprobieren kannst, aber du noch keinen Artist hast, der das deliveren kann?
Das war früher immer so. Es hat angefangen mit Trap, alle wollten Trapbeats, aber niemand wollte Trap Flows benutzen. Mittlerweile bin ich sehr happy dass die Acts, mit denen ich arbeite, auch alle entweder Bock auf die gleiche Kombination aus Genres und Sounds haben oder mir neue Sachen zeigen, die man ausprobieren könnte und dann ein eigenes Ding mit denen draus machen.

Bei Tracks wie „Rufnummer unbekannt“ mit Verifiziert arbeitest du auch viel mit Verzerrungen, woher kam da die Idee?
In dem Fall kam der Vorschlag auch in einer Session mit Wanja und Veri von Veri selbst. Aber ich glaube, dass es schon sehr viel mit einem auch macht, was man so in der Jugend gehört hat und allgemein war mein Sound früher eher Punk, dann Screamo und Metal, wo halt alles nur verzerrt war die ganze Zeit. Bis ich dann mit 18 erst in die elektronische Musik eingestiegen bin. Und ich jetzt, 12,13 Jahre später, erst checke, dass man auch in elektronischer Musik gut verzerren und mit „kaputt machen“ arbeiten kann. Ist schon lustig, wie man die Musik immer wieder neu entdecket und sich das immer weiterentwickelt.