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Funky Punchlines & bisschen Weltschmerz // Kardinator Interview

Funky Punchlines & bisschen Weltschmerz // Kardinator Interview

Jeweils schon lange im Honigdachs-Dunstkreis aktiv, machen Kardinal Kaos (Rap) und Alligatorman (Beats) erstmals gemeinsame Sache. Am 19. März veröffentlichten sie mit „Rasenmäher“ ihr erstes Album als Kardinator. Handwerklich einwandfrei umgesetzt, bieten die 12 Tracks wie erwartet HipHop-Sound der klassischen Prägung. Schwere Beats mit funkigem Einschlag treffen auf viele unterhaltsame Mundartrap-Lines, aber umso weniger Verständnis für Marktlücken und den musikalischen Zeitgeist. Während sich Rap-Verweise quer durch die US-Landkarte – von Nas über Outkast zu Del Tha Funkee Homosapien – ziehen, bringt der Kardinator letztlich eine klare eigene Sound- und Style-Handschrift zur Geltung.

Um mit den beiden ausführlicher über die Entstehung von „Rasenmäher“, humorvolle Punchlines, Weltschmerz und freakige Sounds zu plaudern, finden wir uns frisch coronagetestet in Alligatormans Wiener Wohnung/Studio wieder.

Fotos: Niko Havranek

Kardinal, du hast mit „Da Goidene Beash“ seit deinem vorigen Album ein neues Aka, das du auch diesmal einbaust. Identifizierst du dich damit schon mehr als mit dem Kardinal Kaos?
Kardinal Kaos: Der Name hat sich eingebürgert. Das war mal eine Zeile, dann ist ein Album und ein weiteres Aka daraus geworden. Und heute sehe ich mich mehr als der Beash. Es flowt besser und geht besser über die Lippen. Aber Kardinal Kaos ist mein Name, es wird jedes Album so heißen. Sowas sucht man sich irgendwann aus und dann muss man damit leben.  

Inwieweit beschreibt dich das Kaos beim Texten? Sammelst du oft einzelne Lines und flickst sie dann zusammen?
Kardinal Kaos:
Ja, schon. Oft sammeln sich bei mir über Monate Lines an, irgendwann nehme ich mir einen Beat und rappe sie teilweise genau in der Reihenfolge ein. So ist zum Beispiel „Nahrung“ vom „Goidenen Beash“ entstanden. Das waren eigentlich nur gesammelte Lines.

Wie wichtig ist dir dabei das humoristische Element? Achtest du bewusst darauf oder ergibt sich das eher von selbst?
Kardinal Kaos:
Ich kann glaube ich gar nicht ganz ernst in meinen Texten sein. Ich habe schon ernste Themen, die mich beschäftigen und dann so rausmüssen, aber meine Punchlines müssen eher ins Witzige gehen. Oft auch ins Selbstironische, weil ich mich selber nie so ernst genommen habe. Ich war nie der Typ, der im Mittelpunkt steht oder sich zampanomäßig gibt.

Wenn wir beim Mittelpunkt und witzigen Lines sind: Auf „Bourgeoisie“ crasht du mit Fate den Wiener Opernball. Das wirkt schon bisschen durchgeplanter. Was war der Gedanke dahinter?
Kardinal Kaos:
Der Film „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ war die Vorlage, obwohl ich ihn nie fertig geschaut habe. Fate ist mit einem Part gekommen, ich habe mich dazugehaut. Die Nummer ist die Älteste vom Album, die haben wir kurz nach „Da Goidene Beash“ aufgenommen – damals noch auf einem anderen Beat. Fate ist voll arg mit den Vogelmetaphern gekommen, ich hab mich aufs Dekadente beschränkt.
Alligatorman: Der Track hat eine witzige Entwicklung genommen, schon viele Gesichter gehabt. Der ist nicht einfach so passiert.

Was war die größte Challenge? Den Beat im Nachhinein dazubauen?
Alligatorman:
Ja, voll. Es ist auf ein irrsinnig rawes Ding aufgenommen worden, klingt aber nicht mehr so. Das ist eigentlich eine Art, auf die ich nicht mehr arbeiten will. Bei dem Ding war es trotzdem voll interessant.
Kardinal Kaos: Es war keine Option, das Original so zu lassen. Es ist ja ein Featurealbum, Ali macht alle Beats, ich alle Raps und fertig. Ich mache ja auch Beats und hätte für die Nummer einen gehabt, aber das war keine Diskussion. Für mich war es geil, dass mal nichts von mir produziert ist. Beim Beash und den Mostheadz habe ich immer den Großteil der Beats gemacht.

War es anfangs nicht schwer für dich, die Produktion komplett abzugeben?
Kardinator:
Na, gar nicht. Ich habe damals einige Parts fertig gehabt und begonnen, wieder auf eigenen Beats aufzunehmen. Aber ich habe bemerkt, dass mich die Motivation schnell verlässt. Mir ist eingefallen, dass wir 2018 nach einem Gig lose geredet haben. Ich habe ihm das mit dem Album vorgeschlagen. Im Dezember 2019 hat das Ganze angefangen, er hat mir 40 Beats geschickt. Die erste Hälfte der Tracks war schnell fertig, ich glaube nach zwei Mal treffen.
Alligatorman: Wir haben überhaupt kaum Sessions gehabt. Er ist dafür ja immer nach Wien gekommen. Aber Corona war der Hauptgrund dafür, dass wir es runterbiegen mussten.

„Warum machst du nicht bissl mehr Richtung Volksmusik?“

Alligatorman, wenn du die Beats mit denen für DRK & FOZ vergleichst, wo siehst du die größten Unterschiede?
Alligatorman:
In erster Linie sind die Personen anders – dadurch auch ihre Picks und Ansätze. Als Produzent muss man sowieso das machen, was einen zaht. Ich habe ihm vergleichsweise viel gezeigt, wir wollten immer freakiger werden.
Kardinal Kaos: Ich weiß gar nicht, ob wir am Ende so freakig geworden sind.
Alligatorman: Es geht ja darum, dass wir das machen was wir können und wollen. Das wollte ich noch mehr rauskehren.

Inwieweit hat die Pandemie dazu beigetragen, dass in Kardinals Lines mehr Weltschmerz und gesellschaftliche Wut als früher durchkommt?
Kardinal Kaos:
Ich weiß nicht. Es gibt eigentlich eh nur die Nummer „The world is Oasch.

Naja, zählen „Erfolg“, „ICE Humanoid“ oder auch „Sternzeit 17“ für dich nicht dazu?
Kardinal Kaos:
Jetzt wo du es sagst – mir wäre es gar nicht so aufgefallen. Vielleicht unterbewusst.

Wie hat sich generell dein Anspruch als Rapper vom ersten Monobrother-Feature über die Mostheadz-Alben und den „Goidenen Beash“ zum „Rasenmäher“ entwickelt?
Kardinal Kaos:
Ich glaube eher die Themen als der Anspruch. Der „Goidene Beash“ hat ziemlich lange gedauert, ich habe über fünf, sechs Jahre Tracks gesammelt. Aber da geht’s ja nicht um viel, es ist punchlinelastiger. Sicher, das Intro ist ein Fronter-Track, aber ich finde es hat jetzt generell mehr Inhalt. Mein Rap-Style ist aber grundsätzlich schon noch der Gleiche.
Alligatorman: Ich finde auch, dass du mehr von dir durchblitzen lässt.
Kardinal Kaos: Find ich gar nicht so. Es kommen immer wieder Sachen vor, die Leute zu mir gesagt haben. Sogar das ‚Warum machst du nicht bissl mehr Richtung Volksmusik?‘ hat mal wer zu mir gesagt – in der Familie (lacht). Weil es auch Musik ist, du damit aber wirklich Geld verdienen kannst.

Wie oft ist sowas vorgekommen und wie hast du reagiert?
Kardinal Kaos:
Direkt nur ein, zwei Mal in der Verwandtschaft. Aber es sind immer wieder Leute zu mir gekommen und haben gesagt: ‚Du musst a bissl mehr davon machen, dann kommst du ganz anders umma!‘ Ich hab mir halt immer gedacht: ‚Scheiß drauf, interessiert mich nicht!‘

Ihr seid beide seit gut zehn Jahren aktiv – wie oft habt ihr euch schon die Sinnfrage als Musiker gestellt?
Kardinal Kaos: Früher irgendwie öfter. Da hat es ganz wenig Resonanz gegeben. Es war echt nur für eine Hand voll Leute. Ich hab damals ja genauso energisch Tracks gemacht. Jetzt verwende ich vielleicht nicht mehr so viel Zeit dafür wie früher, aber es macht mehr Sinn, weil ich sehe, wie es mich aus dem Alltag rausholt. Ich hackl ja, hab Familie und gerade da ist es umso wichtiger und leiwander, dass ich daneben Mucke machen kann. Für viele Leute macht es keinen Sinn, die sehen es von außen als Zeitverschwendung. Aber naja, was machen die mit ihrer Zeit?

„Rap war immer funky Punchlines und über verschiedenen Scheiß schreiben“

Inwieweit spiegeln Arbeitsverhältnisse wie aus dem „The world is Oasch“-Video euer Leben wider?
Kardinal Kaos:
Das ist mein Leben, genauso eigentlich – ich arbeite als Schlosser. Wir haben das Video auch dort gedreht. Bei meinem Großcousin, darum war es schon ziemlich cool für mich.
Alligatorman: Ich frag mich, wenn einer seiner Lehrlinge das Video sieht und dann hingeht (lacht).

Es ist einerseits das Setting, aber auch die Frage, wie realitätsnahe die Lines sind. Wie viel davon hast du erlebt?
Alligatorman:
Ich hab oag gefunden, dass die meisten Sachen, von denen Kardinal da rappt, schon mal so passiert sind.
Kardinal Kaos: Oder soweit ich es mitkriegt habe. Ich hab schon verschiedenste Arbeiten in dem Bereich gemacht. Fließbandarbeit halt, wo alle möglichen Leute stehen. Da geht’s ja wirklich so ab. Du machst paar Handgriffe, den ganzen Tag den gleichen Scheiß. Da war mal diese plärrade kleine Friesurin. Der haben die Finger so wehgetan, dass sie zum Schluss wirklich nur mehr geplärrt hat. In der gleichen Firma, einem großen Motorenwerk, ist mal wer bei der Arbeit umgekippt. Es kommt ein Springer, der sofort die Arbeit weitermacht.

War es früher nie Thema, das in deinen Texten zu verarbeiten?
Kardinal Koas:
Früher habe ich das nicht so verbunden, weil Arbeit für mich nie was mit Rap zu tun gehabt hat. Rap war für mich immer funky Punchlines und über verschiedenen Scheiß schreiben. Aber „The world Is Oasch“ ist auch bisschen anders gerappt.

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(c) Philip Pesic

Im Kontrast dazu „Sternzeit 17“, wo du dich quasi von der Welt schießt. Braucht es solche Texte als Ausflucht vorm Alltag?
Kardinal Kaos:
Keine Ahnung. Mir taugen diese Geschichten, die weit weg von der Realität sind. Aber es war am Anfang nicht unbedingt so geplant, dass ich von der Welt entfliehen will. Eher dass ich zum Mond fliege und was drüber schreibe. Der Part war schon da, dann hat mir Ali noch den Beat mit dem Outerspace-Vibe gezeigt.
Alligatorman: Ich glaube es kommt eher von der Platzierung, dass der Track bissl deep einfährt.
Kardinal Kaos: Voll. Davor ist „ICE Humanoid“, wo es um Weltschmerz geht. Danach kommt der „6 Million Dollar Beash“ mit funky Bars.
Alligatorman: Ich habe mir das auch schon gedacht. Woanders wäre das irgendein komischer funky Track geworden. Ich würde ihn gerne mal auf der Autobahn hören, da wirkt er glaube ich nochmal ganz anders.

Die A1 verbindet euch. Kardinal, du bist vor einigen Jahren vom Mostviertel nach Linz gezogen, Alligatorman, du bist in Linz aufgewachsen und nach Wien gegangen. Wie steht es um eure Bezugspunkte zur Linzer HipHop-Szene?
Kardinal Kaos: Linz ist früher natürlich voll das prägende Ding gewesen. Wir sind oft hingefahren und haben in der Kapu die coolsten Jams gesehen. Wir haben da viel über HipHop gelernt. Linz war da schon immer ganz groß.
Alligatorman: Ja, absolut.

Aber großartig connected hast du dort nach dem Umzug nicht, oder?
Kardinal Kaos:
Ich habe schon das gemacht, was ich mache. Aber ich habe nicht den Drang gehabt, oag zu connecten. Ich mache auch gerne alleine Mucke und bin nicht der Typ, der sagt, dass er mit dem oder dem ein Feature machen will. Es sind ja meistens die gleichen Leute und Spezln. Ich finde man muss die Leute gut kennen, es muss bisschen was da sein. Ich war nie der Typ, der andere Leute um Beats gefragt hat, weil ich es cool genug gefunden habe, mir selber einen Beat zu basteln. Deswegen hat sich vielleicht bei mir nie großartig was entwickelt in Linz. Aber es stört mich nicht.

„Es zu emotional machen, ist gar nicht mein Style“

Du hast vor wenigen Wochen dein zweites Kind bekommen. Kannst du schon abschätzen, wie dich das als Rapper beeinflussen wird?
Kardinal Kaos:
Es wird mich sicher beeinflussen, aber ich weiß noch nicht wie sehr und was für Texte dann kommen werden. Battletracks, wo du deine dreijährige dazu bringst, ihre Zähne zu putzen. Sowas schwebt mir grad durch. Der Rap wird sicher nicht aufhören, aber die Themen werden sich verändern.
Alligatorman: Man merkt es eh schon im Vokabular. Mit Rappern die ins Topferl scheißen und so, da waren schon paar Lines dabei.
Kardinal Kaos: Auf dem Album? Echt jetzt? (lacht)
Alligatorman: Ja, voll. Aber eh geil verwendet. Man kann es ja funky einfließen lassen. Es muss nicht alles so viel Pathos haben.
Kardinal Kaos: Man kann es natürlich auch zu emotional machen, aber das ist gar nicht mein Style.

Gibt es Vorbilder auf der Rap-mit-Kind-Ebene? Ein R.A. The Rugged Man geht das zum Beispiel sehr locker an.
Kardinal Kaos:
Würde ich nicht sagen. Rugged Man ist generell nicht wirklich einer meiner Vorbilder. Ich habe schon cool gefunden, wie er sein Album releast hat. Da war ein Stream wo er mit seinen Kindern auf der Bühne war. Das stelle ich mir witzig vor und das würde mir auch taugen. Generell mal die Kinder auf die Bühne mitnehmen und daneben rappen. 
Alligatorman: Auf „Feiyah“ haben wir eh Baby-Backups dabei.
Kardinal Kaos: Es ist bisschen versteckt, am Anfang als Adlibs. Ich könnte mir vorstellen, dass das in Zukunft mehr wird, wenn sie älter werden und du ihnen besser Worte in den Mund legen kannst.

Alligatorman, du hattest vor einigen Jahren ein Produzentenalbum via Tonträger Records geplant. Warum ist daraus nie was geworden?
Alligatorman:
Ich habe dann nie richtig die Motivation gehabt. Das Produzentending ist ein ganz eigenes Game. Da muss man wieder ganz anders drauf sein. Jetzt habe ich voll Bock drauf. Damals habe ich mir gedacht, ich sammle mir was zusammen und dann hau ich’s raus. Aber das ist nie passiert, weil es immer viel Rap-Zeug gegeben hat – zuerst die Sachen mit Selbstlaut, dann bald einmal die mit DRK & FOZ. Drei, vier Tracks hat es schon gegeben, aber die sind eh woanders untergekommen. Ich war glaube ich zu sehr Rapfan und mir hat die Beatmaker-Szene damals ned so einezaht.

Ist jetzt ein größeres Instrumentalrelease ein Thema?
Alligatorman:
Definitiv.

Du hast mittlerweile einen YouTube-Kanal, im Februar einen Beat hochgeladen und regelmäßige Uploads angekündigt…
Alligatorman:
Ein Beat, ein Abonnent – Killashit (lacht). Na, es ist schön, bissl ungefilterten Output zu haben, wo man einfach raushaut und kein anderer mitredet. Das wirkt wie ein gutes Ventil. Ich kann immer zwischendurch was raushauen, wenn ich Lust habe. Es ist mindestens einmal im Monat was geplant, jetzt halt wegen dem Release nicht. Vielleicht kriege ich irgendwann mal zwei oder drei Abonnenten, das wär schon der Shit.
Kardinal Kaos: Flieg nicht zu hoch, kleiner Ikarus!

Kardinal, wie planst du deine nächsten Schritte?
Kardinal Kaos:
Noch nichts Konkretes, aber ich werde sicher wieder was machen. Daheim hab ich grad nichts außer meiner MPC stehen, weil sonst kein Platz für irgendwas ist. Mein Plattenspieler und meine Platten sind beim Zeilomat, Computer steht a irgendwo. Ich habe gerade nicht wirklich die Möglichkeit, dass ich was starte und auch nicht so den Bock. Aber so wie das jetzt gelaufen ist, ist es super für mich. Rap schreiben geht immer nebenbei, du brauchst nur Zeit und Papier oder ein Handy. Wenn dann wird eher wieder so etwas passieren.