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Zynischer Wiener Alltagspoet // Monobrother Interview

Zynischer Wiener Alltagspoet // Monobrother Interview

Monobrother

Am 12. April hat Monobrother sein neues Album „Solodarität“ veröffentlicht. Mit zynisch-humoristisch verpackten Alltagsbeobachtungen beschreibt der in der Honigdachs-Partie verwurzelte Wiener Rapper gesellschaftliche Abgründe, die ein teils hohes Absurditätslevel zur Schau stellen. Bei der Verbildlichung dringt ein hoher Wien- beziehungsweise Österreich-Bezug durch.

Anlässlich des Releases haben wir Monobrother im legendären Innenstadt-Tschocherl Café Gutruf getroffen – vor einigen Jahrzehnten das zweite Wohnzimmer von Helmut Qualtinger und vielen anderen Wiener Künstlern wie Originalen. Im Mini-Lokal in der Milchgasse haben wir mit Mono über seinen verkopften Schreibprozess, die postmoderne Solodaritätskultur, nihilistische Phasen sowie Idole und Einflüsse geplaudert, die neben hiesigen Schriftsteller- und Musikerkreisen auch Punk-Gefilde erschließen. Um dem obligaten Qualm-Exzess mit der nötigen Frischluft entgegenzuwirken, haben wir den nächtlichen Charme der umliegenden Straßenzüge anschließend für eine Fotosession genutzt.

Im Interview hinterlässt Monobrother einen sehr reflektierten Eindruck. Obwohl er etwa seine für die Rap-Sphäre unkonventionelle Herangehensweise erörtert und einige scharfe Bermerkungen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene trifft, meint er abschließend, den Eindruck zu haben, kaum etwas wirklich Interessantes gesagt zu haben. Ein weiteres Indiz für die hohen Ansprüche, die er an sich und sein Schaffen stellt.

Monobrother
Fotos: Daniel Shaked

The Message: Dein neues Album hatte eine lange Vorlaufzeit, du wurdest in den vergangenen Jahren oft gefragt, wann es endlich rauskommt. Hat das den Anspruch ans eigene Schaffen weiter erhöht?
Monobrother: Auf jeden Fall. Ich mache oft eine Gegenüberstellung der drei Alben und es war schon ein harter Kampf, einen neuen Sound zu kreieren. Von „Haschgiftspritzer“ auf „Unguru“ war ein ziemlicher Sprung, jetzt wieder. Das Problem ist, dass alles nur subjektiv wertbar ist. Erwartungshaltungen sind bei jedem anders und du kannst nicht immer alles erfüllen. Im Sinne einer Selbstunterhaltung bin ich sehr zufrieden mit dem Album.

Ist die Selbstunterhaltung dein größter Antrieb?
Ich glaube schon (lacht). Ich habe natürlich das Glück, nicht abliefern zu müssen. Bei Honigdachs ist es ist ein wechselseitiger Ansporn, aber du bist nie in einer Drucksituation, die muss man sich schon selbst machen. Ich habe es lange schleifen lassen, weil ich kein „Unguru 2“ machen wollte. Eine Zeit lang war ich aber komplett in diese Richtung unterwegs und habe viele Wiederholungen gesehen. Ich habe wahnsinnig viel verworfen, irgendwann komplett zum Schreiben aufgehört, privat ein paar Sachen auf die Reihe gekriegt, einen Dokumentarfilm gestaltet und Dinge außerhalb der Rap-Sphäre gemacht. Aufgrund des Nichtwollens von „Unguru 2“ hatte ich eine Art Schreibsperre, da mich die Kalauer, die ich bis zu einem gewissen Zeitpunkt gesammelt habe, nicht amüsiert haben. 2016 hat mich P.tah zum „Rap Against“-Festival eingeladen. Ich habe bei der Zusage ewig herumüberlegt – das Album war schon drei Jahre draußen, du kannst die Sachen schon nicht mehr hören. Ich habe dann zwei Nummern gespielt, die für „Solodarität“ geplant waren. Die Reaktionen darauf waren ein Antrieb, Nägel mit Köpfen zu machen und zu probieren, wieder in einen Schreibrhythmus zu kommen.

Deine Texte sind von scharfzüngigen Wiener Alltagsbeobachtungen geprägt. Wie gestaltet sich der Schreibprozess?
Das ist schwierig zu rekonstruieren. Ich habe mich seit Ewigkeiten nicht mehr hingesetzt und einen 16er geschrieben. Das würde mir aber vielleicht guttun. Einfach als Form der Katharsis, dass ich etwas rausspucke und einrappe. Ich schreibe sehr zögerlich, mache oft eine ungewollte, aufgebauschte Wissenschaft aus allem, obwohl ich gemerkt habe, dass es bei mir mit Deadlines viel schneller und einfacher vorangeht. Anfang 2018 waren vielleicht drei Nummern fertig. Ich habe mir dann das Ziel gesetzt, das Album im September rauszuhauen. Ich sammle viele Skizzen, Wortfetzen und halblustige Kalauer. Irgendwann bekommt eine Miniskizze mit vier oder sechs Zeilen eine Überschrift und du weißt ungefähr, wo die Reise hingeht. Die ersten Nummern waren „Schu Schu Kolibri“, „Bombileben“ und „Solodarität“. Das hat mir gezeigt, dass es mir scheinbar darum geht, eine etwas selbstvergessene, städtische Feel-Good-Gesellschaft anzustupsen, Leute, die sich gerne als die „gute, politische Mitte“ und gleichzeitig als zivilisatorischen Höhepunkt der Menschheitsgeschichte begreifen. Das hat den Rahmen fürs Album vorgegeben. Beim vorigen Album bin ich wohl noch ein bisschen reimverspielter gewesen. Das war mir jetzt oft zu blöd. Ich wollte möglichst viele Bilder erzeugen und glaube, dass mir das im Vergleich zu den vorigen Alben am besten gelungen ist. Es ist mein bisher bildreichstes Album.

Wie entstehen deine Wortschöpfungen?
Auch das ist schwierig zu rekonstruieren. In halbwachen Momenten kommen mir viele Wortschöpfungen unter. Manchmal schießen mir Dinge ein, manchmal sitze ich ewig daran herum. Nach „Unguru“ habe ich lange versucht, Wortspielereien zu erzwingen, aber irgendwie hat mir diese Fettn gefehlt. Ich bin alte Reimbücher durchgegangen und habe geschaut, ob es etwas Schönes zum Rausholen gibt. Aber es geht immer in die Hose, wenn du Sachen, die du vor fünf Jahren schon verworfen hast, ausgräbst. Über die Zeit habe ich viele Textskizzen gesammelt und versucht, möglichst daran weiterzuschreiben. Es ist für mich manchmal ein Mordsdrum-Aufwand zu schreiben, aber es hält dann länger.

Monobrother

Bei „Unguru“ gab es viele vom Studentenleben geprägte Bilder, subkulturelle Bezugspunkte und Fußball-Lines, bei „Solodarität“ dringt die Alltagskultur stärker durch. Eine bewusste Entwicklung?
Stimmt, das habe ich mir noch nicht in der Form vor Augen gehalten. Ich sehe drei Sprünge: „Haschgiftspritzer“ als verhiadeltes Album, das ich größtenteils noch in Wieselburg geschrieben habe. Dann bin ich vom ländlichen Idyll zurück nach Wien, es haben sich natürlich viele Sachen geändert und ich habe mir gedacht: ‚Oh Gott, wie soll sich das Bubi in dieser postmodernen neuen Welt zurechtfinden?‘ „Solodarität“ kennzeichnet ein neues gesellschaftliches Absurditätslevel, das sich in gewissen Alltagssituationen einfach gut widerspiegelt.

Inwieweit fließen Absurditäten, die einen Spiegel vorhalten, in deine Texte ein?
Es ist wie ein Puzzle, das sich irgendwann zusammenfügt und es ist eine Motivationsfrage. Ich habe oft meine Hänger, meine Phasen, in denen mich musikmäßig nichts freut. Aber wenn wieder was kommt, verspüre ich eine unheimliche Euphorie und rufe mir in Erinnerung, dass die Musik das Einzige ist, das mich so richtig erfüllt. Arbeitsmarkt und andere Mühseligkeiten sind eine große Inspiration für die Musik, aber wohlfühlen werde ich mich in einem 9-to-5-Job in diesem Leben nicht mehr. Ich arbeite gerade sehr stark projektbezogen, wo ich nebenbei zu gar nichts komme, aber das ist für mich eben Mittel zum Zweck, um mir Zeit zu kaufen.

„Ich bin irgendwo selbst Teil der Solodaritätskultur“

Neben bissigen Fremdbeobachtungen streust du auch immer wieder Selbstreferenzen ein. Du bist ja selbst ein Teil der Szenerie.
Absolut. Es war mir immer wichtig, auch selbstreflexiv damit umzugehen. Deswegen laufe ich am Cover mit dieser ausgebrannten Menge mit und kratze mir den Kopf. Es wäre eitel zu behaupten, selbst so erhaben zu sein, sich alles von außen anschauen und in alle Richtungen kritisieren zu können. Ich will mich nicht ausnehmen, lasse bewusst selbstreferenzielle Zeilen durchsickern – wie „I ras jo a nur meiner Traurigkeit davon“. Ich bin natürlich irgendwo auch selbst Teil der Solodaritätskultur, die derzeit vorherrscht. Solange alles einigermaßen befriedet wird, ist es für mich eben schwieriger, mich aktiv an politischen Prozessen zu beteiligen. Es ist zum Teil Überfordertheit, zum Teil Bequemlichkeit.

Glaubst du, dass deine Texte ähnlich ausfallen würden, wenn du in einer anderen Stadt oder in einem anderen Land leben würdest?
Ehrlich gesagt schon. Mein Rapkonsum ist ja in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Ich habe viel Punk und Post-Punk gehört, da finde ich gewisse Schreib- und Performancemuster spannender. Ich stehe zum Beispiel sehr auf Sleaford Mods, ein Duo aus Nottingham, die sind vom Rant-Level her extrem unterhaltsam. Das ist sehr aggressiver Sound mit viel schwarzem Humor, Insel-Style halt. Da ist Wien mit seiner grundmelancholischen Stimmung natürlich ein bisschen was anderes. Aber generell glaube ich, dass es in vielen größeren Städten in Mitteleuropa ähnliche gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungsmuster gibt, deswegen würde ich meinen Sound jetzt nur teilweise als etwas Wien- oder Österreichtypisches sehen. Das erledigt dann eher der Dialekt.

Dringen Zynismus und Misanthropie deiner Einschätzung nach auf „Solodarität“ am bisher stärksten durch?
Zynisch ist es natürlich sehr, wobei ich Zynismus nicht zwingend als etwas Negatives betrachte. Misanthropisch finde ich es nicht unbedingt. Auszugsweise vielleicht. Ich würde sagen, dass ich mich in manchen Situationen merklich unwohl und verloren fühle, aber diese Misanthropie habe ich sehr zurückgeschraubt. In den vergangenen Jahren bin ich viel offener im Umgang mit Leuten geworden, das hat sich für mich in eine positivere Richtung entwickelt. Je mehr Interaktion, desto mehr Geschichten.

Monobrother

„Dieser Hintenrum-Schmäh hat mir immer getaugt“

Die Texte und Bilder funktionieren auch ohne Musik. Bisschen als würde man alte Sowinetz-Sachen nehmen und in die heutige Zeit übertragen.
Das schmeichelt mir natürlich, obwohl er seine Sachen gar nicht selber geschrieben hat. Das habe ich erst später erfahren und war im ersten Moment ziemlich enttäuscht. Aber er hat natürlich einige unglaublich gute Nummern. „Am 1. Mai“ ist absolut genial, wie er diesen Inszenierungs-Pomp der Wiener Sozialdemokratie und dieses „Ich muss da mitmachen, obwohl ich nicht will“ der Genossen auf die Schaufel nimmt. Dieser Hintenrum-Schmäh hat mir immer getaugt.

Diese Alltagsbeobachtungen sind sehr österreichisch-kabarettistisch. Liest du auch viel in diese Richtung?
Teilweise schon, ja. Ich kippe immer mal wieder auf HC Artmann rein, manchmal auch Karl Kraus und mittlerweile mag ich endlich auch die Musik von Ludwig Hirsch. Das war mir früher immer viel zu schwarz, ich bin erst in den vergangenen Jahren so richtig damit aufgetaut. Ich mag das alles schon sehr. Schön charmant und elegant unter der Gürtellinie halt (lacht). Sigi Maron ist auch so ein Kandidat, leider ist er schon gestorben. Gerade in den vergangenen Jahren war er eine große Inspiration für mich. Er hat einen starken politischen Anstrich drin. In Zeiten einer autoritären Zuspitzung tut es mir einfach gut, ihn zu hören. Wie die oben Erwähnten hat er diese Kunst beherrscht, Dinge schonungslos und bitterböse zu benennen, ohne dabei auf die Lacher zu vergessen.

Siehst du dich auch in dieser Tradition?
Das müssen andere Leute beurteilen. Ich bin kein Connaisseur, der alle Platten und jedes Programm auswendig kann. Aber wenn ich darauf stoße, bleibe ich oft einen Nachmittag hängen. Es ist eine Animation. Du lässt dich ja nur von Sachen inspirieren, die dir irgendwo zusagen. Auf humoristischer Ebene kann man schwer leugnen, dass es in eine ähnliche Kerbe schlägt. Aber ich denke, dass es nicht nur ein österreichisches Ding ist, sondern mittlerweile auch von vielen anderen Künstlern auf mich übertragen wird. Vielleicht erweckt es wegen der Mundart den Anschein, als würden sich manche Dinge nur in Wien so zutragen können, aber es sind auch andere Einflüsse dabei.

In Sachen Deutschrap habe ich vernommen, dass du Zugezogen Maskulin, Prezident oder auch Hiob sehr schätzt.
Von ZM habe ich das jüngste Album sehr abgefeiert, es ist ja auch mega bissig. Speziell Grim104 trifft einfach meinen Humor. Bei Prezident habe ich „Limbus“ rauf- und runtergehört. Alles danach habe ich nicht mehr so intensiv verfolgt. Vom neuen Album habe ich aber „Absurd“ gut in Erinnerung, auch weil ich teilweise Phasen habe, in denen alles völlig absurd wirkt und du das Gefühl hast, nichts anderes machen zu können, als dich in gelähmt in Nihilismus zu wälzen. Wenn du immer irgendwie kämpferisch und eh toll engagiert bist oder zumindest wirkst, aber oft anstehst und dir denkst, dass alles nichts bringt und eh keinen Sinn macht. „Abgesänge“ von Hiob war auch stark. Und natürlich Altbekanntes wie Retrogott oder Audio88 & Yassin.

Hörst du generell eher deutschsprachige Musik?
Nicht nur, aber immer mehr. Vor ein paar Jahren habe ich viel High Focus gehört, aber die englischen Sachen sind mir ziemlich abhandengekommen. Vielleicht, weil es teilweise zu viel Konzentration frisst, mir englische Rap-Texte anzuhören – so plump das klingen mag. Es gibt mittlerweile eine riesige Bandbreite im deutschsprachigen Raum. Dass dich so viele andere Künstler abholen, das hat es vor 20 Jahren vielleicht nicht so gegeben. Wenn es Richtung England geht, stehe ich voll auf diesen Oi-Sound, aber halt auch auf Sleaford Mods und Idles. Sachen, die sehr ins Punkig-Grantige gehen. Aus Deutschland finde ich Pisse leiwand, hat mir mein Bruder gezeigt. Die sind aus Hoyerswerda im tiefsten Neonazi-Kernland. Dieser Rauheit und diesem humoristischen Hass kann ich schon viel abgewinnen.

Zieht dich so etwas aus nihilistischen, destruktiven Phasen heraus?
Mitunter wahrscheinlich. Aber das liegt wohl weniger an der Musik, als daran, wie es mir persönlich gerade geht.

Monobrother

Ganz anderes Thema: Fluch und Segen Social Media. Es ist ja eine Blase, in der sich viele als erfolgreich, cool und glücklich inszenieren. Wie transportiert man da so einen Nihilismus?
Ich weiß nicht, ob man Social Media als Ganzes als Blase betrachten soll und ob diese Grenze zwischen Social Media und dem sogenannten „Real Life“ nicht eh längst verschwommen ist. Dass du dein echtes Leben auch virtuell auslebst. Manche Leute halt unter einem anderen Namen, wenn sie einen Tobsuchtsanfall kriegen. Du verbringst ja reale Lebenszeit im Internet. Ich für meinen Teil kann gut und gerne auch ohne Social Media in Depression versinken.

„Facebook ist nur noch ein Meinungsschrotthaufen“

Du wirkst nicht gerade wie ein Social-Media-affiner Typ, mittlerweile bist du auf Instagram aber ziemlich aktiv.
Sicher auch promobedingt. Ich will ja, dass die Platte eine gewisse Aufmerksamkeit bekommt. Insta fällt mir wahrscheinlich wegen der Bildzentriertheit einfacher. Facebook ist für mich nur noch ein Meinungsschrotthaufen, ein Schützengraben, wo die Leute scharf rausballern und sich dann wieder zurückziehen. Und alle versuchen, sich zu profilieren und als noch größeres Opfer einer noch wahrhaftigeren Wahrheit dazustellen. Dieser unbedingte Drang, unter jeden Scheiß seinen Senf dazuzugeben, ist für mich ein absoluter Graus. Eine Unkultur.

Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums von „Versager ohne Zukunft“ haben wir per Story gefragt, ob es das beste österreichische Rap-Album aller Zeiten ist. Du hast als einer von wenigen mit Nein gestimmt. Welches steht für dich ganz oben?
Echt? (lacht). Ah, „Andagraund“ von Tibor Foco. Kamp ist dann gleich auf Platz zwei.

Du hast mal Markante Handlungen und Kamp als deine größten österreichischen Rap-Einflüsse genannt. Hat es bei dir mit ihnen angefangen oder schon davor?
Ziemlich mit ihnen. Also ab Rückgrat und bei Kamp ab „d.K.d.t.B.“. Auch durch meine damalige Wohnsituation, dass ich im Mostviertel gelebt habe, als ich mit Rap in Berührung gekommen bin. Das liegt ja ziemlich genau zwischen Wien und Linz, vielleicht näher bei Linz. Als geborener und aufgewachsener Wiener habe ich aber immer auch das melancholische Kamp-Ding geliebt.

War „Versager ohne Zukunft“ für dich ein Instant Classic?
Nach dem zweiten oder dritten Durchlauf auf jeden Fall. Aber ich bin ohnehin skeptisch, wenn mir ein Album schon nach dem ersten Mal Durchhören gefällt. Kamp hat ja auch eine sehr bildreiche Sprache, mit der er seine realsatirischen, absurden Storys erzählt – bei „d.K.d.t.B“ habe ich mir noch oft am Kopf gekratzt. „VOZ“ war viel weniger abstrakt. Deshalb für mich die beste Kamp-Platte, weil ich das Abstraktere als Jugendlicher nicht so gut verstand. Sonst waren Markante Handlungen und die „K.O. Drops“-EP von Kayo bahnbrechend für uns.

Hast du die weiteren Sachen von Jack Untawega und Sodom & Gomorrah gefeiert?
Auf jeden Fall. Sodom & Gomorrah – den Gig habe ich bis heute als einen der intensivsten überhaupt in Erinnerung. Da sind wir mit unseren 19, 20 Jahren ins gesteckt volle Warehouse St. Pölten owekrocht, S&G hatten einen ziemlichen Hype. Wenn man bedenkt, wie sie vor zehn Jahren schon vorweggenommen haben, was jetzt in Deutschland Mainstream ist, ist es umso ärger. Wobei mir die „In Gods Naum“ weniger gefallen hat als das Mixtape davor – „Wo Kumama Denn Da Hi“. Das habe ich damals direkt über Myspace bestellt und Jack hat es mir auf CD geschickt. Da war „Oda so?“ oben, für mich bis heute nach wie vor eine der allerärgsten österreichischen Rap-Nummern.

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Auch vom Mundart-Aspekt her?
Auf jeden Fall. Vor allem diese Scheiß-drauf-Attitüde war damals was völlig Neues für mich – mach was du willst und mach es in der Sprache, die du im Alltag benützt. Das hat ja ganze Generationen geprägt, bis heute.

Zurück zu den ersten Einflüssen: Mit Texta, Total Chaos und Konsorten hast du nicht so viel anfangen können?
Das war ein bisschen zu früh für mich. Texta habe ich immer mitbekommen. „Text vs. Autor vs. Hörer“ zum Beispiel, ich glaube „Blickwinkel“ war das Album. Das habe ich schon gehört, aber es war mir zu wenig spektakulär. Man ist halt 16, 17, 18, kommt frisch aus der Westberlin-Maskulin-Phase und will, dass sich die Action in Österreich fortsetzt. Das hat für mich dann eher die zweite Linzer Rap-Generation erfüllt.

„Mein Zugang zu Texten und Menschen ist eigentümlich“

Siehst du dich in einer ähnlichen Position wie damals Texta? Dass 18-Jährige wenig damit anfangen und es vielleicht gar nicht richtig auffassen können?
Das kann gut sein. Ich weiß nicht, ob Verständnis so eng ans Alter geknüpft ist, das ist auch wieder sehr subjektiv. Es ist schon ein relativ erwachsenes Album und beschreibt die Welt aus der Sicht eines Anfang-Dreißigjährigen. Die zynische Schwarzmalerei wirkt vielleicht manchmal ein bisschen aus der Zeit gefallen – gerade in einer Kultur, wo auf Social Media und speziell auf Mainstream-Rap-Ebene permanent nur Erfolg, Erfüllung und Glückseligkeit zur Schau gestellt werden und alles unter Wolke sieben als Schwäche gekennzeichnet wird. Ich habe wahrscheinlich einen recht eigentümlichen Zugang zu Texten, vielleicht auch generell zu Menschen. Und ich mache Dialekt-Rap, der nicht für alle verständlich ist. Das zieht den Kreis an Leuten, die ich ansprechen könnte, schon sehr eng zusammen.

Von allen österreichischen Rappern hast du vermutlich eine der kleinsten Zielgruppen.
Ja – wohl einiges falsch gemacht im Leben. Oder richtig (lacht). Ich nehme diesen Release natürlich schon ernst und will, dass die Platte Aufmerksamkeit bekommt. Dass es eine leiwande Scheibe ist, die gerne gehört wird. Natürlich freut es mich, wenn sie viele Leute in die Finger kriegen.

Monobrother

Von außen wirken Künstler oft größer und erfolgreicher, als sie tatsächlich sind, viele können das nicht in Proportion setzen. Siehst du das als österreichisches Phänomen?
Nicht spezifisch. Aber man hat natürlich als außenstehender Rap-Konsument seine eigene Gedankenwelt. Manche Leute glauben, weil man auf FM4 gespielt wird oder mal eine Hütte vollspielt, kann man von seiner Musik leben. Und dann keimt hier manchmal sehr schnell eine landestypische Missgunst auf, womit wir wieder bei Social Media wären.

„Diese Pseudo-Regierungsharmonie ist sowieso ein Wahnsinn“

Inwieweit ist es für dich eine Katharsis, das aus dir rauszuschreiben?
Auf eine gewisse Art sicher. Ich bin ein Freund der Konfliktkultur und mag harte Debatten. Aber ich mag sie nur führen, wenn ich den Menschen in die Augen schauen kann und sie für mich irgendwie greifbar sind. Von mir aus in einem institutionalisierten Rahmen, in dem man über Sachen debattiert. Nur diese Hate-Culture und Shitstorm-Scheiße mag ich nicht, das ist ein einziger Facepalm und uninteressant. Das wird immer so aufgeblasen. Irgendwer schreibt etwas und du glaubst, dass eine riesige, unüberschaubare Menschenmasse hinter dieser Meinung steht und sich die ganze Welt auf dich einschießt. In Österreich ist diese Ambivalenz ja noch mal größer. Einerseits hast du dieses konfliktscheue Cholerikertum, andererseits diese Schunkel-Harmoniekultur. Diese neue Pseudo-Regierungsharmonie ist sowieso ein Wahnsinn. Irgendwer hat mal überspitzt gesagt: ‚Die Harmonie dieser Regierung ist der neue Faschismus.‘ Aber es ist ja wirklich so. Bevor sich in diesem Land irgendjemand zu streiten wagt, stirbt er an tausend Krankheiten – oder schluckt es solange runter. Ich kann diesen „Endlich wird gearbeitet“-Scheiß nicht mehr hören.

Gehst du noch viel auf Demos?
Ich finde die Donnerstagsdemos super. Sie sind eine gute Vernetzungsplattform für eine sehr zerstreute Linke. Ich finde die Themenschwerpunkte und den generellen Rahmen gut, es bietet sich immer an, sich nach der Demo in Beisln zusammenzusetzen und Leute kennenzulernen. Von dem her finde ich es eine coole Initiative. Das gab es in den Jahren davor nicht so. Die Divergenz in der Linken ist einfach zu riesig, es gibt dutzende Splittergruppen. Das lähmt.

In diesem Kontext passt die Wortschöpfung „Solodarität“ eh perfekt.
Ja, stimmt. Man gönnt sich gegenseitig nichts, schlägt wie wild um sich herum und ersauft nebenbei im Fruchtwasser.

Abschließend noch zur Produktionsebene: „Unguru“ wurde großteils von Stixx produziert, „Solodarität“ von Fid Mella. Wie kam es zu diesem Switch?
Es war nicht unbedingt ein bewusster Switch, auch wenn ich etwas für mich Neues ausprobieren wollte. Ich bin mit allen „Unguru“-Produzenten, mit Leuten aus dem Dachs-Umfeld und darüber hinaus im Austausch gewesen und habe regelmäßig um Beats gefragt. Ich habe mich irgendwann nur unglaublich in die Mella-Beats verliebt. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und es war eine coole Erfahrung, weil er für mich einer der versiertesten Beatbastler in Österreich ist und seine Beats gut mit meinen Texten harmonieren. Sie sind jetzt weder total boombappig noch unzugänglich experimentell. Es ist ein symbiotischer Sound, der unglaublich viel Emotion transportiert. Allein durch die Synths, die er einspielt, bei „Mostblock“ zum Beispiel.

Ist es ein gewisses verschrobenes Element, das euch verbindet?
Ja, genau. Auf „Schu Schu Kolibri“ habe ich das erste Mal auf einem Mella-Beat geschrieben, es hat sich von der ersten Sekunde an richtig angefühlt. Leiwand ist, dass er auch auf deine Texte hört. Er versucht, das Gerappte zu analysieren, tigert sich rein und schmunzelt bei Zeilen. Das Produzentending wird manchmal auf so eine rein technische Ebene verlagert, kaum jemand schaut auf die Texte. Es gab ein, zwei Momente, da bin ich mit etwas Neuem bei ihm angetanzt, habe es ihm vorgespielt und war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Ich bin ja allein – Kreiml & Samurai sind zum Beispiel immer im Austausch, sie können sich jedes Thema vorgeben und beide schreiben einen Part. Ich hänge oft ein bisschen in der Luft, weil ich sehr isoliert schreibe. Ich will den Leuten lieber ein fertiges Ding servieren, bevor ich mich wie ein 16-Jähriger hinstelle und jemanden was ins Ohr rappe: ‚Hey, yo, hör dir mal meinen Part an!‘ Bei Mella war es von der Kommunikation her extrem leiwand.

Auch Urbs ist vertreten, wie hat sich das ergeben? Er ist ja eher aus einer anderen Generation.
Ich war damals schon großer Fan von Urbs & Cutex, bin durch einen Freund sehr früh indoktriniert worden, die sind bei mir rauf- und runtergerannt. Ich habe immer nebenbei mitverfolgt, was er macht. Wir haben uns auch gut verstanden – vielleicht war er ein bisschen böse, dass ich nur einen Beat fürs Intro genommen habe.