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Keno Interview: „Es wird immer um Drugs, Pussy, Money gehen“

Keno Interview: „Es wird immer um Drugs, Pussy, Money gehen“

Maxi Baier
Maxi Baier

Keno mag Abwechslung. 2000 hat er gemeinsam mit Fatoni und Produzenten Bustla das HipHop-Trio Creme Fresh gegründet, die letzten Jahre war er vor allem mit der zehnköpfigen Brassband Moop Mama unterwegs. Am 10. Oktober erscheint nun sein erstes Soloalbum namens „Paradajz Lost“ – ein Wortspiel rund um den paradiesischen Paradeiser. Die musikalische Unterlage des sehr gesellschaftskritisch ausgefallenen Albums kommt von Produzenten Flying Pussyfoot, die Beats sind von Kenos Reise nach Istanbul und dem anatolischen Rock der 70er-Jahre geprägt. Im Interview erzählt der Münchner Musiker über das Oktoberfest, rechte Politiker in Vorarlberg, seine Abneigung gegenüber Zoos und er erklärt, warum er sich gegen den Stempel des „politischen Rappers“ wehrt.

The Message: Dein Album heißt „Paradajz Lost“: Steuert unsere Generation schon Richtung Abgrund oder gibt es noch Hoffnung auf das „Paradies“? Und wie sieht es dort deiner Meinung nach aus?
Keno:
Ich glaube nicht an ein Paradies. Aber ich glaube daran, dass wir es uns hier ganz erträglich machen können, wenn wir gut mit uns und unserer Umgebung umgehen. In meinem persönlichen Schlaraffenland gibt es jedenfalls jeden morgen einen guten Espresso.

Du sprichst in dem gleichnamigen Song auch Monsanto an. Ein französischer Landwirt hat gerade einen gerichtlichen Erfolg gegen den US-Riesen errungen, weil er durchs Einatmen der Pestizide erkrankt ist. Glaubst du, dass die „kleinen“ Aufsässigen irgendwann mehr Macht gegenüber multinationale Konzerne haben werden?
Ob man das als Erfolg werten kann, wenn einer erkrankt und dann einen Prozess gewinnt? Wenn ein David gegen einen Goliath anstinken kann, ist das natürlich schon gut und macht ein wenig Hoffnung. Ich glaube schon, dass man was ausrichten kann.

Und wie?
Vor allem erstmal durch Aufmerksamkeit und die Verbreitung von Information. Das Schlimme ist ja, dass solche Ekelmonster wie Monsanto so viel unter Ausschluss der Öffentlichkeit regeln können. Wenn die Leute mitbekommen, was da läuft, dann wehren sie sich meistens auch.


„München kotzt wieder. Jedes Jahr ein kleiner Weltuntergang“ hast du auf Facebook geschrieben. Welche Art von Menschen sind die Oktoberfest-Geher?
Das ist ein bunter Querschnitt durch die Gesellschaft. Es gibt nur wenige, die sich dem ganz entziehen. Wenn man nüchtern ist und das von außen betrachtet, ist es ein schauerliches Ereignis. Und kaum ist man besoffen … Ich bin kein Freund der Wiesn, aber ich muss sagen, manchmal mag ich es auch, wenn München mal für ein paar Wochen im Ausnahmezustand ist. Sonst ist hier immer alles normal.

Dein Video zu „Über den Wolken“ wurde auch dort gedreht. Angeblich wollen immer mehr Münchner dem Fest nicht beiwohnen, weil dieses nur zur Besäufnis dient. Was soll man sonst dort machen?
Nein, nein, das ist unsere Kultur! Die muss man pflegen. Unsere Kultur ist Saufen.

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In „Wie sie sind“ prangerst du den Selfie-Wahn und Vintage-Filter an. Welche Trends siehst du sonst noch auf dem Vormarsch?
Ich prangere das eigentlich nicht an. Das ist für mich mehr eine Zustandsbeschreibung. Ich bin ja selbst süchtig danach. Um es mal mit einem Fatoni-Zitat auszudrücken: „Ich mag die Attitude vom Widerstand, aber auch AppleProdukte ziehen mich an.

Du sprichst in „Geschlossene Gesellschaft“ den altbekannten grünen Pass mit dem goldenen Adler darauf an. Was hat sich deiner Meinung nach in den 20 Jahren nach „Fremd im eigenen Land“ verändert?
„Fremd im eigenen Land“? Das ist doch ein Album von Fler. Das kann noch keine 20 Jahre her sein …  Nein du meinst dieses Lied von Advanced Chemistry …Die Raptechnik in Deutschland ist seitdem besser geworden. Aber die Probleme sind wahrscheinlich irgendwie dieselben, das braune Gesocks läuft durch die Straßen als wär nichts gewesen. Und Deutschland hat noch immer nicht kapiert, dass es schon längst ein buntes Land ist, in dem man nicht ständig jeden Fragen muss, woher er kommt.

Auf Facebook hast du geschrieben: „Tipp für eure Sommerferien: Werdet Fluchthelfer“. In Deutschland wird das als Schlepperei bezeichnet und bringt einen mehrere Jahre ins Gefängnis. Inwieweit kannst du diese Aufforderung dann noch vertreten?
Ich hab da eine Seite verlinkt. Die wirbt dafür, auf diese Art zivilen Ungehorsam auszuüben und zum Beispiel auf dem Weg aus dem Urlaub zurück jemanden mitzunehmen. Auf der Seite steht ziemlich genau, was dabei passieren kann und jeder macht sowas natürlich auf eigene Gefahr. In der Zwischenzeit, nachdem überall die Grenzkontrollen wieder aufgenommen worden sind, ist das wahrscheinlich risikoreicher geworden … Und die Situation hat sich seit dem auch insgesamt verändert. Aber ja, es gibt Dinge, die man klar vertreten muss, auch wenn das Gesetz was anderes sagt.

In einem Interview meintest du, dass du keine Tagespolitik verfolgst und keine Zeitungsartikel liest, weil es dich nicht interessiert. Hört man deine Texte, merkt man von diesem Desinteresse rein gar nichts. Wie kommst du dann zu den Informationen? Und welche Informationskanäle würdest du jungen, politisch interessierten Menschen raten?
Da bin ich tatsächlich eine schlechte Anlaufstelle für Tipps. Für mich ist es ein Unterschied, ob man jeden Tag die Zeitung liest und jede Diskussion verfolgt. Das tue ich zum Beispiel nicht und bin oft ganz erstaunlich schlecht informiert über Dinge. Oder ob man einfach mit offenen Augen durch die Gegend läuft und seine Schlüsse zieht, was ich auf jeden Fall tue. Deshalb wehre ich mich auch immer gegen den Stempel „politisch“, weil ich mich mehr als Beobachter sehe. Ich beschreibe das, was ich sehe und mache mir meine Gedanken dazu, aber ich stelle mich nicht hin und rufe: „Ich weiß die Antwort.“ Ich glaube der Grund, warum meine Texte als besonders politisch empfunden werden, ist, dass es so viel andere Musik gibt, in der inhaltlich über rein gar nichts gesprochen wird, außer darüber dass man zu cool ist, um eine Meinung zu haben.

Roger und Schu – mit denen du auch auf Tour gehst – rappen auf ihrem neuen Album, dass sich im deutschen Rap alles nur noch um „Drugs pussy money“ dreht. Warum gibt es gerade in so weltpolitisch und gesellschaftlich wichtigen Zeiten immer weniger Conscious Rapper?
Gerade vor Kurzem bin ich gefragt worden, warum es derzeit so viel gesellschaftskritische Musik gäbe, ob das ein Trend ist? Keine Ahnung, vielleicht ist so etwas wie Musik einfach ein Abbild unserer Gesellschaft, eines Zeitgeistes und eines Lebensgefühls. Gerade wird alles brisanter, man kann kaum noch wegsehen, dann wird das auch in der Musik mehr durchkommen … Aber um Drugs, Pussy, Money wird es wahrscheinlich immer gehen.

Maxi Baier
Maxi Baier

In einem weiteren Interview hast du erzählt, dass du mit Moop Mama in Bregenz von einem rechten Politiker auf ein Bier eingeladen wurdest, weil sich dieser vor der Bevölkerung profilieren wollte. Wie würdest du es finden, Rechte unter deinen Fans zu haben?
Ja, das war krass, der hat gesehen, dass unsere Musik den Leuten gefällt und wollte sich dann als der große Gönner aufspielen, sich volksnah geben. Aber Rechte unter meinen Fans … Das wäre ein weiterer Beweis für ihre Dummheit. Denn wer meine Texte als rechts auslegt, der muss ein paar Gehirnwindungen zu wenig haben. Man wird wahrscheinlich immer ein paar Leute im Publikum haben, die aus komischen Gründen auf das Konzert kommen. Aber dass jetzt ein Nazi kommt und sagt: „Wow, dein Shit ist echt gerade, der Führer wäre stolz“, das ist mir zum Glück noch nicht passiert.

Dein neues Album wurde vor allem durch Reisen geprägt. Hast du während deiner Reise durch Griechenland etwas von der Krise dort bemerkt? Wie gehen die Menschen mit den finanziellen Einschränkungen um?
Wir waren mit der Band und dem Goethe Institut in Athen, als es ziemlich rund ging. Da war überall bewaffnete Polizei auf den Straßen und jeden Tag gab es Proteste. Das ist schon eine Weile her. Aber ein Mädchen, mit dem ich über das sprach, was wir machten sagte: „Wow, ihr macht nur Musik und lebt davon. Hier in Griechenland kenne ich keinen der das machen kann.“

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Mit Moop Mama warst du für das Goethe-Institut auch in Tschechien. Was habt ihr da gemacht?
Dort haben wir ein Konzert gespielt, auf so einem Straßenfest und mit einer Schulklasse über unsere Texte gesprochen. Außerdem habe ich mir in einem Laden die zersprungene Rückseite meines Handys austauschen lassen und es danach gleich wieder runtergeschmissen.

Auf deinem Blog „Ansichten eines Rappers“ schreibst du in raffinierter Art über Pelzgeschäfte im heißen Griechenland und den Schichtwechsel von Fliegen und Mücken bei Festivals. Fürs Erste hast du Sommer- und Herbstgedichte geschrieben. Was macht dir am meisten Spaß und was sind die Unterschiede für dich zw. Blog-Eintrag, Gedicht und Musiktexten?
Raptexte sind das, was ich schon am längsten mache. Meine Hauptbeschäftigung. Was die anderen Texte angeht, befinde ich mich in der Übungsphase. Die Blogeinträge haben als Zeitvertreib auf langen Autofahrten auf Tour begonnen und da habe ich gemerkt, dass mir das auch Spaß macht. Ich versuche da dranzubleiben und vielleicht wird ja mal was draus, das sich drucken lässt …

Im Artikel der Süddeutschen Zeitung steht, dass du es in Jelinek-Manier vermagst, Bedeutungen den Sinn umzudrehen. Bist du Jelinek-Fan? Welche Literatur-Richtung gefällt dir am besten?
Ja, da war ich auch ein wenig baff, weil ich überhaupt nicht weiß, wie die wirklich schreibt. Ich lese viel zu wenig und vor allem mag ich Romane nicht so gern. Aber scheinbar gefallen da jemandem meine Wortspiele sehr gut, der gerne liest. Ich nehme das als großes Kompliment.

Auf deinem Blog schreibst du noch, dass du das menschliche Verhalten in Zoos respektlos findest und das ganze „Spektakel“ einer vermessenen Sichtweise gleicht. Was stört dich am meisten an Zoos? Und würdest du mit deinen Kindern auch hingehen?
Sehr schwierige Frage. Als Kind hab ich den Zoo geliebt. Aber jetzt wird mir irgendwie schlecht, wenn ich reingehe. Ich beobachte jedenfalls um mich herum, wie Menschen, die Kinder kriegen, allerhand komisches Zeug machen, weil sie dem Kindchenschema nicht widerstehen können, wahrscheinlich ginge es mir genauso … Ich weiß noch, dass meine Mutter mir nie eine Spielzeugpsitole gekauft hat. Dann hab ich mich irgendwann hingestellt, geheult und geschrien: „Du bist so gemein, du willst dass ich immer überall ausgeschlossen werde!“ Da hat sie Angst bekommen und hat mir Geld gegeben. Und ich bin in den Laden und habe mir das größte Gewehr geholt, das ich mir leisten konnte. Dann hab ich ’ne Weile mit den anderen Kindern geballert und nach einiger Zeit das Gewehr vergessen.

Du selbst bist Vegetarier. Was sind die Gründe dafür?
Ich finde eine hauptsächlich vegetarische Ernährungsweise ist gesund und moralisch richtig. Ich bin da aber nicht militant. Vegan esse ich auch sehr gern, so lange man mir nicht ständig „Schnitzel“, „Wurst“ oder „Tartar“ aus Soya anbietet. Da hat man dann wirklich das Gefühl, den Ersatz für irgendwas zu essen.

www.facebook.com/derkenoofficial

(Interview: Julia Gschmeidler)