An dieser Stelle die deutsche Fassung des im Heft Nummer 27 abgedruckten Interviews mit einem der wohl abgedrehtesten MCs unserer Zeit: Kool Keith, Dr. Octagon oder wie auch immer er sich heute gerade nennen mag.
Was schätzt du als Künstler mehr? Bist du eher der Studiotyp und genießt die Zeit im Studio während der Produktion deiner Platten, oder magst du eher die Live Shows bei deinen Tours?
KK: (Stopft sich ein erstes Soletti in den Mund.) Ahm, Ich toure gerne. Auf der Bühne zu stehen macht mir auf jeden Fall Spaß, aber Platten zu produzieren mag ich mehr, da nicht so viele Leute dabei involviert sind, die dir die Suppe versalzen könnten. Eins sei gesagt, ich genieße die Freiheit der Studiozeit in allen Zügen. Da ist nur ein Engineer, den es nicht interessiert, was ich für Musik mache, das Studio und ich, sonst nichts. Wenn ich Platten aufnehme ist niemand da der mich ablenken könnte, oder mich beim Entstehungsprozess der Produktion in die falsche Richtung lenken könnte. Der Engineer beschränkt sich auf seine Arbeit als Tontechniker und ist kein Freund von mir. Ich habe immer wieder mit Engineers gearbeitet die mit mir in keinem persönlichen Kontakt stehen und wenn sie Freunde von mir waren, dann mussten sie zumindest so tun als wären sie nicht meine Freunde. Ich fühle mich dabei gut, wenn ich weiß, dass ich der einzige Musiker im Studio bin. Nein, wirklich es ist nicht so, dass bei mir ständig jemand da ist und mich kritisieren könnte, auf die Art… „das was du aufnimmst klingt nicht wie diese und jene Platte“. Es ist einfach so, dass ich meine Arbeit von Anfang bis zum Ende, ohne Einfluss von Außen, durchführen möchte. Da sind keine Leute, keine Gesichter und keine Emotionen die dich ablenken. Wenn du mit Leuten gemeinsam arbeitest ist es so. Da mischt sich dann jemand ein, möchte z.B. eine Snare anders gesetzt haben, oder möchte einen Sound wo anders hinzufügen, will dir beispielsweise einen Ratschlag geben, oder er passt die ganze Zeit nicht auf weil er Scherze macht,… Also, wie schon gesagt, ich habe die einsame Studiozeit lieber, als Kollaborationen, weil es mir erlaubt Sachen zu produzieren, die mir gefallen. Natürlich ist es musikalisch etwas selbstsüchtig, aber es gibt mir die Chance so wie ich möchte herum zu experimentieren, und Platten zu produzieren auf die ich am Ende des Tages stolz bin und zu mir sage, „hey hätte nie gedacht, dass ich so etwas mal auf die Beine stelle“. Ich habe niemanden im Studio der nörgelt oder mich kritisiert. Den Part übernehme ich, da ich mich selber kritisiere. Ich höre mir meine Aufnahmen immer wieder im Studio an, und wenn mir irgendein Sound nicht gefällt, ersetze ich es nach meinem Ermessen. Es ist nicht so, dass mir eine Plattenfirma vorgibt „es klingt nicht so wie wir es haben möchten, und es klingt nicht so wie etwas was gerade releast wurde..“ Ich denke der angenehmste Part meines Lebens ist alleine eine Platte zu produzieren. Nur ich und der Tontechniker. Wie ich schon sagte, selbst wenn er ein Fan ist, soll er so tun als wer er ein Fremder. Wenn der Tontechniker dein Freund ist verzögert sich nämlich die Aufnahmezeit und die gesamte Produktion wird schleppender. Das ist sogar schlimmer als wenn du jemanden mitnimmst den du kennst. Ich hatte auch Tontechniker die mich kannten, aber einfach nur schwiegen.
Hast du dein eigenes Studio?
Ja, manchmal, ich gehe aber eher zu anderen Studios.
Also, du mietest Studios und benützt sie nur für einige Produktionen?
Ja, also ich ändere halt immer meinen Sound (…schiebt sich ein Soletti in den Mund und redet schmatzend weiter…) ich habe eine Vielzahl an Möglichkeiten wenn ich etwas aufnehmen will. Ich nehme in Europa auf, in Australien und Amerika. Ich probiere alle möglichen Sounds aus und schaue was passiert. Ich bin nicht der Typ der unbedingt überwältigende Studios braucht. Ich brauch keine Ledercouch, einen SLL Board, so wie für Quincy Jones. Ich meine, ich war auch an solchen Orten, keine Frage, aber ich halte nach Orten Ausschau die generell ok und gut sind. Manchmal ist es so, dass die Studios völlig abgefuckt und dreckig ausschauen, aber vom Equipment und vom Sound her voll mächtig sind.
Du hast gesagt du nimmst deine Platten in Europa und in anderen Teilen der Welt auf. Ich will mit dir über eine Kollaboration sprechen die ich letztlich gehört habe. Du hast mit einem holländischen Rapper namens Brainpower aufgenommen. Kommt es öfter vor, dass europäische MCs dich kontaktieren und mit dir gemeinsam Projekte starten möchten. Wie kam die Connection zwischen euch beiden zustande?
Naja, ich kenne Brainpower schon lange. Ich lernte ihn kennen, als ich damals mit den Ultramagnetics zum ersten Mal in Amsterdam war. Er war einer der Ersten dort. Einige Rapper trifft man halt immer wieder, so wie ich Blade aus London immer getroffen hatte wenn ich in der UK war. Man merkt sich Leute vom ersten Mal an einem bestimmten Ort und baut mit ihnen eine Freundschaft auf. Mit Brainpower war es genau so. Es ist so, dass wir uns immer wieder in New York treffen, wir gute Freunde, er ist ein netter Kerl. Er war der Erste, der mir Amsterdam gezeigt hatte. Mit einigen Leuten ist man einfach cool, verstehst du.
Das heißt, eure Zusammenarbeit hat sich aus einer Freundschaft heraus entwickelt. Was kann sich ein Publikum von einer Kool Keith Show erwarten? Wird es eine neue Show oder eine Kollage mit allen Hits?
Ich verfolge nie ein fixes Konzept. Ich mach verschiedenes Zeug, bin spontan, aber meine Show beinhaltet natürlich auch immer Stücke aus meiner gesamten Karriere.
Man weiß von dir, dass du einer der produktiven MCs bist. Deine Platten sind dafür bekannt, dass sie immer der Zeit Voraus zu sein scheinen. Woher kommt deine Inspiration für die neuen Sounds und neuen Sachen die du machst?
Ich bin froh, dass du mich das fragst. Ich dachte ich bin der Einzige der dies erkennt. Kritiker sehen oftmals nicht die Innovationen die wir bieten, da sie andere Maßstäbe haben. Ich versuche alles Mögliche neu zu gestalten, ob es nun eine futuristischer Kool Keith Platte ist, oder ob es einfach nur die snare ist, welche gedoppelt oder getrippelt wurde, es gibt keine Gesetze. Es gibt viele beschränkte Leute, die nur nach gewissen Schemen vorgehen. Ich hatte schon mit einigen Leuten Diskussionen darüber. Mir scheint so, alles was produziert wird folgt dem selben Schema: eine Snare, eine Kick, ein 4 Takte Loop, ein Chorus, sechzehn Zeilen und dann wieder der Refrain. Man muss nicht immer die Strophen mit sechzehn Zeilen füllen. Manchmal ist es vielleicht besser nur 12 zu machen und dann eine Bridge und dann der Chorus, und so weiter..
Du hast eine Platte mit dem Namen The Lost Masters Vol. 2 herausgebracht, wo nur Bongos als Rhythmus verwendet werden, keine Snares und keine Kicks.
Ja, genau, ich wollte der Plattenindustrie zeigen, dass es viele Gruppen wie die Blue Man Group aus Vegas oder Stomp gibt. Die machen Rhythmen mit Stäben, Röhren etc… Percussion bedeutet alles. Percussion kann aber vielerlei sein. Du kannst mit Stühlen oder auch mit Flaschen Percussion erzeugen. Viele Leute sind einfach nur zu beschränkt und kommen nicht aus ihrer Schublade heraus. Wie man eine Platte produzieren sollte? Ich denke die Leute folgen noch oft dem oben beschriebenen Format. Ich hatte mit Kutmaster Kurt ein Gespräch, wo wir zum Ergebnis kamen, dass unserer Meinung nach Musik aus Zufall heraus entstehen sollte. Musik sollte aus einer spontanen Handlung, und mit einer Portion Fun entstehen. Einige Leute im Underground arbeiten für eine Platte 2 Jahre lang und wenn ihre Platte dann in den Läden erscheint, floppt es meistens. „Hey du arbeitest länger daran als Janet Jackson für ihr Album bei Virgin“. „Aber du wirst nicht von Virgin gepusht“. Stell dir das so vor: wenn Janet Jackson´s Album rauskommt, wird ihr Album überall promotet. Sie machen für sie eine Kampagne, man bringt ihr scheiß Albumcover an jedes Flugzeug, ihre Poster werden an jeder scheiß U-bahn hängen, es werden MTV Kampagnen gestartet für Europa auch im verdammten Ibiza, an jeder scheiß Straßenbahn… Und diese Underground Acts arbeiten an einer Platte so lange wie bei einem Janet Jackson Album. Wenn das Undergroundalbum heraus kommt, ist es immer eine Enttäuschung für die Acts und entspricht letztendlich nicht ihren Erwartungen. Nur Michael Jackson kann es sich erlauben für ein Album 10 Jahre zu brauchen. Michael Jackson hat mit Vielen gearbeitet. Z.B. mit Phil Collins. Viele Produzenten wurden für seine Projekte herangezogen. Die Kritiker schreiben dann über diese Alben und wenn du dann für dein Album nicht 10 Jahre ackerst und es von Quincy Jones nicht in einem 300 dollar/Tag-Studio abgemischt wurde, bekommst du keine gute Kritik. Diese Undergroundleute sitzen in kleinen, buschigen Studios ohne SSL Boards. Ihre Alben werden auch nicht von Dr. Dre produziert. Wenn aber Rapper mit Produzenten wie Dr. Der zusammenarbeiten werden sie gepusht! Also was passiert ist, dass Kritiker Underground Acts zu ernst nehmen und sie mit Produkten aus der Industrie vergleichen, welche besser gepusht werden.
Wer finanziert deine Produktionen? Bezahlst du sie selber? Oder versuchst du Plattenfirmen, welche dich für dein Vorhaben unterstützen, zu finden?
Wenn ich nicht für Dr. Doom, Mathew und andere Platten von mir selber gezahlt hätte, wären sie wahrscheinlich nie erschienen. Die Leute kritisieren mich, aber sie vergessen, dass ich die Platten selbst finanziert habe. Weißt du, ich habe herausgefunden, wenn du Rapper bist, glauben die Leute du könntest nicht produzieren. Ich glaube ich war der erste Rapper der selber produzieren wollte, was ich auch tat. Ich war die leitende Hand bei vielen Basslines von „Blue Flowers“, „Girl let me touch you“. Ich spielte vieles ein. Automator und ich kooperierten viel bei Dr. Octagon aber dies ist auf der Platte nie erwähnt worden, und ich war auch nie sauer deshalb. Das Gleiche gilt für die Produktionen mit den Ultramagnetic Mcees und Kurt. Ich setze Bässe auf die Tracks, ich suche die dazupassende Kicks aus. Viele Produzenten wollten nie, dass ich lerne Beats zu programmieren, was ich dennoch tat. Ich habe es mir selber beigebracht. Diese Kritiker glauben, wenn du keine Van Demmes oder MF Dooms als Produzenten hast, ist es nicht wert in deine Platte reinzuhören. Sie glauben nicht, dass auch Rapper produzieren können. Viele Fans sind Wanna-Bee Producer und glauben sie könnten mit mir gemeinsam Tracks aufnehmen. Das Problem ist, dass die Meisten nicht die richtigen Beats für mich haben. Ich kann mir 89 Beats von jemandem anhören, aber keinen Einzigen davon spüren, weil keiner zu mir passt. Die Beats sind nicht auf meiner emotionellen Welle. Warum sollten diese Beats auch meine emotionale Welt widerspiegeln, wenn sie nicht von meinem Background kommen. Vielleicht lebst du in „fuckin Bob Cat Copenhagen“ und die Beats sind einfach anders für diese Region. Ich hingegen versuche Sachen zu produzieren die zu meiner Umgebung passen. Du darfst nicht böse auf mich sein, weil ich aus der Bronx bin und meine eigenen Beats programmiere, welche zu meinen Texten besser passen. Es ist wie mit dem Film Black Cesar von James Brown. Der Soundtrack hat perfekt mit dem Soundtrack harmoniert. Du weißt schon, all die Gangster in Harlem und so… Wenn ich über etwas Ernstes schreibe will ich auch, dass die Beats dazu passen. Viele Produzenten heutzutage produzieren für alle und die Kritiker mögen die Leute, die für jeden produzieren. Diese Producer haben einen Track für Janet Jackson, einen für Britney Spears, einen Beat für Nas, sie haben einen Track für Kool Keith (sic!), für The Game… Diese Tracks sind für alle, sie sind keine angepassten Tracks. Es ist als hätten sie einen Korb voller Beats. Und wenn du einen Beat brauchst greifst du in den Korb hinein und nimmst dir einfach einen. Der Produzent redet dann nur mehr noch davon, „ja gestern habe ich einen Beat an Britney Spears verkauft, vorgestern einen an blablabla…“ Diese Producer haben keine Emotionen beim Produzieren…sie produzieren einfach nur. Es ist nicht so, dass ich extra nach Virginia zu Timberland fliege und er mit mir ein gesamtes Album produziert. Nein, er produziert Tracks die man dann aus seinem Repetoir wie Kekse konsumieren kann, „ich mag diese Kekse, ich mag jene“ wie bei einer Nussmischung aus Cashew, Mandel und Erdnüssen. Jeder nimmt das, was ihm am besten schmeckt…[nimmt während dessen wieder eine paar Soletti in den Mund]..ich mag keine Nüsse…
Also du magst eher die für dich angepassten Beats?
Alle Beats die ich verwende passen zu dem was ich mache. Ich war nie der Typ der aus einem Haufen von Beats einen aussucht. „Diese Leute sind keine Produzenten, sie machen für jeden Beats; das sind wirtschaftlich ausgerichtete Personen“. Vieler dieser Leute sehen sich gar nicht einmal. Timberland produziert einen Beat und schickt dir ein email ohne sich je mit dir zu getroffen zu haben. Deine Plattenfirma bezahlt dann seine Leistung. Du wirst nicht mit ihm abhängen, du wirst mit ihm nicht einen Hamburger essen gehen, du wirst mit ihm auch nicht ins Kino gehen oder einfach nur herumalbern und abchillen. Mit Buju Banton war es so, dass er nach New York kam um mit mir abzuhängen, wir hatten gemeinsam Mittagessen, wir gingen ins Studio und nahmen gemeinsam eine Platte auf, ohne emails. Es ist nicht so wie bei den anderen, wo sich der Rapper die beats emailen lässt und er seine Vocals versendet. Diese Leute treffen sich nicht persönlich und wenn die Sachen dann heraus kommen heißt es: „ah du kennst Buju, wie war das wie du mit ihm abgehangen bist…“ [alle lachen] Das sind alles „phoney mutherfuckers“. Die Leute kritisieren mich für meinen Sound, obwohl ich meine futuristischen Sachen vor den Neptunes und vor Timberland gemacht habe. Ok ich respektiere diese Leute, weil sie mal etwas anderes ausprobieren, aber generell finde ich nicht, dass es gute Produzenten in Amerika gibt, weil einfach jeder nach jemand anders klingt.
Wie würdest du derzeit das Amerikanische Hip Hop Business beschreiben? Bist du zufrieden wie es sich entwickelt hat, du bist ja schließlich schon seit Anfang an dabei?
Ich denke, dass Amerika sich falsch represented. Sie täuschen die Zuhörer, nichts ist wirklich innovativ. Viele Beats sind zwar cool, aber simple Beats können manchmal auch ausreichend sein. Ich finde vieles ist einfach zu verspielt. Jeder geht auf Nummer sicher und macht das, was er immer schon gemacht hat, ohne neue Sounds oder neues Equipment zu probieren. Niemand wagt es seine Grenze zu überschreiten.
Was können wir uns von der Zukunft von dir erwarten?
KK: (weiterhin Soletti kauend) Ich werde Sachen produzieren, mit denen niemand gerechnet hätte. Mann, ich werde auf Videos drauf sein, wo ich nicht einmal rappen werde. Ich will so etwas machen wie Daft Punk. Du weißt schon, Musik ohne Vocals. Das sind so die Sachen die ich vorhabe, ich begebe mich auf eine neue Reise. Bald werden die Leute meine Platten hören ohne zu wissen, dass ich es bin…“was das ist Keith, der es produziert hat“…und es wird alle 5 Minuten im Radio laufen (lacht).
Interview: Phekt
Fotos: Daniel Shaked
Das gesamte Interview findest du im englischen Originalwortlaut in der 25. Ausgabe von THE MESSAGE
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