Now Reading
Camp Lo Interview

Camp Lo Interview

camp-lo

Nach einer längeren Einleitungsphase tauchten wir immer gemächlicher in ein hochinteressantes Interview mit den beiden New Yorker cats ein. Um euch in den vollen Genuss der Unterhaltung kommen zu lassen, streichen wir die Einleitung, und steigen gleich in das lockere Gespräch ein. Vieles ist schwer im Text wiederzugeben, lebt es doch von der Gestik der beiden, und ganz besonders der Lautmalerei von …

… Geechi Suede: Als nächstes spielen wir in Leipzig. Ich habe gehört, dass es dort relativ viele Probleme mit Skinhead-Banden und rechten Jugendlichen geben soll. Wir waren dort zwei Mal mit den Roots, und das war auch das erste Mal, dass ich Skins gesehen habe, sie waren auch im Publikum. Verrückt, was? Aber Vorurteile existieren, wo du hinsiehst – ich habe den festen Glauben daran, dass sich alles zum Guten wenden wird!

Wie denn? Geechi Suede: Love … trust me!

Habt ihr das Gefühl, dass New York sich verändert hat seit 9/11? Beeinflusste dieses Ereignis das Musikmachen nachhaltig?

Geechi Suede: Ich denke, da ich mich nie wirklich für Politik interessiert habe, kaum. (… denkt angestrengt nach …) Nein, eigentlich nicht wirklich, keine Veränderungen. Ich meine, ich selbst habe große innere Veränderungen gemacht. Aber New York, nein, das ist noch immer die selbe alte Stadt.

Und was sind diese inneren Veränderungen?

Geechi Suede: Klarheit, ich fühle mich mehr mit mir selber verbunden, ich sag dir was:
„Conversations With God, Part I“ von Neil Donald Walsh. Lies das Buch, das wird dein Leben verändern, trust me! Dieses Buch hat es vollbracht. Es spricht von … wow, von so vielen Sachen. Ich habe oft danach gefragt, dafür gebeten – bitte sende mir was, irgendetwas, was mich zur Klarheit führt! Und er schickte mir das Buch. Das wars, was mich zur Reinheit brachte. Es behandelt alle persönlichen Fragen, spricht sogar von Politik, allen möglichen Dingen. Du hast buchstäblich ein Gespräch mit Gott, wenn du das Buch liest.

Kann man sich das wie eine moderne Bibel vorstellen?

Geechi Suede: Nein, das ist der Schlüssel des Ganzen, es hat nichts mit Religion zu tun, weit davon entfernt! Wir sind Moslems, aber befolgen es nicht mehr so wie früher. Ich meine, wenn etwas dich lehrt, dass Gott dich bestrafen wird, dass es ein jüngstes Gericht gibt – leg es beiseite, denn es existiert kein rächender Gott, der dich dafür bestraft, dass du deine Socken falsch anziehst oder deine Zähne nicht putzt, nein! Gott will nicht, dass du ihn fürchtest. Das Buch spricht also mehr von positiver Energie, Spiritualität, nicht von Religion. Es führt dich zu deiner eigenen Wahrheit.
Es handelt auch von Ursache und Wirkung, wie du das eine oder andere sein kannst. Aber was ich am meisten liebe an dem Buch: es zeigt dir die Bedeutung von Entscheidungen im Leben. Denn selbst wenn du dich entscheidest, nichts zu entscheiden, ist es wiederum eine Entscheidung! Ich könnte Stunden darüber sprechen. Ich bin schon beim sechsten Buch. „Conversations With God“ ist eine Trilogie, danach folgen andere Bände, mein Gott, es ist einfach wunderbar (… pustet tief und erleichtert durch …).

Wenn du über Entscheidungen sprichst, wie steht es dann mit Reue?

Geechi Suede: Es ist gut, etwas zu bereuen, aber du sollst dich nicht schuldig fühlen. Schuld ist ein gelernter Mechanismus. Du wurdest gelehrt, dich schuldig zu fühlen. Es sagt auch, dass der einzige Feind des Menschen Schuld und Angst sind. So wie es auch nur zwei Emotionen gibt: Liebe und Angst. Alles, was wir machen, passiert aus Angst oder Liebe.

Es gibt also keinen Hass.

Geechi Suede: Richtig, Hass entspringt der Angst. You hate, because you’re fearing, because you really don’t understand … oh my god, that book is an orgasm, mentally, man!

Wer hat es dir gegeben?

Geechi Suede: Mein Bruder, ich habe keine Ahnung, woher er es hatte. Das andere, das ich gerade lese, heißt „Moment Of Grace“.

Hat das Buch einen Einfluss auf deine Musik?

Geechi Suede: Wir haben noch nicht angefangen, an unserem Album zu arbeiten. Wir machen eines für die Staaten, und ein anderes für Europa. Davor kommt noch ein Mixtape. Was sich musikalisch ändern wird? I’m gonna try to put some more message into my lyrics, love … you know, a love message into it. Das ist mir wichtig. Zu vermitteln, dass wir nicht von Gott weggehen dürfen, ihn zu lieben, nicht zu fürchten, denn Angst vor Bestrafung treibt dich nur weiter weg von ihm. Wenn ich mein Kind aussuchen lasse, ob es den roten oder blauen Ballon will, es den roten wählt, obwohl ich für den blauen gewesen wäre, soll ich dann böse sein, weil ich ihm die freie Wahl gelassen habe? Genau so ist das. Ich habe mir geschworen, nie wieder böse auf jemanden zu sein, denn wenn ein Mensch einen Fehler aus Unwissenheit begeht, wieso soll ich böse auf ihn sein? Er wusste es ja nicht. Sollen wir also bestraft werden für etwas, das wir tun? Nein, selbst wenn du nichts tust, oder dein ganzes Leben lang vorziehst, nichts zu tun und als Penner zu leben, wem tust du was zu Leide? Das ist eine wunderbare Sache. Das ist schön, zu wissen, dass du zu jeder Zeit die freie Wahl hast, zu tun, was du möchtest. Darauf will ich in Zukunft mehr eingehen in meinen Texten.

Sonny warf die Frage auf, was passieren würde, wenn man vor eine Vielzahl an Möglichkeiten gestellt wird.

Sonny Cheeba: Wenn zu viele Möglichkeiten ins Spiel kommen, verlierst du die Übersicht.

Geechi Suede: Ja, das ist dein Einwand. Aber Sonny hat das Buch ja noch nicht gelesen.

Sonny Cheeba: Muss ich auch nicht, du erzählst mir ja sowieso alles davon!

Geechi Suede: Was soll ich tun, es hat mich einfach überwältigt. Was mich an dem Buch außerdem noch total fasziniert, sind die „three levels of creation“, die da sind: Gedanke, Worte und Handlung. Demnach machst du alles wirklich, was du denkst und sagst. Viele Dinge sind passiert, die wir in unseren Texten vorweggenommen haben. Lange, bevor wir rauskamen, erzählten wir davon in unseren Texten. Nimm Biggie und Tupac – wovon haben sie gerappt, und was ist ihnen widerfahren? Also, wenn das nicht genügend Beweise sind. Bleib bescheiden und positiv. Das soll aber nicht bedeuten, dass ich keinen Alkohol trinke, rauche, oder ein gesundes Sexleben mit verschiedenen Frauen genieße (lacht laut). Da gibt es auch kein richtig oder falsch, das ist nur Auffassungssache. Was für mich richtig ist, mag für andere falsch sein und umgekehrt.

Und wie war eigentlich deine Kindheit?

See Also

Geechi Suede: Das war wirklich cool. Ich durfte praktisch alles machen, was ich wollte. Ich wechselte von Sportgymnastik zum Skaten, dann zum Tanzen. Ich glaubte immer daran, dass ich alles davon machen würde – Skaten, Turnen, Tanzen, und schließlich HipHop. Ich breakte und malte, bis ich entschied, das Reimen wirklich ernsthaft anzugehen. Das war meine Ausdrucksform, nach der ich mein Leben gestalten wollte. Reimen hat mich einfach überwältigt. Mein Onkel brachte es mir damals bei, durch Freestyles. Ich will nicht angeben oder arrogant sein, aber ich bin wirklich sehr gut. Wenn jemand mich darum bittet, bin ich sehr schüchtern, wenn nicht, dann reime ich den gesamten Tag (lacht). Sonny hat es über Nacht gelernt. Als ich ihn zum ersten Mal traf, konnte er überhaupt nicht reimen.

[…] Kleidung und Style spielen bei euch auch eine ganz wichtige Rolle.

Geechi Suede: Auf jeden Fall. Unsere Musik ist eine Art Spiegelbild von dem, was du zu Gesicht bekommst, bevor du sie hörst. I eat, sleep, drink and sh*t fashion! Wir beide sammeln Kleidung, und weißt du, was das Schlimmste ist: Ich konnte nicht mal die Hälfte mitnehmen, nachdem bei der letzten Tour unsere Koffer verloren gingen. Zwar nur für eine Woche, aber wir mussten die Shows trotzdem machen.

Wonach sucht ihr denn speziell?

Sonny Cheeba: Ich liebe die verschiedensten Teile, aber vor allem Jacken, Schuhe und Gürtel.

Geechi Suede: Oh, ich liebe Schuhe, boots! Und ich liebe alte Kleidung, je älter, desto besser. Ich stehe auf second hand shops. Wenn ich in einen Laden reingehe, probiere ich die Sachen gar nicht an. Ich sehe sofort, was mir gefällt, und ziehe es raus.

Sonny Cheeba: Ich gehe ab auf Jacken – jede Art von Jacken, aber ganz besonders auf Motorradjacken, Lederjacken. Ich habe meine Lieblingsjacke gar nicht mitgenommen. Geechi Suede: Ja, Lederjacken mag ich auch. Und ich liebe enge Sachen, enge Hemden, ein Paar enge coole Jeans. Wir wechseln unseren Style aber sehr oft. Einmal erwischt du mich in einem zwanziger-Jahre-Anzug, ein anderes Mal direkt wie aus den Siebzigern, und tags darauf mit einem Fünfziger-Style. Ich liebe diese Zeitreisen in Sachen Mode.

Sonny Cheeba: Wir lieben außerdem Hüte, wir haben auf dieser Reise aber noch keinen einzigen geilen Hut gefunden. Der Laden in New York, wo wir immer unsere Hüte kauften, ist geschlossen, der ist nicht mal mehr im selben Block. Geechi Suede: Aber bei dieser Tour habe ich mich ehrlich gesagt nicht soviel um Hüte gekümmert, weil es so lange gebraucht hat, meine Haare so hinzukriegen, aber dafür um Brillen. Habt ihr auch mal dran gedacht, das Outfit während der Show zu wechseln?

Geechi Suede: Wenn wir Arenas oder größere Säle bespielen sollten, möchte ich das definitiv machen. Jetzt hat das noch keinen Sinn, es ist auch eine Zeitfrage. […]

Text: Daniel Shaked, Cut-Ex, Jazzy; Foto: Daniel Shaked

Dieses Interview erschien in seiner vollen Version in THE MESSAGE Ausgabe Nr.: 22