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Omnipräsente Ambivalenz // Kreiml & Samurai über „Ranz oder gar nicht“

Omnipräsente Ambivalenz // Kreiml & Samurai über „Ranz oder gar nicht“

Zwei Jahre ohne Album? Nicht mit dem Schweinehund! Die Release-Konstanz geht in die nächste Runde: Am 19. April haben Kreiml & Samurai „Ranz oder gar nicht“, ihren sechsten Longplayer in elf Jahren veröffentlicht. Derzeit reitet das Wiener Rap-Duo nicht nur mit vollem Tank und neuen Tracks im Gepäck aus. Seit dem Auftakt am 10. Mai in der ausverkauften Wiener Arena begleitet eine Mini-Liveband die beiden auf der „Ranz oder gar nicht“-Tour. Bis Ende Mai folgen weitere Stopps in den westlichen Bundesländern sowie eine Show in München.

Neues Setting, keine Vorsätze

Honigdachs-Labelkollege Alligatorman hat den Produktionsprozess von „Ranz oder gar nicht geleitet, alle Beats stammen von ihm. Zudem hat Jürgen Schallauer (Franz Fuexe) Bass- und Gitarrenspuren eingespielt. Praktisch alles sei sehr organisch in Alligatormans Kellerstudio entstanden. Übergeordnetes inhaltliches Konzept? Fehlanzeige. Viel mehr fußen die Tracks auf Spontanität und Probieren bei den vielen Sessions im Dreiergespann. „Wir haben meist von Null gestartet oder sind mit Ideen reingekommen, die unten den nötigen Raum hatten, um zu wachsen“, sagt Samurai. Inhaltliche Ansprüche dabei? Kein belangloser Shit und kein rein auf Technik fixierter Rap über Rap. Weil eh schon wissen, durchgespielt. „Es war immer die Option, zu scheitern. Irgendwie ist es aber immer aufgegangen, ohne Angst und ohne einen Vorsatz, irgendwas zu erreichen“.

Die Entstehungsweise war kein Hindernis für grantige Parts und gehaltvolle Tracks. Das zeigt nicht zuletzt die Single „Preiselbeerkompott“ zwischen Auflehnung und Schnitzelessen in Zeiten der Inflation. Die „omnipräsente Ambivalenz“, die Samurai in einem Part erwähnt, lässt sich für Kreiml wie ein roter Faden auf viele Tracks übertagen. Sei es „Oh du mein Österreich“ übers schizophrene Verhältnis zum Heimatland, das Teils auf Dostojewskis Roman „Der Spieler“ Bezug nehmende „Spiele leben“ oder die Günther-Neukirchner-Hommage „Deppade Frog“. „Leiwand, dass man in der Position ist, dass sich Leute für einen interessieren, andererseits geht’s einem auch manchmal am Oasch“, sagt er zum letztgenannten Q&A-Track.

Da nichts lange rumgelegen ist, haben die neuen Tracks mehr Bezug zu aktuelleren Themen und zu Kreiml & Samurai selbst, als es bei früheren Releases der Fall war. „Rückblickend wollten wir nach ‚Wuff Oink‘ was Neues probieren – das war das Album mit Brenk. Dann ist Corona gekommen, unsere privaten Lebensumstände haben sich komplett geändert. Da ist dann noch viel Älteres rumgelegen. Das Mixtape von 2022 war vielleicht noch mehr die Zeit der Suche. Beim aktuellen Album haben wir es wirklich vom Mindstate Status quo losgeschrieben“, hält Kreiml fest.

Kein Rapalbum, sondern Lieder

Auffällig ist, dass Kreiml & Samurai auf „Ranz oder gar nicht“ mehr denn je singen – Kreiml sowieso, aber auch bei Samurai mit seinem Opernsänger-Background ist es noch präsenter geworden. Früher hat Samurai nach wiederkehrenden „Sing amal was“-Aufforderungen eher die Antihaltung eingenommen. Ob die Fragenden schon resigniert haben? Nun habe es jedenfalls gepasst und sich richtig angefühlt. Alligatorman habe zudem aus den beiden herausgekitzelt, diverse Hook-Entwürfe weiterzuverfolgen. „Die beste Art, Musik zu machen, ist für mich, aus dem inneren heraus was entstehen zu lassen. Nicht wie zu unseren Anfangszeiten, wo mal ein geiler Rhyme oder eine geile Hook da war, sondern wirklich Musik. ‚Ranz oder gar nicht“ ist für mich kein Rapalbum, sondern es sind Lieder“, sagt Samurai.

Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur in den Gesangseinlagen und bei den eingespielten Spuren, sondern auch in der Live-Besetzung. Schließlich werden die beiden nunmehr von einem Drummer und einem Bassisten begleitet. Ein Prozess, bei dem Kreiml & Samurai gerade am Anfang stehen? Die beiden möchten sich nicht festnageln lassen, weichen der Frage gekonnt aus – schau ma mal, dann seh ma eh. Nachsatz: „Aber das gesamte Ding und der Prozess fühlen sich unabhängig davon viel mehr wie ein Anfang an als wie ein Abschluss.“

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Gscheit deppat

Der Spaß an der Sache ist Kreiml & Samurai nicht nur in den schauspielerischen Darbietungen in den Musikvideos, sondern speziell auch in den Instagram-Reels anzusehen. Die Promophase hat zahlreiche launige Kurzvideos hervorgebracht, darunter Persiflagen von „Der Kommisar“-, „Mambo No. 5“, „Who Am I (What’s My Name)?„, ein Gedenk-Interview mit Sturm-Legende Günther Neukirchner oder ein „Let it be“-Cover. Hierbei zeigt sich auch, wie sich die beiden Rapper gegenseitig mit Ideen anstacheln. „Kreiml hat zuerst den Falco gemacht. Dann hat er einen Flash gehabt und eine nach der anderen Idee herg‘haut. Ich habe gedacht, dass ich auch mal was machen muss und nach ‚Let it be‘ meinen Flash bekommen. Es war so gscheit deppat quasi. Eigentlich kannst du sowas nicht ganz ernstnehmen, aber wir haben es voll ernstgenommen. Irgendwann habe ich kein Lied mehr hören können, ohne Versuch, was abzuwandeln. Dann habe ich den Schlussstrich gezogen“, sagt Samurai.

Richtig damit losgelegt haben die beiden, als das Album schon fertig war – in einer Phase mit wenig kreativer Luft, aber durchaus Tatendrang. Quasi als Sidequest. „Wenn man wirklich zufrieden mit einem Album ist, hat man die Motivation, zu schauen, was geht. Es war eine leiwande Zwischenlösung, es wie ein Kreuzworträtsel herzunehmen und auf leiwand zu probieren, Patterns, Silben und so weiter umzusetzen. Es hat Spaß gemacht und geht im Vergleich zu größeren Projekten schnell“, sagt Kreiml. Praktischer Nebeneffekt: Die Ideen haben auch gutes Live-Potenzial als Skits zwischen den Tracks. Obendrein dürften noch einige davon rumliegen und in den Köpfen der beiden rumschwirren. Fortsetzung also sehr wahrscheinlich. Dasselbe gilt fürs Arbeiten an Tracks in der Konstellation mit Alligatorman als Producer und Sound Engineer.