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Latin Swing, Beats & Grooves

Latin Swing, Beats & Grooves


Beginnen wir der Reihe nach – Swing: Salsa hat Swing. Und bei keiner Band des Planeten ist der vermutlich so gut performed wie beim Spanish Harlem Orchestra, kurz SHO, unter ihrem Chef Oscar Hernández, Pianist und „Musical Director“. Das ist das dritte Album des SHO: Das erste („Un Gran Dia En El Barrio“, 2002) war eine Sensation, das zweite („Across 110 St.“, 2004) wog einen Grammy, dieses ist das beste, das reifste, das perfekteste. Es heißt „United We Swing“ (Six Degrees/Hoanzl). Das Innencover der CD zeigt eine NYC-Skyline, über der die FahnePuerto Ricos weht, und das ist auch die musikalische Direktive: New-York-Salsa, konsequent weitergeführt bis zum heutigen Tag, ohne Beats, Breaks und Fakes – und wie bei jedem Album bislang auch dieses Mal eine Reihe von Gastmusikern: der fatasische junge Percussions-Star Luisito Quintero, Jimmy Bosch an der Posaune und am letzten Track, „Late In The Evening“, wie könnte es anders sein, Paul Simon. Und, keine Sorge, das passt schon: 100 Prozent. … Apropos die Fahne Puerto Ricos: Tauscht man Rot und Blau, weht vor einem die Fahne Kubas. Tatsächlich waren die beiden Länder stets bestimmend, was die musikalischen Moden von Latin in New York betrifft. Jose Conde ist kubastämmiger Amerikaner. Mit seiner aus routinierten New Yorker Latin-Musikern bestehenden Band Ola Fresca nimmt auf seinem zweiten Album „Revolucion“ (Mr. Bongo/Hoanzl) aber nicht nur kubanische Musikstile von Son und Descarga bis zur Timba auf, zu seinem Repertoire gehören auch Bomba, Compa und Cumbia, sowie ein klein wenig Samba, Soca, Reggae und Funk. Es muss ihm hoch angerechnet werden, dass er aus all diesen Stilen immer quasi die (spirituelle) Essenz zieht, das heißt, dass er die Musik nicht marktschreierisch dem Diktat vager „Nuevas Lineas“ unterzieht, sondern sie in ihrem Kern dort lässt, wo sie immer schon war, und das ist jedenfalls viel mehr als bloßes Entertainment. Ein Patchwork von Stilen und Umsetzungen, gekonnt, originell, ergibt ein großes ganzes Bild und eine außergewöhnliche Platte. … Oben erwähnter Luisito Quintero wird von Louie Vega (via bbe) nun einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Dem einschlägig informierten Latin-Publikum wird der aus Venezuela stammenden Meister-Percussionist schon via seiner Einsätze für die Großen des Genres von Ttito Puente und Herbie Hancock bis zum Spanish Harlem Orchestra und Louis Vegas loser Band Element of Life bekannt sein. Auf dem simpel betitelten „Percussion Madness“ spannt er einen weiten musikalischen Bogen. Das Album beginnt puristisch-perkussiv bei den Wurzeln der afro-amerikanischen Religion, die recht nahtlos in einen jazzigen Afro-Beat von Fela Kuti überführt werden. Es folgen Bossa-weich gleitende Brazil-Rhythmen, ein funkiger, harter kubanischer Jam (mit Hilton Ruiz), Ray Barrettos klassische NYC-Boogaloo-Descarga „Acid“. Ein hart kickender Mambo bringt es dann auf die kubanische Seite von Latin, eine langsame Drum-Invocation auf die spirituelle und ein souliges „Love Remains“ (feat. Blaze) zurück in den multi-ethnischen Kosmos des Big Apple. Genial. … Und weil das alles so schwer törnt, muss Louis Vega davon gleich noch ein Remix-Album mit dem Titel „Percussion Madness Remixed & Revisited“ nachlegen, das naturgemäß nicht die feste, knackige Üppigkeit des Originals erreicht, was den Aficionado aber keineswegs vom Erwerb desselben abhalten wird und sollte. … Ein weiteres solides Album, allerdings eher im Bereich des Latin-Jazz angesiedelt, kommt von Gerardo Frisina. „Notebook“ (Schema) ist „A Journey in Sound“ untertitelt – es sind Remixe bekannter Tunes von Altvorderen wie Dizzy Gillespie („Swing Low, Sweet Cadillac“) oder Sun Ra sowie Jüngeren wie Toco oder Frisina selbst, teils unveröffentlicht, teils 12″-B-Seiten, durchwegs mit zusätzlichen Musikern angereichert. Im Prinzip kein Freund solcher „Unternehmungen“, muss ich gestehen, dass Frisina seine Sache wirklich gut macht und aus der Masse der Remix-Wuzzis deutlich herausragt.

Hans Grausgruber