Looking For The Perfect Beat
Mit weit mehr als hundert Konzerten auf dem Buckel hat die mittlerweile achtköpfige Crew schon einige Kilometer hinter sich gebracht. Bis nach Russland hat es sie verschlagen. Dabei mischt die Chiemgauer HipHop-Formation Funk-, Ska- und Reggae-Elemente mit äußerst partytauglichen, aber auch sozialkritischen Texten. Die beiden MCs Beenz und Touze über Freestyle-Anfänge im Kinderzimmer, Mundart-Rap und die Schwierigkeiten von politischem HipHop.
Fotos: Niko Havranek
Interview: mikae
The Message: Warum ist Mundart-Rap in Österreich oder Bayern in den letzten Jahren wieder so im Aufschwung?
Beenz: Gerade im HipHop wird viel ausprobiert und mit allen möglichen Musikrichtungen experimentiert. Mittlerweile gibt es aber wenig Neues. Es werden Sachen, die schon bestehen, kopiert oder neu zusammengewürfelt. Bis vor ein paar Jahren war Mundart-Rap für die breite Masse noch neu. Man hat es ausprobiert und es hat funktioniert. Auf einmal gab es einen Hype. Nicht nur im Rap.
Touze: Der Hauptpunkt ist, dass Dialekt sich einfach anbietet zum Rappen. Man kennt es schon von den Gstanzl–Sängern – und es ist nicht so ausgelutscht.
Stefan Dettl von LaBrassBanda sagte einmal in einem Interview, dass es leichter wäre, im Dialekt zu singen. Es gehe ihm auch weniger um den Text, sondern darum, dass die Stimme als zusätzliches Instrument genutzt werden sollte.
Beenz: Das ist im Bayerischen sicher einfacher als im Hochdeutschen. Es ist melodiöser, besteht aus sehr vielen Vokalen und klingt im Gegensatz zum Hochdeutschen nicht so abgehackt und hart. Aber gerade im Rap ist das nicht wirklich Sinn der Sache. Vor allem geht es dort um die Message und um den Inhalt der Texte. Obwohl andere Aspekte, wie etwa die Klangfarbe, mindestens genauso wichtig sind.
Wie kam es denn eigentlich zur Freundschaft mit LaBrassBanda?
Touze: Das hat schon angefangen, als wir noch zu dritt waren. Sie haben uns als Support Act eingeladen. Was sich dann öfters wiederholt hat, aber meist auf die Show begrenzt war. Man trifft sich, schnackt und quatscht. Wirklich in Kontakt kamen wir erst durch die Live-Band. Als man sich auch privat öfter gesehen hat und der „Weiss-Blaue(r)“ spruchreif geworden ist, war es klar, dass wir das mit ihm machen müssen. Das war der Grundstein. Seitdem sind wir alle gute Homies.
Über das Goethe-Institut kamt ihr, wie auch schon vor euch LaBrassBanda, zu einer Russland-Tournee. Mit The Makemakes seid ihr ebenfalls im Kontakt. Beide haben euch etwas voraus – es scheint der Weg zum Eurovision Song Contest ist für euch geradezu vorbestimmt.
Touze: Das ist alles mehr Industrie als wirkliche Musik. Produzenten, die dahintersitzen und die Lieder teils selbst geschrieben haben. Für uns geht es darum, was man hier im Club mitbekommt – um die Mucke, um den Spaß, um das Live-Ding. Es gibt viele Bands, die auf der Bühne stehen und im Hintergrund ihre 20 Spuren abfeuern. Sogar mit Back-up für ihre Vocals! Das hat nichts mehr mit einem „Live-Feeling“ zu tun. Man steht oben und verkauft sein Gesicht für etwas.
Beenz: Man hat ja gesehen, wie es damals gelaufen ist mit dem Voting bei den Bandas.
Touze. Was ich vom Dettl super fand, dass er gesagt hat: Wenn wir spielen, dann nur live. Was für mich auch nur so infrage kommen würde.
Würdet Ihr also teilnehmen?
Beenz: Nein, ich für meinen Teil nicht.
Touze: Die fragen uns sicher nicht.
Im Laufe der Jahre habt ihr immer wieder viel an eurem Sound und an eurer Konstellation verändert. Die einzige wirkliche Konstanten in eurem über 10-jährigen Musikschaffen ist der Freestyle.
Touze: Das ist das Erste was wir gemacht haben. Bevor wir Texte geschrieben haben, haben wir gefreestylt. Auf irgendwelchen Beats, die uns gefallen haben. Im Kinderzimmer vor das Mic gestellt und gefreestylt (lacht). So beginnt es bei uns auch meistens immer noch, wenn wir ein Lied machen. Die meistens Songs gründen auf einem Freestyle. Deswegen ist das etwas, was für uns unbedingt mit dazugehört.
Beenz: Freestyle gehört zum HipHop. Zwar waren wir beide nie Battle-Rapper, was eigentlich die klassische Form des Freestyles ist. Wir machen es für die Party! Vor allem, wenn du mit Band auf der Bühne stehst. Jeder kickt ein Solo auf seinem Instrument – und das Solo des MC ist eben der Freestyle. In dem Moment kannst du zeigen, was du draufhast.
Und machst das Konzert einzigartig.
Beenz: Vielleicht. Aber das ist natürlich situationsbedingt – mal bist du besser, mal schlechter. Trotzdem ist es immer wieder cool, weil du dich selbst überraschen kannst mit dem, was du gerade kickst. Oder die Leute flashst, indem du sie miteinbeziehst. Was wie hier im Club gut funktioniert. Der Kontakt ist viel näher als auf einer Festivalbühne, wo die Leute teils zehn Meter weiter weg stehen.
Österreich und Bayern. Das ist meist eine Hassliebe. Wo seht ihr die Unterschiede oder überwiegen die Gemeinsamkeiten?
Touze: Vielleicht sind wir gleich blöd? Nein, unser Keyboarder, Schlagzeuger und Gitarrist kommen aus Österreich. Man merkt es hier und da an einem kleinen Slang, den sie rausballern. Wie bei uns, wenn wir Bayerisch reden. Aber die Grenzen im Allgemeinen sind für mich nicht mehr aussagekräftig.
Beenz: Das ist ja auch die Message von Weiß Blauer. Wenn es dir taugt, wo du lebst – in diesem Fall eben Bayern – ist das deine Heimat. Wir sind dort aufgewachsen, aber jeder kann sich dort heimisch fühlen. Egal, wo er herkommt.
Ein Hinweis auf die Flüchtlingsdebatte?
Beenz: Wir kommen aus einer Ecke, wo es in letzter Zeit ziemlich abging. Man hat das in der Bevölkerung gemerkt. Es wurde immer stärker zum Thema. Plötzlich war ein riesiges Polizeiaufgebot bei uns in der Grenzregion. Ich hatte das Gefühl, als wäre plötzlich die ganze Bundespolizei Deutschlands bei uns. Die Menschen haben viel selbst in die Hand genommen. Daran merkt man, dass die Flüchtlinge grundsätzlich sehr willkommen geheißen werden. Aber es gab auch die negativen Seiten. Am Nebentisch im Wirtshaus, irgendwelche Schmierereien an den Wänden. Ziemlich bedenklich, was allgemein in Deutschland schon wieder abgeht – in Österreich wird das nicht anders sein.
Touze: Die Menschen fühlen sich alleine gelassen, haben Angst vor dem, was da passiert – sie meinen, man nimmt ihnen etwas weg. Sie haben Angst vor Dingen, die sie sich selbst einreden. In München oder Rosenheim – wer kennt denn heutzutage noch seine Nachbarn. Da müssen die meisten erst einmal auf die Klingel schauen. Da gibt es von einigen Leuten eine Stimmungsmache, um diese Angst zu schüren und um damit Parteiprogramm zu machen.
Beenz: Das „Woher kommst du?“ kann man sich sparen. Wir leben in einer bunten Welt. Egal, ob das Bayern oder Österreich ist. Aber die Wahl in Wien – über 30 Prozent für die FPÖ – das ist krass. Da bin ich gespannt, wie das in Bayern aussehen wird.
In eurem Track „Revolution Ich“ heißt es: „Ich sehe Menschen flüchten wie in der DDR, weltweit Milliarden, die ihrer Heimat den Rücken kehrn“. Habt ihr in Zukunft vor, mehr politischen Rap zu machen?
Touze: Als wir den geschrieben haben, war von all dem noch fast nichts in den Medien. Jetzt passt er leider perfekt.
Beenz: Wir sind definitiv keine politische Band und wollen den Fokus auch nicht auf sozialkritische Texte legen. Aber es ist wichtig, dass es so etwas gibt. In den letzten Jahren ist das extrem zu kurz gekommen. Ich finde es super, wenn das Leute machen und es auf den Punkt bringen können. Da gibt es nicht viele, die das in meinen Augen wirklich gut beherrschen. Dass auch zwischen den Zeilen etwas mitschwingt und dich selbst zum Denken anregt.
Touze: Keno mit “Paradajz Lost“ zum Beispiel. Was vielleicht nicht unbedingt politisch, aber sehr sozialkritisch ist. Es ist wichtig, dass man die Meinung, die man hat auch hinausträgt und den Leuten etwas mit auf den Weg geben kann. Zu Anfangszeiten war HipHop, wie auch Punk, sehr politisch – was mit der Zeit zu Gangster-Rap oder Party-Rap mutiert ist. Und ich finde es super, wenn es Rapper gibt, die das können.
Seit #logoamstart ist schon wieder über ein Jahr vergangen. Gibt es konkrete Pläne für ein weiteres Album?
Beenz: Wir sind gerade noch in der Entwicklungsphase für den Sound. Das letzte Album #logoamstart war das erste mit Band. Ein Experiment, wo auch noch so manches schiefgelaufen ist. Im Nachhinein haben wir gemerkt, dass wir noch einige Dinge ändern müssen, damit alles so klappt, wie wir uns das vorstellen. Da sind wir gerade in der Findungsphase. Erstens soundtechnisch, aber auch textlich. Endlich wieder Studioarbeit. In den nächsten Wochen und Monaten wird sich da so einiges herauskristallisieren. Dann können wir die Scheibe 2016 auch hoffentlich droppen.
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