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Naomi Shelton And The Gospel Queens – What Have You Done, My Brother?

Naomi Shelton And The Gospel Queens – What Have You Done, My Brother?

Naomi Shelton wurde in Alabama geboren und lernte, wenn das kolportierte Klischee tatsächlich stimmt, in der Kirche singen. In ihrem späteren Leben wurde sie das Darling einer verschworenen Soul-Community, die ihre wenigen raren Singles exklusiv handelte. Soweit, so gut. Mit „What Have You Done, My Brother?“ dürfte nun spät, aber doch eine internatioanle Karriere beginnen. Denn das Debüt erschien nicht nur auf dem Daptone-Label unter Mitwirkung von zwei Dap-Kings, es ist auch ein herausragendes Retro-Album geworden. Der Sound ist massiver R&B und so authentisch gespielt, dass man glauben könnte, die Songs wären vor vierzig und noch mehr Jahren eingespielt worden (was auch die Covergestaltung unterstreicht). Nicht ganz zufällig lobten einige Rezensenten die kräftigen Horns der Produktion, die es aber gar nicht gibt. Man vermeint sie tatsächlich zu hören. Die Band featured bluesig rockende Gitarren, rollendes Piano, groovende Orgel, stoischen Bass und sparsame Drums – und nicht zuletzt drei erhebende Backharmony-Sängerinnen. Die Texte, siehe den Albumtitel, sind purer Gospel, ausnahmslos, von Naomi Shelton mit einer außergewöhnlich kräftigen kehligen Stimme, die gelegentlich recht maskulin klingt, vorgetragen. Erstaunlich, wie diese spezielle Verquickung von Gospel und weltlicher Musik noch immer funktioniert. Ein Trip durch die Historie des R&B, der mit einigen feinen Coverversionen noch zusätzlich an Intensität gewinnt. Schöne Platte.

Hans Grausgruber