#kulturlandretten, so lautet die Reaktion auf die ersten kulturpolitischen Schritte der Türkis/Schwarz-Blauen-Regierung. Wie das kulturelle Erbe im Bund künftig aussehen könnte, zeigt das Land Oberösterreich unter ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer. Eigentlich kein schlechtes Ziel, das der dortige Budget-Plan 2018 vorsieht: Die bisherigen Schulden des Bundeslandes nach und nach abbauen, infolge dessen sollen Ausgaben die Einnahmen nicht mehr überschreiten. Aber wer „tun (will), was richtig ist“ und den „Fleißigen“ ja prinzipiell nichts nehmen will, gibt dafür einfach weniger her. (Fast) überall ein großes Bisschen einsparen, RTL-Schuldenberater Peter Zwegat Stolz machen und am Whiteboard ganz unten doppelt unterstreichen. Fertig. Passt. Die Lösung kann so einfach sein. Und gerecht. Wären diese Kurzungen nur gleichmäßig verteilt. Aber sie betreffen hauptsächlich den Sozial-, Bildungs- und vor allem den Kulturbereich des Landes. Die Kulturplattform OÖ versucht daher, seit dem Bekanntwerden dieser Pläne entgegenzuwirken. Mit der Initiative „Rettet das Kulturland #kulturlandretten“ will man die Landesregierung bis zum 5. Dezember zum Umdenken bringen. Dann wird das Budget für das kommende Jahr endgültig fixiert.
Auch fordert die Initiative die weitere Umsetzung des 2009 beschlossenen Kulturleitbild Oberösterreich. Viele der darin enthaltenen Maßnahmen zur Förderung freier Initiativen, regionaler Kulturzentren, Frauenförderung und Medien seien bisher unzureichend realisiert worden. Beziehungsweise „bislang nur dort erfüllt, wo die eigenen Einrichtungen profitieren“. Unterstützung erhält die Kampagne von Kunstschaffenden verschiedenster Sparten. Unter anderem mit dabei sind TEXTA. „Es bleibt fucking politisch“, so erzählen Flip und Laima in einem kurzen Spot von ihrem Weg in die Musik. Die ersten Gehversuche der Band waren im Linzer Kulturzentrum KAPU. „Ohne KAPU würde es TEXTA nicht geben“, nicht nur für Flip ist die Bedeutung solcher Kulturstätten deswegen enorm. Ihr Video ist eines von fünf Clips, die in den Programmkinos des Landes ausgestrahlt werden. Die restlichen stammen vom Kabarettisten Josef Hader, der Schriftstellerin und Initiatorin der ersten Lesebühne OÖ „Original Linzer Worte„, Dominika Meindl, dem Karikaturisten Gerhard „HADES“ Haderer und der Tänzerin und Choreografin Silke „SILK“ Grabinger. Ihrer aller Karrieren begannen in Oberösterreich.
Kulturnation neu beleben?
Heuer standen dem Kulturbudget Oberösterreichs 194 Millionen Euro zur Verfügung, wovon 177 Millionen in öffentliche Einrichtungen flossen (beispielsweise in das Schlossmuseum, die Landesbibliothek oder das Musikschulwerk). Die restlichen 17 Millionen teilen sich sämtliche privaten Vereine, Gemeinden und Einzelpersonen. Nun wolle man den Kulturbereich um ca. 10% kürzen. Die gute Nachricht: Ganz so viel wurden es nicht. Im öffentlichen Bereich werden bloß 0,9% gekürzt (= 175 Millionen Euro). Aber jetzt wird klar, wer im Budgetplan wirklich einbüßt: Die vielen, die weniger haben. Bei den Privaten kürzt, pardon „spart“, die Regierung salopp 30% und so werden aus 17 Millionen schnell nur noch 11,8 Millionen Euro. Davon betroffen sind bildende und darstellende Kunst, Kunstpflege, die Volkskultur, die Blasmusik, Film, Musik und Literatur. Etliche Konzertveranstalter sehen sich dahingehend konfrontiert, die Programmvielfalt zu reduzieren und Ticketpreise zu erhöhen – oder es droht die Schließung. Während tote Künstler quasi weiterhin verdienen, wird die Situation der lebenden noch prekärer. Und die der momentanen Arbeitslätze ungewisser. Die konkreten Kürzungen innerhalb dieser zwei Blöcke erklärt Thomas Diesenreiter, Geschäftsführer Kupf, in einem Facebook-Video. „Wir wollen keine neuen Schulden machen“, begründet Stelzer die Entscheidungen. Ohnehin handle es sich momentan um eine Phase, in der die Wirtschaft im Aufschwung sei, deshalb „ist das auch vertretbar, dass sich die öffentliche Hand einmal ein kleines Stück zurücknimmt.“
Der vorläufige Budgetentwurf umrahmt ein altes Relikt aus der Finanz-Ära Karl-Heinz Grassers: das Nulldefizit. Unter diesem Begriff verbarg sich der Versuch, die jahrelange „Schuldenpolitik“ in die Vergangenheit zu verlagern. Was KHG auch gelungen ist – für ein Jahr. So schuf er neben höheren Steuern immerhin das Wort des Jahres 2001. Die Presse bewertete später alles als „PR-Gag“. Die neue Regierung, gehüllt in neuen Farben und ganz viel „Es ist Zeit“-Mantra, hat sich auch fürs Nulldefizit etwas Neues überlegt. Das „neue Sparen“. Was soviel bedeutet wie: An jenen Stellen, bei denen ohnehin schon zu wenig Geld vorhanden ist, noch strenger den Sparstift anzusetzen. Solche Kürzungen sind nichts mehr als reine politische Gewichtung. Eine bewusste Entscheidung, wo gespart wird. Über mehr Budget freuen sich dafür Wirtschaft, Wissenschaftsförderung und der Sicherheitsbereich. Letzteres ist vor allem der FPÖ ein großes Anliegen.
Jedoch ist die Kultur ein wichtiger Faktor für eben jene Bereiche. „Die aktuelle Kultur-Politik wird sich mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht nur gesellschaftlich und wirtschaftlich negativ auswirken“, vermutet Silja Kempinger gegenüber The Message. Die Linzerin ist stellvertretende Sprecherin der Medienfrauen im Oö. Presseclub und Pressesprecherin von #OhneUnsVielSpaß, eine Initiative für Chancen- und Geschlechtergleichheit. Auch widerspreche sie dem oberösterreichischen Kulturleitbild, „das eine offene Weiterentwicklung des Kulturlandes Oberösterreich unter dem Schlagwort ‚Zukunftsland OÖ‘ vorsieht“. Zusätzlich zu den Kürzungen sind auch Studiengebühren an FHs (freie Bildung?!) und eine kostenpflichtige Nachmittagsbetreuung an Schulen und Kindergärten vorgesehen. Diese soll sich monatlich auf 70 – 90 Euro pro Kind belaufen. Nicht tragisch? Und doch ist eine Tagesbetreuung Grundvoraussetzung für berufstätige Eltern. Das ist also der neue Budget-Plan, ein Robin Hood der ohnehin Begünstigten.
Am Montag 4.Dezember findet am Linzer Martin-Luther-Platz eine Demo gegen die Kürzungen statt.
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