OSTR, alias Adam Ostrowski, polnischer Vorzeige- Rapper und Produzent gab für das Message im Februar 2009 ein Exklusivinterview. Zur einleitenden Orientierung: Rappt seit 1993. 2001 Debütalbum. 2009 Releasejubiläum: 10. Solo- LP (Features u.a.: Evidence, Keith Murray, Kaze). Anhänger der Trueschool und mit dem Flow Virus infiziert…
Und sonst? Stark am New Yorker Hip Hop Mitte der 1990er Jahre orientiert. Großer Soul-, Funk-, Jazz-, und Vinyl-Liebhaber, MPC- Fanatic. Absolvent der Musikakademie in seiner Heimatstadt Łódź (Spezialisierung: Musiktherapie und Geige). Sohn einer außerordentlichen Universitätsprofessorin und eines international anerkannten Germanisten. Aufgrund der polnischen Tristesse der 80er und 90er Jahre wuchs er dennoch in bescheidenen Verhältnissen einer Plattenbausiedlung im tristen Łódź auf. Seine Texte variieren zwischen gesellschaftlicher Sozialkritik, zunächst schwer zu durchschauenden Metaphern, und der Propagierung des Milchtrinkens. Trotzdem, oder gerade deswegen, hat OSTR in Polen auch kommerziellen Erfolg. Seine letzten drei LP´s erreichten alle Gold (für mehr als 15.000 Tonträger; Zitat OSTR: „Wie die Auszeichnung zum Mitarbeiter des Monats“). War 2008 zwei Wochen lang Nummer Eins in den polnischen Albencharts, 2009 stieg er als Nummer Zwei ein. Obwohl er ein sehr gespaltenes Verhältnis zu den polnischen Medien hat (lehnt Großteil der Anfragen ab) und wohl einer der vehementesten Kritiker des polnischen Showbusiness ist, kann er von seiner Musik leben. Bisher knapp 400 Konzerte (seit drei Jahren mit Liveband:) mit sehr gemischtem Publikum. Galt lange Zeit als Polens bester Freestyler.- unter anderem Sieger des Hip Hop Kemp Freestyle Contests 2004. Hacken? Es gibt keinen…
TM: Wir wollen die Geschichte und aktuelle Situation von Hip Hop in Polen vorstellen. Das vor dem Hintergrund der Situation in Österreich. In Österreich ist es nämlich so, dass verhältnismäßig viel Gutes rauskommt, alle vier Elemente lebendig sind, es aber sehr wenige Fans von österreichischem Hip Hop gibt. Auch das mediale Interesse an österreichischem Hip Hop war schon immer sehr klein….ganz anders als in Polen… Eure Musikkultur hat ja auch ein viel höheres Niveau. Polen hat nur Chopin. Ihr hingegen Strauss, Mozart, Beethoven. In einem Land, dass so starke Wurzeln in der klassischen Musik hat, kann man nicht erwarten, dass es sich auf einmal von diesen Wurzeln total losreißt. Die Kompositionen sind im Blut der Österreicher, kommt mir vor. Ich sage nicht, dass das unbedingt nur positiv sein muss. Österreich habe ich auch immer mit dem Elitären verbunden. Und wenn man nach Österreich fährt, merkt man das auch. Ihr habt den besten Wein, Wien ist wunderschön, aber das ist überhaupt nicht die Hip Hop Welt.
Dennoch gibt es auch hier sehr gute Platten und Artisten, eine lebendige Graffitikultur… Ja, aber ich meine Wien zum Beispiel als Stadt…In Łódź sieht du mitten im Zentrum zerkratzte Häuserfassaden etc. In Wien hast du so was nicht, dass ganze Altbauten halb zusammengestürzt sind und jahrelang in dem Zustand bleiben, weil sich einfach niemand darum kümmert.
Meiner Meinung nach hat der Großteil der Österreicher überhaupt kein Musikverständnis. Zum Beispiel eure Oper, die hat ja weiterhin großen Einfluss auf euch, oder? Für mich war das jedenfalls ein unglaubliches Erlebnis, als ich 1990, da war ich gerade zehn, mit meinen Eltern für ein paar Tage in Wien war und eure Oper besucht habe. Aber nicht nur Wien ist in Österreich eine Reise wert. Ich würde jeder Zeit wieder kommen. (lacht)
Aber dort täglich zu leben- mit der Konservativität… Ist auf Dauer sicher auch nicht das Wahre. Die Konservativität bewirkt wahrscheinlich auch die geringere Popularität der Subkulturen in Österreich. Da habt ihr es schwer. Wie gesagt, das ist nicht die Hip Hop Welt. Sondern die Welt der Bildung, des Intellekts, der Hochkultur.
Im Vergleich dazu ist Polen und deine Stadt Łódź mehr die Hip Hop Welt?
Ja da gibt es viele Gründe dafür. Wenn die Geschichte anders verlaufen wäre und wenn der zweite Weltkrieg nicht gewesen wäre, wäre zum Beispiel Warschau mit Sicherheit eine der schönsten Städte Europas. Wer weiß, ob dann Hip Hop und Rap hier überhaupt so populär geworden wären. Dennoch gibt es auch ein paar polnische Städte auf europäischem Niveau. Łódź gehört da definitiv nicht dazu.
Hat sich die polnische Musikszene seitdem du aktiv mit Rap begonnen hast nach vorne entwickelt? Wenn es um Musik geht, dann glaube ich, dass die Grenzen zwischen Polen und den anderen Ländern schon längst verschwommen sind. Da gibt es nur noch die Sprachbarriere. Der Rest der Welt verpasst deswegen vieles. Die Sprachbarriere funktioniert aber in beide Richtungen. Auf der einen Seite ist es eine Barriere, dass wir eine Sprache verwenden, die eben nur die 40 bis 50 Millionen Polen sprechen. Das bewirkt andererseits aber auch, dass wir einen ganze Menge an Fans haben, die sich ausschließlich für polnischem Hip Hop interessieren und damit aufgewachsen sind. Die interessiert kein Hip Hop, den sie nicht verstehen. Sie verstehen Hip Hop nicht als Kultur. Sie interessiert konkreter, textlicher Inhalt und nicht die ganze Kultur und ihre Geschichte. Sie wissen nicht einmal was ihnen alles entgeht und sie würden es auch sicher bereuen. Eines unserer Hauptprobleme hier sind genauso die sinkenden Verkaufszahlen aufgrund von illegalen Downloads. Letztens habe ich ein Booklet von einer Re-Re-Re Edition eines frühen Ice Cubes Albums gelesen und da ist die beste Metapher für das alles was gerade passiert, drinnen: Da stand, dass damals, also Anfang der Neunziger, folgende Erwartungshaltung galt: nach drei Tagen Gold, nach einer Woche Platin, in einem Monat Multiplatin. In Polen und nicht nur hier sieht die Rechnung nach einer Woche so aus: tausend verkaufte Alben, eine Million illegaler Downloads.
Übertreibst du da nicht ein wenig? Kennst du sonst irgendeinen vernünftigen Grund dafür, dass EPMD, Termanology oder Sean Price, jetzt so wenig verkaufen? Wenn zum Beispiel Sean Price seine jetzigen Sachen in den Neunzigern rausgebracht hätte, hätte er sicher Platin. Jetzt ist die Situation leider auch so, dass der Musiker vor allem sich selber, sein Gesicht verkauft, nicht mehr seine Musik. Andererseits freue ich mich, dass sich EPMD reaktiviert haben, dass DJ Premier die ganze Zeit etwas macht… Es läuft also nicht alles schief. Beatbox ist zum Beispiel international auf seinem hohen Niveau, wie noch nie. Aber heute ist Hip Hop Politik. Der disst den, weil es ihm so und so viel Gewinn bringt. Es wird kalkuliert und nicht aus dem Herzen heraus gerappt.
In einer deiner Nummern meinst du „dass, wenn du so wie ich glaubst dass diese Kultur untergegangen ist“….denkst du wirklich, dass die Hip Hop Kultur untergegangen ist? Es ist nicht so, dass die Hip Hop Kultur bereits ihren Endpunkt erreicht hätte. Sie ist aber in den Köpfen der Rapper untergegangen. Bei den Fans wird die Kultur immer weiter leben. Wenn aber einer der heutigen Rapper die vier Elemente aufzählen müsste, dann wären das eine Pistole, Gefängnisschellen…eine Million Euro und noch ein Escalade. Gut wir sind in Europa, also ein Bentley Rover. (lacht) Aber selbst wenn sie Hip Hop mit den Nutten und dem Geld umbringen, werden sie nie das Gefühl, das Hip Hop in uns entfacht hat, töten können!
Wie schätzt zu das derzeitige Standing der polnische Hiphop Szene ein? Existiert deiner Meinung nach so was wie eine polnische Hip Hop Szene? Bei uns passt auch vieles nicht, aber alle amerikanischen Rapper, die in letzter Zeit hier waren, haben gemeint, dass Tschechien und Polen die Hip Hop Hauptstädte Europas sind. Hier ist tatsächlich nach wie vor am meisten los. Es werden viele Platten rausgebracht, viele Leute kommen auf die Konzerte. Das Hip Hop Kemp bringt jedes Jahr 30.000 Heads zusammen, die darauf auch unglaublich reagieren. Vielleicht hat das auch mit unserem slawischen Temperament zu tun. Wenn man auf einem Hip Hop Konzert in Polen, USA, Frankreich, oder Holland ist, sieht man diese Unterschiede im Temperament. Ich war zum Beispiel in Holland auf einem Konzert, da waren die Leute bei den Anfängen der Nummern ganz enthusiastisch, während sie beim Rest nur zugehört haben. In Polen hingegen, schreien sehr viele von Anfang bis zum Ende alle deine Texte mit. Das könnte man mit der Euphorie in den Staaten in den 80ern und den frühen 90ern vergleichen. In Polen hast du, wenn du Hip Hop hörst und machst, nach wie vor dieses Gefühl der Außergewöhnlichkeit. Das hat immer noch diese Auflehnung in sich. Weltweit ist Hip Hop nicht mehr Auflehnung, sondern Business.
Aber auch in Polen gibt es doch Leute, die sich offensichtlich bemühen daraus Business zu machen. Ja, aber das ist eher ihr persönliches Ding. Polen war aber noch nie ein Land, das Leute geschätzt hätte, die mit ihrem Geld angeben. Wenn in Österreich das Durchschnittsgehalt um die 1500 Euro nett beträgt…Wenn man das in dem Moment ins Polnische umrechnet dann ist das echt viel Geld. In Polen kannst du damit locker zwei, drei Monate durchkommen. Die meisten Sachen sind aber hier nicht einmal um die Hälfte billiger als bei euch. Gar nicht zu reden von den fehlenden Sozialleistungen. In dem Moment, wo wir de facto ein Teil Europas sind, ist das für uns erniedrigend. Die Polen fühlen sich nicht wertgeschätzt. Und das im eigenen Land! Die Leute, die hier Geld haben, das sind vielleicht fünf, sechs Prozent. Die Mittelschicht sind noch einmal zehn Prozent und dann kommt der große Rest.
In Österreich ist es fast unvorstellbar nur vom Hip Hop leben zu können…. Aber hier doch genauso! Es gibt zwar paar Leute, aber das sind absolute Ausnahmen! Leben von Hip Hop heißt für mich auch, dass man nur Platten macht und Konzerte gibt. Wenn du aber zum Fernsehen gehst, oder in Werbungen für irgendwas involviert bist, dann ist das kein Hip Hop mehr. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es diese Linie gibt. Wenn du sie überschreitest bist du Pop.
Das Paradoxe an der ganzen Sache ist ja, dass du auch auf deinen Platten vehement diese Popwelt kritisierst, gleichzeitig aber in gewisser Weise ein Teil von ihr bist. In den Albencharts warst du ja letztes Jahr zum Beispiel zwei Wochen lang Nummer Eins. Ja, aber nur deswegen, weil damals kaum neue Alben rausgekommen sind Rückblickend auf das ganze Jahr wäre ich nicht Nummer 1, sondern 50., oder 60. Das war damals eher Zufall.
Aber es war und ist auch so, dass hier praktisch alle Jugendlichen über dich und deine Musik geredet haben. Aber ich war nirgends. Ich bin nicht zu den Medien gegangen. Ich habe meine Musik und mich selbst nicht als Produkt verkauft. Als die erste WU Tang rausgekommen ist, hat es mich auch einen Scheißdreck interessiert, was die in Interviews fürs Fernsehen geredet haben, sondern einfach nur ihre Musik. Einen echten Head interessiert eben nur, ob du Skills hast, oder nicht! Ich bin mir dessen bewusst, dass ich mit der Zahl meiner verkauften Platten, in quasi allen Medien des Landes sein könnte. Ich will aber, dass ich nur durch meine Musik Interesse schaffe. Es gibt einen essentiellen Unterschied zwischen jemandem, der ein Musiker ist und jemandem der nur ein Produkt ist. Wenn jemand ein Produkt ist, unterschreibt er dementsprechende Verträge. Wenn eine Firma gerne eine Werbung mit ihm für Knoblauchbutter haben möchte, würde er das machen. Und sein Gesicht wäre dann in jedem Kühlschrank, in jedem Supermarkt. Das kann dann später dazu führen, dass man zu jedem Joghurt eine Platte geschenkt bekommt.
Hattest du selbst irgendwann solche Werbe-Angebote? Ja. Ich habe aber Tytus, meinem Manager und Herausgeber, aber im Vorhinein gesagt, dass er mir diese Angebote erst gar nicht weiterleiten soll. Sondern, sondern dass er diesen Leuten gleich von mir ausrichten kann, dass sie zur Hölle fahren sollen! Wenn zum Beispiel so ein Wojewódzki (Anm: Moderator mit eigener Fernsehshow, pro Sendung sind zwei bis drei Stars zu Gast, bis zu vier Millionen Zuseher) anruft….Er kann mir das Geld der ganzen Welt geben, und ich werde nicht in seine Sendung kommen. Weil das für mich einfach kein Gesprächspartner ist. Aber reden wir nicht über den, sonst machen wir am Ende noch für ihn Werbung. (lacht) Oder so Situationen, dass jemand vom öffentlichrechtlichen Fernsehen anruft und sagt: „Wir haben gehört sie sind morgen in Warschau, kommen Sie bitte um 16 Uhr für ein Interview in unsere Zentrale.“ Ja sind die denn verrückt geworden?! Dann erklären wir ihnen, dass sie sich ein Monat im Vorhinein melden sollen, um zu fragen, ob ich überhaupt bereit bin mit ihnen zu sprechen. Aber so braucht mir keiner kommen. Mein Prinzip war von Anfang an: Dort wo die Popstars sind, bin nicht ich. Man muss auch zwischen der Popkultur im Ausland und bei uns in Polen unterscheiden. Die im Ausland haben ein viel höheres Niveau. Justice aus Frankreich zum Beispiel, die sind unerreichbar. Bei uns in Polen gibt es diese Manie des Kopierens des schlechtesten Pops. Wenn sich in den USA ein Popstar die Brüste mit den Oberschenkeln mit Piercings verbinden würde, bin ich mir sicher, dass eine von unsere gehirnamputierten Celebrity das Selbe machen würde. Das Beste ist ja, dass so ein polnisches Popsternchen hier eine Zeit lang überall ist: im Fernsehen, Radio, in allen Nachrichten… Und trotzdem verkauft dieses Sternchen weniger Platten als du. In dem Moment fragst du dich: Um was zum Teufel geht es da eigentlich? Bei uns gibt es von diesen Popsternchen ganze Haufen. Dennoch wird dir bis heute jeder sagen, dass einer der größten der polnischen Musikgeschichte Kazik (Anm.: polnische Punklegende; vermutlich der erste Musiker, der auf polnisch gerappt hat) ist, und nicht irgendeine polnische Britney Spears. Bis heute wirst du sehen, dass Kazik in fast keinen Medien präsent ist, trotzdem kennt jeder seine Lieder.
Das ist aber glaube ich auch spezifisch für Polen, weil in anderen Ländern…. Ja weil in Polen die Medien den ärgsten Scheiß promoten.
In Österreich ist es zum Beispiel auch so, dass die Medien den ärgsten Scheiß promoten. Nur, dass sich diese Sachen dann auch tatsächlich am Besten verkaufen… Vielleicht weil ihr in Österreich soviel von dieser guten Musik gehabt habt, dass ihr jetzt etwas ausruhen wollt….Für mich ist das ein Schock was du da sagst. Ich habe Österreich immer mit dem Walzer und so einer Schönheit voller Grazie assoziiert. So jetzt frage ich dich jetzt einmal was: lebt die österreichische Hip Hop Szene auch dem nach was die meisten in den Staaten vormachen? Also dieser Geldkult und Bling Bling?
Ja es gibt paar so Leute, die als Rapper durchaus ernst zunehmen sind und sich äußerlich und sprachlich sehr stark an den Staaten orientieren. Die sind aber eindeutig die Ausnahme. Der größte Trend in Österreich geht momentan in Richtung Dialektrap. Das hängt auch damit zusammen, dass in Österreich die regionalen Dialekte viel stärker ausgeprägt sind, als in Polen…. Das ist sicher cool. Aber gibt es auch viele Leute, die sich an die Trueschool halten, und wissen wo die Hip Hop Kultur ihr Wurzeln hat? Digger, die Vinyl sammeln, etc.?
Proportional gibt es srelativ viele davon. Das sind aber trotzdem nicht mehr als maximal zwei, dreihundert Heads im ganzen Land. Es ist auch so, dass im Vergleich zu Polen, irgendwie jeder aktiv etwas macht. Es gibt kaum Leute, die nur Fans und Sammler sind, die da mit großen Emotionen jemanden supporten würden. So wie du vorher erzählt hast, dass in Polen die Leute so stark bei Konzerten abgehen. Das gibt es in Österreich fast nicht. Es ist eine große Distanz da…. Das war hier in Łódź in den Anfängen auf den Konzerten auch so. Also Mitte der Neunziger, 95, 96. Am Anfang sind da auch nur die gekommen, die auch selber gerappt haben. Jeder der rappt, hält sich gleich für einen MC. Geht zwar auf Konzerte, aber denkt sich dabei immer „Ich würde das besser machen“.
Auf deinen letzten beiden Alben hast du sehr prominente Gäste aus den Staaten, einige der Hooks sind auf englisch, die Booklets sind auch zweisprachig…Hast du Ambitionen über den lokalen Markt hinauszugehen und auch dort erfolgreich zu sein? Nein, in den Staaten gilt nämlich „money talks“. Wenn du in den USA produzieren willst, und du hast 10.000 Dollar, wirst du dort ein bekannter Produzent. Ich will aber in kleinen Schritten das Vertrauen der Leute aufbauen. Damit die Heads dort auch erfahren, dass Polen überhaupt auf der Hip Hop Landkarte ist. Das funktioniert in beide Richtungen: Popularisierung der amerikanischen Trueschool in Polen und andererseits der polnischen in Amerika. Viel mehr als das Geld interessiert mich, dass die Leute in den Staaten hören, dass es so was wie polnischen Hip Hop überhaupt gibt. Dass der auch sehr dope sein kann und seinen Flow hat. Das ist das Schöne am Hip Hop. Es gibt ihn in jedem Land und in jedem Land ist er bisschen verschieden. Es geht einfach darum den Leuten zu zeigen, dass Hip Hop eine internationale Kultur ist, die aber gleichzeitig verschiedene ethnische Kulturen in sich vereint. Da ist kein Platz für Rassismus. Hip Hop ist eine wunderbare Kultur, in der es gewisse nationale Unterschiede gibt, wo man aber in Summe von den gleichen Dingen spricht. Hip Hop hat auch immer so etwas wie lokalen Patriotismus propagiert. Da geht es für mich weniger um Rivalität, als um das einfache Representen. Jeder sollte auf seine Nationalität stolz sein. Ich bin stolz aus Polen, einem Land der dritten Welt, zu sein! (lacht)
Was für ein Verhältnis hast du zum Internet? In Polen haben im Moment um die 40% der Haushalte Internet. Wenn es darum geht sind wir nicht wirklich entwickelt…Wenn es um Hip Hop geht sind das vielleicht 1000, 2000 Leute, die in Foren schreiben und sich dort gegenseitig schimpfen. Dort schreiben größtenteils 15-jährige und dementsprechend ist auch das Niveau. Wenn es darum geht, ist es echt nicht gut bestellt um Polen. Wenn es um das Internet als Wissensgrube geht, kann man da natürlich schon bisschen Zeit drinnen verbringen.
Um Kontakte zu knüpfen ist es für dich wahrscheinlich auch ganz praktisch, oder? Mir ist das Telefon immer noch lieber. Weil dann einfach alles konkreter ist. Aber weißt du was der beste Weg ist gute Features zu finden? Du fährst auf das Hip Hop Kemp und nimmst 50 Gramm Gras mit. Damit stellst du dich mit dem Auto vor den Eingang und rauchst einen Joint nach dem anderen. Das ist eine sehr angenehme Form neue Leute kennen zu lernen. So ähnlich habe ich in Brighton in einem Park zum Beispiel meinen guten Kumpel Matt zum ersten mal getroffen. Wir haben uns dann schon fünf Jahre gekannt bis ich drauf gekommen bin, dass er nicht nur Gitarrist ist, sondern auch in einer der besten Indierock-Bands spielt: Bloc Party. (lacht)
Auf deinen letzten beiden Platten hast du unter anderem Evidence, Sadat X, El da Sensei zu Gast…Wahrscheinlich Leute, die du selber früher gehört hast. Hättest du dir das gedacht, als du mit Rap begonnen hast? Mit denen bin ich musikalisch aufgewachsen. Als ich mit Rap begonnen habe, gab es da diese innere Barriere in meinem Kopf. Ich habe mir damals gedacht, dass ich doch nur polnischen Hip Hop mache. In der Zwischenzeit denke ich: Bam ich mache polnischen Hip Hop und das auf allerhöchstem Niveau! Ich arbeite mit Leuten zusammen, deren Sachen mir wirklich sehr gefallen. Mich interessiert es nicht, ob ich jetzt eine goldene Schalplatte habe, und sie nicht. Das hat da keine Bedeutung. Die Parts, die zum Beispiel Torae und Keith Murray auf meinen Beats aufgenommen haben, sind einfach der Wahnsinn! Das verlangt keine Popularität. Ist eh klar, dass Leute wie Evidence immer eine gewisse Position haben und auch populär sind. Auf der anderen Seite denke ich, dass wenn er wüsste, wer ich für die polnische Szene bin, dass wir diese Nummer vielleicht schon früher aufgenommen hätten. Wir haben das Gleiche in unseren Köpfen, nur leben wir mit anderen Mentalitäten in anderen Realitäten. Als ich diese Nummer von Evidence mit dem I feel happy, happy, happy, happy…„Chase the clouds away“ gehört habe, wusste ich, dass ich unbedingt etwas mit ihm aufnehmen muss. Er rappt in dieser Nummer wie glücklich er über die Musik, die Liebe, sein Weed ist. Dass er froh darüber ist mit welchen Leuten er Zeit verbringt- nach dem Motto: mein Vergnügen ist auch deines. Das sind Gründe, warum ich mit jemandem aufnehmen will und nicht ob jetzt jemand bekannt ist, oder nicht. Erst nachher gibt es dann so eine Phase „Wahnsinn, ich habe eine Nummer mit Evidence aufgenommen!“. Auf der anderen Seite, wenn polnisch den Stand von englisch hätte, würde er sich das vielleicht über mich denken.
Apropos: Was für eine Beziehung hast du zur polnischen Sprache? Mir gefällt die Sprache und auch, dass wir in der Minderheit sind. Ein El da Sensei, kommt nach Polen, und ich nehme mit ihm eine Nummer auf. Ich habe dann von anderen Amis gehört, dass er dann in den Staaten stolz rumerzählt hat „Stellt euch vor, ich habe mit dem besten polnischen Rapper eine Nummer aufgenommen“….El da Sensei sagt das! Mich interessiert es nicht, ob das irgendwer in Polen sagt, oder ob ich es selbst sage. Nein mich interessiert, dass das ein Ex-Member von den Artifacts meint! Es war ja auch nicht so, dass ich ihm geflüstert hätte: „ Herst du weißt eh mit wem du da aufnimmst, oder?“ Nein ich habe ihm gesagt: „Gefällt dir dieser Beat? Gut, dann nehmen wir drüber auf.“ Normal. Ich muss wissen, wer die Artifacts sind und nicht er muss wissen wer oder was OSTR ist. Das Gleiche mit Evidence.
Das resultiert ja aus der von dir angesprochenen Sprachbarriere. Ärgerst du dich nicht manchmal darüber? Nein, ich lache und bin stolz darauf. Weil die ganzen Englischsprachigen werden nie eins kennen lernen…Dieses unglaubliche Gefühl, wenn dir jemand zum Beispiel aus den Staaten sagt, dass du Flow hast, obwohl er nicht einmal deine Sprache versteht! Das bedeutet für mich soviel, wie dass es mir gelungen ist meine Muttersprache in die universelle Hip Hop Sprache umzuwandeln. Das ist mir wichtiger, als alle Platten, die ich bisher aufgenommen habe. Es gibt den Flow. Egal in welcher Sprache.
In einer deiner Nummern vergleichst du das in den Händen Halten von der Lieblingsschallplatte mit einer mit MP3´s vollgepackten 500 Gigabyte Festplatte…. Du hast deinen Lieblingsartisten, hast dieses Cover hundert mal angeschaut und gelesen. Hast gelesen, wer dort auf dem Schlagzeug etc. gespielt hat. Du erweiterst so dein Wissen. Jetzt spielst du alles einfach auf deinen Ipod, hörst die siebente Nummer von irgendeinem Album und weißt nicht einmal, wie die Nummer heißt. Du wirst den Ipod auch nicht aus der Hose ziehen um Nachzuschauen, weil du zu faul bist. In Wirklichkeit weißt du nicht einmal, was du dir als nächstes anhören willst, weil du 500 Platten auf ihn draufgehaut hast, und du nicht die Zeit haben wirst, sie alle durchzuhören.
Du bist auch ein großer Liebhaber von Vinyl, oder? Ja, meiner Meinung nach trägt Musik auf Vinyl nach wie vor diese Seele in sich. Ich kann mich da gut in diese Detailverliebtheit reinfühlen und als Fan würde ich das auch von einem Artist erwarten. Du überlegst: ah dieser Text bedeutet also das und das, diese Nummer wurde in dem und dem Studio gemixt…Du willst das einfach alles wissen. Um sich eine Meinung zu bilden, wer gute Sachen macht. Wer mit wem zusammenarbeitet etc. Jetzt hören sich die Leute überhaupt nur noch einzelne Nummern an. Letztens kommt so ein Typ zu mir her und meint „Die Nummer ´Mit diesem Polen´ war geil“…Ich frage ihn „Was für eine Nummer ´Mit diesem Polen´? Dann habe ich ihm erklären müssen: „Ich hatte eine Nummer, die hat „Geliebtes Polen“ geheißen, nix mit ´Mit diesem Polen´“. So etwas ist echt deprimierend.
Du hattest 2004 eine Single mit dem programmatischen Titel „Wir erobern Hip Hop zurück“… Es gab damals nämlich so eine Phase, dass einige Leute Easy Listening gemacht und das als Hip Hop verkauft haben. Damals war Hip Hop hier in Mode und sie wollten daran Geld verdienen. Das wurde dann von einem Musikjournalisten abwertend mit Hiphopolo benannt und hat mich damals auch fürchterlich aufgeregt. In dieser Nummer habe ich dann diesen Frust abgelassen: Was ist da los? Schleichts euch mit eurem Scheiß Hiphopolo, ich will echten Hip Hop und nicht was ihr da aufführt! Ich mache das, weil ich es liebe, nicht um Geld zu verdienen. Das ist mein Leben und nicht meine Karriere. Mein Leben besteht aus meiner Familie und Hip Hop. Ich bin nach wie vor und trotz allem ein Fan dieser Kultur! Ehrlich gesagt ist aber meine Frau etwas schockiert, weil es unklar ist, ob ich es schaffen werde im nächsten Jahr meine Familie davon zu erhalten. (Anm.: sechs Tage nach dem Interview, fünf nach dem LP-Release hatte sein 10. Album bereits Gold, seine Konzerte sind weiterhin ausverkauft).
Alle deine Platten sind bei Asfalt Records rausgekommen. Im Gegensatz zu vielen anderen Rappern und Projekten in Polen, die ständig ihr Label gewechselt haben. Wie wichtig ist für dich Asfalt Records? Das ist eines der besten Hip Hop Labels in Europa ist und ich bin stolz ein Teil davon zu sein. Außerdem ist es auch so, dass Marcin (Tytus) mein sehr guter Freund ist. Ich vertraue ihm zu hundert Prozent. Er ist nicht nur mein Herausgeber, sondern auch mein Manager, Anwalt, alles in einer Person. Er hat mir überhaupt die Möglichkeit gegeben meinen eigenen Weg zu gehen. Jedes andere Label hätte von mir viel mehr Promotion verlangt. Dass du zum Fernsehen gehst und dich überhaupt allen aufdrängst….
Wäre es ohne Tytus möglich gewesen die zehn Platten rauszubringen? Nein, weil ich selber nie daran gedacht habe, mein Solomaterial legal zu releasen. Nachdem er mich freestylen gehört hat, ist er einfach zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich nicht ein Album bei Asfalt Records rausbringen will. Ich habe es nicht glauben können. Am nächsten Tag ist er schon mit einem unterschriftreifen Vertrag vor meiner Wohnungstür gestanden, obwohl wir uns davor erst einmal gesehen haben.
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