Now Reading
Für immer in Wien // prodbypengg Interview

Für immer in Wien // prodbypengg Interview

„Das ein Pengg, also muss es wohl ein Banger sein“ – prodbypengg hat sich längst einen Ruf erarbeitet, wie nicht nur diese Line von Brown Eyes White-Boy zeigt. Seit paar Jahren prägt der Wiener Produzent den Sound einer natürlich gewachsenen, jungen Szene entscheidend mit. Nach etlichen Singles und Kollabos veröffentlichte er am 1. April sein erstes Producer-Tape „Pengg Vol. 1“. Auf den überwiegend harten, trappigen Produktionen sind etliche befreundete Artists zu hören – allen voran aus den Kreisen des Wiener Swift Circle und der Berliner Boloboys.

Unser Gespräch mit prodbypengg soll über den Tellerrand seiner aktuellen Projekte hinaus Einblicke verschaffen. Es dreht sich etwa um seine Begeisterung für Funk, was er aus einer Reise nach Südamerika mitgenommen hat, warum er Berlin nicht mag, was ihn an der Business-Seite von Musik nervt und wie er seinen Sound künftig verbessern will.

The Message: Du warst als Jugendlicher auf der Pop Akademie, hast eine Klavierausbildung gemacht. Wie hast du die Zeit dort in Erinnerung?
prodbypengg: Cool. Ich hatte zuerst klassischen Klavierunterricht an meiner Schule mit einem bisschen komischen Lehrer – ich musste lauter Etüden auswendig lernen. Auf der Pop Akademie konnte ich improvisieren und hab gecheckt, dass es auch anders geht. Es war das erste Mal, dass ich Musik machen konnte, die mir Spaß macht. Davor hab ich Musik gehört, um Spaß zu haben. Das hat sich in dieser Zeit vereint und mir viel geholfen – neben Notentheorie und den Basics. Ich hab damals auch in einer Funkband gespielt.

Was waren die ersten Funkbands oder allgemein Alben, die dich begeistert haben?
Mein Vater ist der verrückteste Prince-Fan. Durch ihn hab ich viele Bootlegs gehört – auch von Aftershows, wo er komplett ausrastet. Was Alben angeht, hab ich „Tower of Power“ rauf und runtergehört. Das feier ich immer noch. Als Kind auch viele alte Stevie-Wonder-Sachen. Über meine Mum viele englische Bands, sie ist Fan von den Rolling Stones. The Strokes fand ich als Kind auch geil – das ist natürlich überhaupt nicht funkig, aber hat einen ganz eigenen Vibe. Meine Kindheitserinnerungen sind voll durchgemischt. Weniger poppig, aber viel Rock und Funk – und HipHop dann, sobald ich mich selber entscheiden konnte. Als Kind sogar noch die Fantas, aber ich hab schnell meinen Taste entwickelt und eher amerikanische Sachen gehört.

Du warst nach deiner Matura einige Monate alleine in Costa Rica, Panama, Kolumbien, Bolivien, Peru und Chile, hast dort am Laptop produziert. Hast du auch mit anderen Leuten connected oder Sessions gemacht? 
Ganz wenig. Es war eine komische Zeit. Ich wusste noch nicht, ob ich wirklich Musik machen will und ob es mir ernsthaft Spaß macht. Es war für mich ein Beweis, dass ich den Computer mithatte und immer wieder zum Musikmachen gekommen bin. Dort hab ich eher Vibes aufgesaugt. Ich hatte noch nicht die Confidence, mich selbstbewusst als Produzent zu bezeichnen, oder in Kolumbien Sessions zu machen. Ich war 18 Jahre alt und geflasht, wie dort alles abläuft. Ich hab das aufgesaugt.

Was hast du mitgenommen?
So schöne Erinnerungen. Ich war in Panama auf Bocas del Toro. Da gab es eine Bücherei, wo immer Party drin war. Da waren geile Jamsessions. Generell hab ich den Groove mitgenommen und viel beobachtet. Es war oft sehr simpel, was sie gespielt haben. Es ging eher um die Leidenschaft und die Art und Weise, wie sie es gespielt haben, wie die Leute ausrasten und was es mit dem ganzen Raum macht. Ich war davor eher ein rationaler Typ, bin es immer noch. Dort hab ich eine große Welt an Feelings entdeckt – einfach dem Herz nachgehen.  

Zurück zum Funk: Wär es für dich mal ein Thema, in diese Richtung zu produzieren?
Auf jeden Fall. Ich bin ganz offen und möchte mich nicht beschränken. Ich baue gerade mit zwei Freunden außerhalb von Wien ein Studio auf – die ehemalige Silent Stage, es wird dann Swift Studios heißen. Es soll ein Space werden, wo jede Musik entstehen kann. Wenn ich gebraucht werde oder jemand Lust hat, dass ich mitmache, bin ich immer down. Solange mir die Musik gefällt, ist es cool – und mir gefällt sehr viel Musik. Dann kann ich andere Genres erkunden, generell bei mehr Musik dabei sein.

Du hast viele Klassiker, zeitlose Alben gehört. Was du produzierst ist cooler, aber sehr zeitgeistiger Sound. Inwieweit hast du den Anspruch, auch mal was Zeitloses zu kreieren?
Ich glaub Zeitloses entsteht immer irgendwo aus dem Zeitgeist. Ich will mich nicht hinsetzen und mir vornehmen, was Zeitloses zu machen, sondern was machen und dann kommt das vielleicht irgendwann. Ich bin kein Freund davon, mich mit Erwartungen zuzuladen. Deshalb klingt das Tape wie es klingt. Mir geht es mehr darum, was gerade ist, möglichst gut einzufangen. Damit jemand, der einen Song hört sich so fühlen kann wie wir in diesem Moment. Wenn das irgendwann Zeitlos ist, ist es cool. Aber ich mache mir keinen Druck.

Ist das Wichtigste, dass es im Moment Spaß macht?
Der Spaß ist natürlich ganz wichtig – wenn der fehlt, macht man irgendwas falsch. Künstlerisch gesehen ein Sound, der sich abhebt. Auch wenn es musikalisch sicher nicht das tiefgehendste Genre ist. Aber ich will, dass es etwas Spezielles hat oder eine Emotion verkörpert. Das geht glaube ich mit der Musik, die ich gerade mache leicht.

Hast du vor deiner aktiven Zeit das Produzentending in Österreich verfolgt? Das hat sich ja schon vor Jahren rund um Leute wie Brenk oder Fid Mella gut entwickelt.
Voll, ich hab auch einmal lange mit Brenk telefoniert. Ich hab ganz großen Respekt vor ihm. Ich bin noch nicht so alt und schon eher mit den Yung-Hurn-Sachen großgeworden. Ich hab Brenk und die anderen Producer eher mitbekommen, weil ich ein Musiknerd bin. Ich feiere es und hab es früher viel gehört. Ich hab generell das Gefühl, dass sich in Wien langsam eine Szene bildet, wo man sich austauscht und nicht nur zu den anderen rüberschaut, sondern miteinander redet, aufeinander zugeht. Ich hab das Gefühl, dass sich niemand abgrenzen muss, sondern langsam Platz für alle da ist.

Bist du innerhalb der Produzentenszene so vernetzt, dass ihr euch gegenseitig Samples schickt, im laufenden Austausch seid?
Es gibt einen Circle, der sich austauscht. Wir arbeiten nicht immer gemeinsam an Projekten, aber man kennt sich, hilft sich gegenseitig, wenn es eine offene Sache gibt, bei Preis-/Prozentfragen, bei Samples und so weiter. Es hat sich ganz natürlich entwickelt. Es sind Homies, die auch Musik machen. Zum Beispiel Lilah, Tschickgott, Enzo Gaier und Hardy, a3 aus Bayern, Matt Mendo aus Berlin und paar Mixing-Leute.

„Ich bin kein Freund der Berliner Vibes“

Dein Producertape vereint vor allem Artists aus deinem Wiener und deinem Berliner Umfeld. Gibt es in der Zusammenarbeit Unterschiede?
Jede Session ist anders. Die Leute aus Berlin, mit denen ich gerade viel mache, sind ja keine Urberliner, keine Sinnbilder von dieser Berliner Szene – wenn man die so bezeichnen will. Davon bin ich kein großer Fan. Es ist ein Einheitssound, den ich nicht so interessant finde.

Was meinst du konkret mit Berliner Szene?
Den typischen Dealertalk, man verkauft so viel Gramm Gras, trinkt so viel Lean, jeder ist so whack und man ist der coolste Typ. Das fühl ich nicht so. Aber auch in Berlin gibt es viele Leute und alle möglichen Styles. Die Session hängt immer vom Artist ab, da würde ich keine Grenze zwischen Wien und Berlin ziehen. Es vermischt sich schön.

Wär‘s für dich eine Option, mal rüberzuziehen?
Nein, auf keinen Fall, ich bleib immer in Wien! Ich mag Berlin nicht. Ich bin da gern für eine Woche und checke es ab, aber dann will ich zurück. Ich bin kein Freund der Berliner Vibes. Das ist mir alles zu stressig und anstrengend. Es wird viel geredet, aber dann passiert nix. Ich bin gern in Wien und ein stolzer Wiener.

Wenn du zurückblickst: Gab es Produzenten, die dich besonders geprägt haben – oder sogar Vorbilder?
Nicht so klar. Es gab Leute, die ich gefühlt hab, aber ich war nie ein krasser Fanboy. Als Vorbild am ehesten Kenny Beats. Es geht natürlich auch um die Musik, aber es gibt so viele krasse Leute, die die Business-Seite draufhaben, ein Image, ein Standing in der Szene haben. Ich feiere Kenny Beats sehr, weil er eine Instanz geworden ist. Er kann entscheiden, mit wem er zusammenarbeitet, ohne von irgendwelchen Labels oder Artists abhängig zu sein. Ich finde es immer cool, wenn es ein Arbeiten auf Augenhöhe ist.

Würdest du sagen, dass bei ihm die Business-Seite das Musikalische überstrahlt?
Auf jeden Fall. Er ist ein krasser Produzent und macht coole Sachen. Aber wie er sich präsentiert und mit den Artists arbeitet – die Artists fühlen sich mit ihm wohl. Es spricht für ihn. Wenn du als Produzent ein Environment schaffst, wo die Leute den lustigsten und weirdesten Shit machen, ist es das Beste.

Wie sehr hinkt Europa da hinterher?
Extrem. Die Leute lassen es nicht so zu. Die Hitproduzenten begeben sich eher in die Kommerzschiene, machen vielleicht einen Hit nach dem anderen, aber dadurch werden sie auch nicht in die Geschichtsbücher eingehen. Es ist halt viel schnelles Geld, das checkt man auch. Dadurch verliert es für mich jeden Vibe. Kenny ist natürlich auch kommerziell erfolgreich, aber auf super organische und chillige Art und Weise – und er releast jedes Jahr ultraexperimentelle Sachen, weil er darauf Bock hat. In Europa fehlt vielen der Mut, zu sagen: ‚Ich muss nicht unbedingt so viel Geld wie möglich machen, sondern will geile Musik machen oder eine geile Szene bilden‘. So muss man es machen, so kommt man zu Erfolg. Es geht ganz natürlich, wenn du viele Sessions machst und ein Knotenpunkt wirst. Wenn du korrekt bist und gut hustlest, ist es fast ein Selbstläufer.

Du hast vor einiger Zeit ein Praktikum bei Sixtus Preiss gemacht. Was hast du dort mitgenommen? Er verfolgt ja einen ganz anderen Ansatz.
Es war super nice. Ich hab damals schon studiert und es war cool, das bisschen anzuwenden. Wir hatten paar Sessions, es war nicht so lange, weil dann Corona kam. Ich hab vom Aufnehmen her viel gelernt. Sixtus hat einen nicen Zugang zu den ganzen Sachen und es ist schön zu sehen, wie er damit umgeht. Genauso wie der Clemens (Cid Rim, Anm.). Wir haben viel über Musik geredet, Mixes angehört und er hat mir Tipps gegeben. Wir haben auch viel über Mikrofone geredet.

Du lebst mittlerweile vom Produzieren, oder?
Noch nicht solange, relativ frisch.

Du machst parallel noch die Tontechnik-Ausbildung an der SAE, oder?
Ja, ich bin gerade am Fertigwerden.

See Also

Eher als zweites Standbein oder für die Weiterentwicklung als Producer?
Schon um was Handfestes zu haben. Es ging ziemlich schnell und chaotisch. Ich dachte, ich probiere es mit Musik und beginne nebenbei, was mit Musik zu studieren. Es hat sich so entwickelt, dass ich immer mehr produziert hab. Am Anfang war das Studium eine Hilfe. Jetzt mach ich es eher nebenbei. Ich kenne die meisten Sachen schon. Morgen hab ich eine Uni-Prüfung, wo ich mit Ableton rumbooten muss. Das mache ich halt jeden Tag. Es gibt mittlerweile viele Sachen, wo ich hingehe, um sie gemacht zu haben. Aber manches ist voll interessant und super, dass man es lernt. 

Was zum Beispiel?
Vor allem die technischen Sachen – Mikrofonbau, Lautsprecherbau, Geschichte der Aufnahme, EQs, Kompressoren und Wandler. Um das Verständnis zu haben. Ich bin ein theoretischer Typ, der Sachen komplett verstehen will und dann gut damit umgehen kann. Ich mag es nicht, etwas zu benutzen wenn ich nicht genau weiß, wie es funktioniert.

„Es macht keinen Sinn, bei einer Hi-Hat fünf Minuten zu überlegen, wie man sie setzt“

Nervt es dich schon, dass du keinen Manager hast?
Ich will das solange es geht so lassen. Ich hab keinen Bock auf diese Business-Seite von Musik. Ich verstehe mich gut mit allen Leuten, mit denen ich Musik mache. Ich hab aus meinem Umfeld von paar Leuten schlechte Erfahrungen mitbekommen und bin vorsichtig. Heutzutage funktionieren die meisten Sachen eh schnell, man kann es sich direkt ausmachen. Wenn man nicht aufs Maul geflogen ist, kann man so weit durchkommen. Ich finde es nicht cool, überhastet nur fürs Feeling, angekommen zu sein, einen Manager zu holen. Dasselbe gilt für den Vertrieb. Es reden einem alle ein, dass man das braucht – aber man braucht es nicht unbedingt.

Kannst du schon sagen, wie sich der Sound bei deinen nächsten Projekten entwickeln wird?
Das Tape war ja recht hart und trappy. Die nächsten Singles werden softer und poppiger, für den Sommer. Mit Franz (Bibiza, Anm.) arbeiten wir weiter am Sound, den er schon bisschen gestartet hat. Ich werde auch mit anderen Leuten paar Singles droppen. Danach kommen auch wieder härtere Sachen. Am Producertape sind einige ältere Beats drauf. Mit den nächsten Releases kommen level-ups – organischere, vollere Produktionen.

Ist dann mehr eingespielt?
Ja – und viel weniger Samples. Bei den poppigeren Sachen nehme ich generell nicht so oft Samples. Kann geil sein, aber meistens spielen wir einfach was ein. Das geht mehr Richtung Songwriting.

Deine Beats entstehen trotzdem recht schnell.
Voll. Ich versuch alles im Flow zu machen.

Ruiniert es deine Beats, wenn du länger dran sitzt?
Tu ich manchmal eh und es passiert dann oft, dass ich sie ruiniere. Manchmal wird’s noch geiler, aber oft muss man sie lassen wie sie waren. Ich feiere es, den Grundstein schnell zu legen, wie man es fühlt. Dann geht man es durch. Es macht keinen Sinn, bei einer Hi-Hat fünf Minuten zu überlegen, wie man sie setzt – kann man auch einfach machen. Ist mir lieber, als mich philosophisch dranzusetzen.

Ist der Perfektionsanspruch beim Produzieren ein schlechter Ansatz?
Produzieren ist sowieso Hirnwichserei und bisschen ein Kampf mit sich selbst. Es ist immer Perfektion gegen den Moment. Im Endeffekt ist es wie immer im Leben. Man muss den Kopf an- und gleichzeitig ausmachen. Irgendwo findet man eine Mitte und dann passt es.

Wo willst du dich beim Produzieren noch am meisten verbessern?
Im Beherrschen von Instrumenten. Ich war technisch schon mal besser am Klavier. Ich spiele halt kurz was ein und ziehe es so hin, dass es passt. Aber nie ganze Songs und immer nur am Klavier. Ich würde gerne mehr Instrumente spielen. Es ist mein Anspruch, dass ich da besser werde – auch damit ich mich bisschen mehr als Musiker sehen kann und nicht nur als Produzent vorm Computer.