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Regular Bars #5 // Battle-Rap

Regular Bars #5 // Battle-Rap

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Illustration: Florian Appelt

In der Parallelgesellschaft Battle-Rap tut sich einiges. Während sich das gegenseitige Duellieren mit Wörtern (dessen Wurzeln sich beispielsweise mit dem “Dozens“-Spiel tief in die afrikanische Kultur verfolgen lassen) im englischsprachigen Raum mit Ligen wie King of the Dot, Don’t Flop und natürlich URL weitgehend etabliert hat, steckt er im deutschsprachigen Raum noch in den Kinderschuhen. Aber DLTLLY (Don’t Let The Label Label You, Anm.) und Rap am Mittwoch erfreuen sich steigender Besucher- und Klickzahlen und auch in Wien existieren mit Dreistil und „Battle To The Top“-Ligen, die diese Schiene fahren. Jeder Battle-Rap Fan wird bestätigen können, dass das ein sehr zeitaufwendiges Hobby ist, die Battles dauern selten kürzer als 20 Minuten. Und auch wenn viele Battles sich einen eigenen Eintrag verdient haben, kann es sehr praktisch sein, regelmäßig zu wissen, was sich so getan hat, welche Battles veröffentlicht wurden und welche noch anstehen. Dafür gibt es die Reihe Regular Bars!

Disclaimer: Achtung! Dieser Artikel kann Spoiler und Spuren von Meinung enthalten!

Was für ein fabelhafter Sommer für Battle-Rap-Fans! Vor allem deutschsprachige Heads konnten sich daran erfreuen, dass sowohl Don’t let the label label you (wie in den zwei vergangenen Jahren) als auch Rap Am Mittwoch auf Festivals vertreten waren. Auch Dreistil verzichtete zugunsten des Knock-out-Battles beim HipHop Open Austria auf eine Sommerpause. Und dass die englischsprachigen Ligen bei all der Aufmerksamkeit, die sie bekommen, nicht einfach auf Urlaub fahren können, ist sowieso klar!

Das Knock-out-Battle am HipHop Open lief gut, die deutschen Gäste Tobi Nice, Vyrus, Ji-Zi und Muro machten zusammen mit den bekannten österreichischen Battle-MCs ein höchst interessantes Teilnehmerfeld aus. Wie leider so oft nahm die Spannung im Laufe des Bewerbs ab, was aber vor allem der Tatsache geschuldet war, dass wir uns auf einem Festival befanden, wo Verschleißerscheinungen sich recht schnell bemerkbar machen. Trotzdem gab es ein paar gute Battles zu bestaunen wie Fuchs MC vs. Noah und das besonders starke Böser Wolf vs. Ji-Zi (ab 21:09).

Zurück im Loft in Wien gab es bei Dreistils Saison-Eröffnung ein recht vielversprechendes A-capella-Match-up zwischen zwei hungrigen Freestyle-Stammgästen: Einfach So vs. Babu. Wobei auch einige Zweifel ob der Vorbereitung und Ernsthaftigkeit, mit denen dieses Battle bestritten werden würde, aufkamen. Beim Event entpuppten sich diese Zweifel sowohl als berechtigt als auch unberechtigt. Während Babu eigentlich mehr chokte als rappte, bot Einfach So für seinen ersten A-capella-Auftritt eine gute Leistung, die zumindest live (auf Video ist das mit der Atmosphäre und der Erwartungshaltung wieder leicht was anderes) richtig unterhielt und sogar mit einigen durchdachten Schemes überraschte. Das Video – qualitätsmäßig sind die Dreistil-Videos wieder um ein Level hochgegangen, Props dafür! – gibt es auch schon am Dreistil-Kanal zu sehen.

Das A-capalla-Battle für das nächste Dreistil ist auch schon angekündigt: SeboKILL wird auf ErroR treffen. Könnte interessant werden. Oder durchaus skurril, auf jeden Fall unterhaltsam! Am 21. Oktober steigt das Ganze wie immer im Loft. Für alle, denen Dreistil noch nicht genug Battle-Rap Action nach Wien bringt, gibt es nun eine neue Event-Reihe, gestartet vom Wiener Kollektiv. Bei „Rap im Beisl“ stehen jedoch Freestyle-Battles im Vordergrund, dafür aber mit einem unterhaltsamen und kreativen Konzept.

In Deutschland ist Battle-technisch auch einiges vorangegangen. Jedoch blieben – wenn man sich ehrlich ist – sowohl  die Battles von Rap Am Mittwoch am Frauenfeld, wie auch die DLTLLY-Battles am Splash unter den Erwartungen. Während bei DLTLLY eigentlich nur Brian Damage und Bong Teggy (im Team vs. Gregpipe & Mars B) so richtig amtlich ablieferten, sorgte vor allem Buy Some gegen Ssynic für eine große Überraschung. Buy Some – größtenteils von der Szene ob seines „unauthentischen“ Boastings belächelt – bietet hier Ssynic wagemutig die Stirn und trägt seinen Teil zu einem richtig guten Battle bei. Da hat Ssynic richtig Glück, dass das Battle unjudgt ist, das hätte seine erste Niederlage werden können. Die restlichen Battles sind eher enttäuschend, vor allem Fresh Polakke vs. Notyzze ist kaum zum Anschauen. Daran ist natürlich die Crowd nicht ganz unbeteiligt, aber wir sind nun mal eben bei einem Festival.

Unter dieser Festivalstimmung (und den absurd bzw. immens hohen Erwartungen) litten jedoch so gut wie alle Battles des Sommers: vor allem das Re-Match zwischen Atzenkalle und Main Moe. Gleichzeitig stellt das Match jedoch den Beweis dafür dar, dass sich das Battle-Game in den verganenen Jahren maßgeblich verändert (und weiterentwickelt?) hat und die losen, hingerotzten Punchlines von Atzenkalle nicht mehr den gleichen Effekt haben wie noch vor ein paar Jahren. Für Nostalgiker und Menschen, die die Insider-Anmerkungen verstehen, ist das Battle – vong Bedeutung her – trotzdem eine Art Meilenstein. Aufgrund der Entspanntheit (oder Langatmigkeit, wie man’s sieht) ist das Battle jedoch trotzdem eher „zach“ zum Anschauen. Auch das Battle zwischen Lyrico und Mighty Mo, was man fast schon als Title-Match zwischen RAM und DLTLLY sehen könnte, bleibt unter den Erwartungen. Vor allem weil beide – und vor allem Mighty – kaum etwas Überraschendes bieten und die Punchline-Dichte begrenzt bleibt (+ der Faktor „miese Crowdreaction“, der sich wie ein roter Faden durch die Battles des Sommers zieht).

Von Ruhepause kann aber am Beginn dieser Saison nicht die Rede sein. DLTLLY veranstaltete mittlerweile schon wieder drei Events, eines davon in Kooperation mit dem splash-mag in Berlin, in einem – milde ausgedrückt – recht unpassenden Umfeld. Nämlich bei „The Base“, einem von Adidas gesponserten Konzert bei dem u. a. Haftbefehl und Celo & Abdi auftraten. Dementsprechend war auch das Publikum nur bedingt Battle-Rap-empfänglich, die Aufmerksamkeitsspanne und der leicht deplazierte Jubel zeugen davon. Leider werden dadurch zwei gute Matches verdorben, die unter andern Umständen wohl ziemlich fett geworden wären. Jedenfalls Props an die Battle-Rapper (Besser, N’Antinein, Davie Jones und Doktor Dave) dafür, dass sie trotzdem von Anfang bis Ende durchziehen.

Weitaus typischer waren die Events in Paderborn und vor allem das Birthday-Event in München. In Paderborn markieren die Highlights vor allem zwei 2on2, nämlich das heiß ersehnte zweite Match von Falk & Khacoby (vs. O.G. Ohne Gummi & Eric Ventura) und das überraschend gute Team bestehend aus Tobi Nice & VT vs. dem Brüderpaar EKhead & CPE.

Der siebente Saisonstart hat bei RAM einige maßgebliche Veränderungen mit sich gebracht: Rap Am Mittwoch wird nun nicht mehr regelmäßig jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat stattfinden und auch nicht mehr überwiegend in Berlin über die Bühne gehen. Stattdessen wird in Zukunft auf Qualität und nicht auf Quantität gesetzt, womit wohl auf die teils sehr, sehr, (sehr) schwachen Battlemanias in der vorigen Saison reagiert wird. Konkret wird Rap Am Mittwoch nur noch einmal im Monat (den 3. Mittwoch des Monats), eine andere Stadt besuchen (am 15. März auch in Wien, in der Grellen Forelle!). In Berlin werden ab jetzt nur noch Saison-Eröffnung und Saison-Abschluss veranstaltet.

Die Saison-Eröffnung, betitelt als „Battlemania Fullclip“ – ohne BMCL, dafür mit 16 Teilnehmern – war dann aber eher ein Flop. Zu viele Teilnehmer und zu schlechte Battles im 1/8-Finale sorgten für einen misslungenen Saison-Start, auch wenn es ab dem Halbfinale besser wurde. In Leipzig galt es somit den Erfolg des neuen Konzepts auf die Probe zu stellen. Moderiert von Gier fruchtete es in der Battlemania nur zur Hälfte. Rasputin vs. Krom war wohl das vorgezogenen Finale. In der BMCL durfte man die fleischgeworden Asozialität in Form von Finch und Yarambo betrachten. Aber Achtung: Das Battle ist nichts für zarte Gemüter, neben den Kinderficker-Lines wirken selbst die Mutter-Lines recht harmlos. Die parteiische Crowd macht jedoch ein faires Ergebnis unmöglich.

Und als ob es für mich nicht schon genug Arbeit geben würde, ist diese Woche auch noch eine neue Battle-Liga ins Leben gerufen worden: Der ehrwürdige Iron Basic und der DLTLLY-Host Big Chief (ja, der der immer so schreit) starten „Du & Deine Lines“ (kurz D&DL), eine Liga, die Newcomern eine Plattform geben soll, um sich beweisen zu können. Genaueres erklären Big Chief und Iron Basic in diesem Interview. Das erste Battle ist vergangenen Montag rausgekommen und bietet mit dem ersten Auftritt von Siszyphos eine ziemliche Offenbarung: coole Delivery, gute Bars und sympathischer Kerl.

Bei KOTD gab es wieder zu viel, um alles zu sehen, große Highlights haben sich dennoch herauskristallisiert. Beispielsweise das Re-Match des legendären Battles zwischen DNA und Dizaster. Das erste Aufeinandertreffen der beiden ist ein Meilenstein im Battle-Rap: sowohl was die generierte Aufmerksamkeit und Reichweite, als auch die Qualität und Intensität des Battles betrifft (Dizasters „Time-Limit“-Konter, alter… zeitlos. No Pun intended).  Das Re-Match konnte dem natürlich nicht gerecht werden, auch weil Dizaster im Vorfeld gar nicht wusste, wen er battlen wird. Trotzdem sehenswert!

Weitaus sehenswerter sind jedoch die bisher hochgeladenen Battles von „World Domination 6“, bei denen unter anderem auch wieder ein Title-Match ausgetragen wurde. Rone musste zur erstmaligen Titelverteidigung antreten und zwar gegen Caustic, der schon lange auf seinen Title-Shot wartet und ihn wohl auch verdient hat. Das Battle ist zwar intensiv und unterhaltsam, aber nicht auf Titel-Niveau. Caustic beweist, dass er zwar gut austeilen (siehe seine dritte Runde vs. Bigg K), aber nicht einstecken kann (getting salty Caustic?) und Rone muss weiterhin auf sein erstes Champ-würdiges Match warten. Deutlich fetter (und wieder: no pun intended) ging es bei Iron Solomon vs. Charlie Clips zu. Bum! Da bleibt nicht viel zu sagen, außer: Anschauen und genießen! So so so so viele Qutoables (vor allem auf Seiten von Iron), Highlights (wobei das ganze Battle ein einziges Highlight ist) sind Clips‘ zweite Runde (auch wenn Solomon die gesamte Runde mit einem Rebuttal entkräftet), alle Runden von Iron Solomon und ganz besonders Head ICEs Reaktionen!

See Also

Head ICEs Funktion bei WD6 begrenzt sich glücklicherweise nicht auf seine Statistenrolle (obwohl er offenbar bei so gut wie jedem Battle in der ersten Reihe stand und als einer der Wenigen in der Crowd Reaktion zeigte: „That was fiiiire!!“): Gegen Big T zeigt er wieder warum er zurzeit einer der besten und gefragtesten Battle-Rapper ist (+ Head ICE findet mit Arsonal als Crowdrocker einen wunderbaren Vertreter: „Ohh, I just got it!“). Big T ist zwar eher stockend unterwegs, rettet aber mit seiner unfassbar guten dritten Runde sein gesamtes Battle! Crazy Runde!

Einen habe ich aber noch: Charron vs. Bonnie Godiva. Charron kam schon öfter in dieser Serie vor, ist einer der besten Battlerapper zurzeit und liefert immer Top-Performances. Bonnie Godiva ist eine der wenigen Frauen im Top-Tier Bereich von Battle-Rap und kommt eher aus der URL (merkt man schnell an ihrer Art zu rappen und den zahlreichen Gun-Bars). Offenbar wollte Charron sie unbedingt battlen, was das Match-up erklärt (sonst hätte sie nie die Chance gehabt, einen derart hochkarätigen MC als Gegner auf einer Mainstage zu bekommen). Außerdem scheint ein ordentlicher Batzen Geld im Spiel gewesen zu sein. Ein gutes Battle, bei dem wieder betont werden muss: Wer Battle-Rap nicht versteht und der Meinung ist, dass das „Frau-Sein“ keine Angriffsfläche ist, sollte sich das Battle nicht geben. Oder überlegen, warum es im Umkehrschluss nicht auch verwerflich ist, dass Bonnie Charron vorwirft, unmänlich zu sein, weil er K-Shine nicht zurückgeschlagen hat (+ zugeben, dass ihr „Dick-Check“-Move ganz zum Schluss ihrer dritten Runde umgekehrt absolut inakzeptabel gewesen wäre). Also lieber einfach ansehen und die Lines für sich sehen, dann ist das Battle mehr als feierbar.

„You post thirsty picks and fans are praising you/
There’s a reason you’ve been cheated on by every guy who’s dated you/
I think you’re pretty, I actually rated you/
But when I said you’re a 9 it’s on a scale of „how much your father is ashamed of you!“

ODER

Caitlyn Jenner won Women of the Year/
I ain’t saying one of us feeble, I got love for your people/
But that means men are better at being women than women/
so how the fuck are we equal?“

Bei Don’t Flop war Shuffle-T die alles überragende Gestalt. Das beweist auch die Top5-Runden-Compilation vom vergangenen Monat. Shuffle-T besetzt dort drei Plätze von fünf. Was soll man da noch sagen? Der Typ spielt einfach in einer anderen Liga, seine Konzeptrunden sind an Kreativität kaum zu überbieten. Das beweist auch sein Battle gegen Raptor, unfickbar!

Zwar waren in den vergangenen Wochen nicht viele Highlights bei Don’t Flop dabei (Pedro vs. Tali wäre eins), dafür warten die Briten zu ihrem achten Geburtstag mit Hammer-Battles auf: Raptor vs. Gjonaj (!!) und Tony D vs. Pat Stay (!!!). Und es werden noch weitere Ankündigungen folgen. Und wo wir schon bei Hammer-Ankündigungen für zukünftige Events sind: DLTLLY wird am 3. Dezember wieder in Berlin am Start sein und dort das allererste Title-Match abhalten. Das einzige Match-up, das bis jetzt jedoch angekündigt wurde, ist ein mehr als hochkarätiges internationales Battle zwischen Raptor und Unanymous. Geplant sind für das Event „Dissember“ noch ein europäisches Battle, zwei deutsche Battles UND das allererste Title-Match! Das heißt, es wird auch in den nächsten Wochen wieder viel zu berichten geben – und Regular Bars hält euch auf dem Laufenden!