Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
Er möchte sein Privatleben und seinen öffentlichen, digitalen Auftritt getrennt halten. Auch sein Gesicht soll nicht auf Fotos erscheinen. Eine anachronistische Haltung in Zeiten des digitalen Selbstdarstellungs-Wahnsinns gehypter Ich-AGs.
Text & Interview: Julia Gschmeidler
Fotos: Daniel Shaked
Hört man den Namen salute das erste Mal, bringt man ihn wahrscheinlich nicht sofort mit einem Wiener Produzenten in Verbindung. Bilder an militärische Grüße oder einfach ein Trinkspruch fallen da näher. Dabei schlägt einem der Künstlername des erst 17-jährigen Wieners gerade von sämtlichen Portalen und Zeitungen entgegen: einer der jüngsten Nominierten für den FM4 Award beim Amadeus, zig Mal genannt beim Kurier Kultur-Jahresrückblick 2013 und massig Lob von der US-amerikanischen Website Beatport. Aber auch andere Medien reihen sich in den Kanon überschwänglicher Laudatoren ein. Ein klassischer medialer Hype, der salute derzeit eine hoch gepriesene musikalische Zukunft verspricht.
Als wir den 17-jährigen Produzenten in Daniel Shakeds Atelier in Wien-Landstraße treffen, ist der junge Musiker allerdings eher vergangenheitsorientiert und schwärmt immer noch vom RBMA Bass Camp, das im Dezember stattgefunden hat, als von kommenden Projekten. Neben Künstlern wie Four Tet oder Cid Rim war auch er eingeladen, um an dem Projekt teilzunehmen. Er selbst bezeichnet das Erlebnis sogar als das „beste Wochenende seines Lebens“. Was er von den Vorträgen mitgenommen hat? Unter anderem, „dass es das Image kaputt mache, wenn man seinen ganzen Output immer gleich rausschmeißt.“ Eine Weisheit, die sich nicht alle Künstler derart zu Herzen nehmen.
Doch wie kam es eigentlich zu einem so immensen Output, den es nun gut bedacht zu releasen gilt? Ursprünglich hat der Donaustädter bereits mit 13 Jahren erste Gedankenausflüge in das Musikuniversum gewagt. Mit illegal runtergeladenen Programmen wurden erste Bastelversuche unternommen, bis sich kurz darauf die Eltern erbarmten und dem Sohn professionelles Equipment schenkten. Was folgte war ein erster Label-Release mit zarten 15, unter anderem Namen und differenziertem Musikstil. Als Spirant war er auch schon Leuten außerhalb der österreichischen Drum’n’Bass-Szene ein Begriff. Trotzdem konnte sich salute mit den Gepflogenheiten des Milieus nicht mehr anfreunden. „Drum’n’Bass gibt es schon seit Ewigkeiten, wenn man was Neues bringt, sind die Leute gleich skeptisch. Die Elite-Leute, die sich einbilden, es müsste sich alles so anhören wie am Ende der 90er-Jahre – ziemlich zach. Man wurde von allen kritisiert, das war mir dann zu deppat. Deswegen hab ich als salute begonnen, da akzeptieren die Leute viel mehr. Das fehlt mir in der D’n’B-Szene.“
Als Internet-Junkie durchforstete salute sämtliche Plattformen und Foren nach neuen Strömungen – die UK-Basswelle war besonders anziehend und mitreißend für ihn. Labels wie Lucky Me, bei dem er selbst am liebsten gesignt wäre, oder Produzenten wie Cashmere Cat ebneten schließlich salutes Weg zu einer anderen bpm-Sphäre. Und das Internet sollte auch weiterhin eine übergeordnete Rolle im Alltag des Maturanten spielen. „Ich sitz’ mein Leben lang schon vorm Computer“, schildert er hierzu passenderweise. Durch die globale Vernetzung des digitalen Netzwerks übersteigt sein musikalische Know-how bald die Hörgewohnheiten seiner Mitschüler. „Jetzt hören meine Freunde das, was ich vor drei, vier Jahren gehört hab‘. Das ist genau dasselbe mit der Musik, die ich jetzt mach‘. Wenn ich ihnen sag: Schau, das mach ich jetzt, sagen sie: Wow, das ist ja blöd. In ein paar Monaten kommen sie dann angerannt.“
Neben der ganzen virtuellen Begeisterung sind allerdings auch auch salutes Eltern maßgebliche Inspirationsquellen für den jungen Musiker. Hauptsächlich Soul und Funk hört man zuhause, „den Einfluss hört man auch in den ganzen Akkorden“. Aber auch die Rhythmen aus der elterlichen Heimat Nigeria sind interessant für den Hausa-sprechenden Beatbauer. Fela Kuti als nigerianischem Saxophonisten und Begründer des Afrobeats wird eine besondere Bedeutung zugewiesen. Dazu kommt noch der HipHop-hörende große Bruder, der unerlaubterweise den iPod des jüngeren schnappte und ihn komplett mit Ginuwine, Tupac und Wu-Tang füllte. Eine Zwangsimmunisierung mit Rap und R’n’B für den damals kleinen Bruder sozusagen.
Von der restlichen Wiener Beatmaker-Szene hat der mittlerweile gereifte salute allerdings weniger Ahnung: „Ich sollte mich dafür schämen, dass ich mich so wenig auskenne.“ Eher die DJs aus dem House- und Techno-Bereich seien ihm geläufig. Aber das mit dem House, das ist sowieso so eine Sache. „Die Leute sind so sehr auf House fokussiert, dass sie sich schwertun, neue Musik aufzunehmen und zu akzeptieren. In der Pratersauna ist es mir schon einige Male passiert, dass die Leute teilweise herkommen und mich fragen, was das eigentlich ist. Aber im negativen Sinn, weil sie es einfach nicht checken.“ Aber nicht nur das nächtliche Clubhopping der feierwütigen Jugend macht es einem musikaffinen Menschen schwer. „Ich glaub‘, Wien ist sehr langsam was Musik angeht. Wien braucht eine Weile, nicht um an die Trends zu kommen, aber um die Musik aufzunehmen. Das Gleiche mit Trap. Das war ja schon vor zwei Jahren in den USA riesig und hat man auch in England gesehen, wie sich das ausgeweitet hat. Anfang 2013 sind die Leute hier erst draufgekommen. Wien braucht wirklich ziemlich lange.“
Genau diese Wiener Lethargie treibt den jungen Musikschaffenden auch ins lebendiger anmutende Ausland. Nach dem Schulabschluss soll es nach York in Großbritannien gehen, wo salute Music Technology studieren möchte. Davor kann man den Produzenten aber noch einige Male vorranging in Österreichs Hauptstadt hinter den Reglern beobachten. Wenn er live performt, dann ergibt das ein rhythmisches Feuerwerk. Angesprochen auf das lasterhafte und verführerische Clubleben mit Sex, Drugs und allem, was so dazugehört, antwortet er in überlegter und gleichzeigt etwas jugendlicher Art: „Ich spiel sehr viele Tracks. Es kann sein, dass ich einer Stunde 45 Tracks spiele, da muss ich schon ziemlich konzentriert sein.“ Deswegen kommen jegliche bewusstseinsverändernde Substanzen für ihn auch nicht infrage. „Mir muss man Drogen nicht andrehen, ich brauch‘ so etwas wirklich nicht. Ich versteh‘ auch nicht, warum die Leute zu mir kommen und mir so etwas anbieten.“ Ein Grund für ihn, mit jemandem nicht befreundet zu sein.
Immerhin gibt es noch andere Möglichkeiten, um sich dem verkopften Alltag zu entziehen. „Manchmal hab ich’s einfach still, damit ich mich auch ausruhen kann, dann hör ich Musik. Das ist kein Refugium oder so, aber mit Musik bleib ich am Boden und kann klar denken.“ Und was hört jemand, der sich sonst eher mit jeder Menge Bass und Synthies beschäftigt, um zu entspannen? „HipHop, aber Instrumental. J Dilla, da hör ich seine Alben durch. Oder alte Jazz-Klavierstücke von Ahmad Jamal – „I Love Music“ ist eines meiner Lieblingsstücke.“ Wenn er das seinen Freunden erzählt, wird ihm vorgeworfen, damit nur „cool“ sein zu wollen. Deshalb lässt er es einfach lieber, die würden es ja doch erst in ein paar Jahren verstehen. Wenn überhaupt. Beim Gespräch mit salute merkt man sehr bald, dass er sich den Hobbys seiner gleichaltrigen Kollegen wohl schon länger entzogen hat. Während Gleichaltrige noch über die neuesten PS3-Spiele diskutieren, interessiert er sich lieber für das politische Geschehen in Österreich. Er befindet sich gerade auf Klassenreise in Istanbul, als der starke Stimmenzuwachs der Freiheitlichen Partei Österreichs bei den Nationalratswahlen bekannt wird. Als er vom Wahlergebnis erfährt, ist er geschockt: „Hier sind alle so coole Leute und ich als Schwarzer bin in Istanbul und sie lieben mich. Eben weil sie nicht viel mit Schwarzen zu tun haben. Dann habe ich das auf Österreich übertragen – hier hat man Angst vor Leuten, die nicht die gleiche Identität haben.“
Auch am eigenen Körper hat er schon die rassistischen Auswüchse unserer Gesellschaft zu spüren bekommen. Mit 13 Jahren wurde er in der Nähe seines Elternhauses in Aspern mit dem Messer bedroht und am Hals verletzt. Längere Zeit habe er sich danach nicht aus dem Haus getraut. „Es ist ziemlich schade, dass man so ignorant sein kann.“ Ein Grund mehr für ihn, sich außerhalb von Österreich ein neues Leben aufzubauen. „Wie freundlich die Leute in York zueinander sind, ist unglaublich. Österreich wird immer als offenes Land dargestellt – ist es auch – aber ich finde es könnte viel besser sein was das angeht.“ Seine Eltern hingegen, die nach langer Reise in Wien eine neue Heimat gefunden haben, würden Österreich nie verlassen. Und auch salute sieht sich als Wiener, seine Kindheit hier würde er nie verleugnen.
Unterstützung bei der Internationalisierung seiner Musik bekommt salute von seinem britischen Manager, der ihn bei durchdachten Pläne unterstützt. Auf die Lionheart-EP, die im Dezember über das UK-Label Cool Kid Music releast worden war, folgte ein offizieller Remix zu Sam Smiths neuer Nummer „Money On My Mind“. Herrn Smith kennt man wahrscheinlich am ehesten als Hook-Drescher von Disclosures klickträchtiger Nummer „Lash“, die weltweit für Furore sorgte. Mittlerweile wurde Sam Smith aber auch auf Platz 1 der jährlichen BBC-Liste „Sound of …“ gewählt – ein Erfolgsbarometer mit Zuverlässigkeit. Den Track, den der 17-jährige Wiener mit einem eigenen Remix veredeln durfte, erscheint über das Traditionslabel Capitol Records, auf dem schon Künstler wie Miles Davis oder The Beatles vertreten waren – eine Ehre für jeden Musiker. Weiters ist eine Single in Zusammenarbeit mit einer Sängerin geplant, welche bereits mit George FitzGerald kollaboriert hat. „Ich habe jetzt so viele Tracks, dass ich bis Mai konstant was raushauen könnte – aber ich mach das ziemlich gezielt“. Alles scheint ziemlich strukturiert und geplant in der Welt dieses Maturanten aus Transdanubien. Alles wirkt sehr ehrlich und klug durchdacht. Ohne die üblichen großen Höhenflüge.
Als einziger Österreicher unter fünf Künstlern geht es im Sommer schließlich auf Tournee. Gemeinsam mit fwdslxsh, der polnischen Produzentin Chloe Martini, dem Franzosen Phazz und dem US-Amerikaner Tajan wird Australien bespielt – Nordamerika und Europa sollen folgen. Eine kleine musikalische Weltreise also, der vorerst noch die Hürde Matura im Weg steht. Jedenfalls bleibt auf den schier endlosen Flugreisen Zeit für ein weiteres Hobby: das Lesen. Laut salute eines „der besten Bücher Afrikas“ ist „Things Fall Apart“ des nigerianischen Schriftstellers Chinua Achebe, der über den Zerfall der afrikanischen Gesellschaft durch die koloniale Herrschaft der christlichen Missionare schildert.
Bis dahin wird salute aber noch einiges aus seinem Donaustädter Zimmer ins World Wide Web streuen. Man hört ja immer wieder von aufstrebenden Sternen, Acts denen eine glorreiche Zukunft versprochen und vorausgesagt wird. Und ebenso schnell wie ihnen diese garantiert wurde, waren sie auch schon wieder in Vergessenheit geraten. Dürfte man sich etwas wünschen, dann dass all die Hoffnungen und Versprechungen für den jungen Wiener in Erfüllung gehen und ihm eine Zukunft in und durch die Musik beschieden wird.
https://www.facebook.com/sxlute
http://twitter.com/salute_music
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Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute verbessert sie, hievt Beistriche wieder auf ihren richtigen Platz und hält die ganze Bande mit liebevoller Strenge zusammen. Nach dem Dienst im KURIER-Newsroom hört sie dann eine Zugezogen-Maskulin-Platte zum Einschlafen.