Ende 2009 hat der Wiener MC Juda ganz still und heimlich eine Platte veröffentlicht, die den Sound der Golden Era atmet.
Juda ist ein bisschen hängengeblieben, wenn es um Rap der späten Neunziger geht. Das größte Talent des 27-jährigen Wirtschaftsstudenten ist es, wie jemand oder etwas zu klingen, das man ihm nicht ansieht. Denn: Juda ist gebürtiger Wiener und rappt auf englisch – so authentisch, dass es im ersten Moment schon ein wenig unglaubwürdig ist. Angefangen hat alles 1998 mit einer Schulaufführung, als der damals 15-Jährige zusammen mit seinen Klassenkollegen Kurd.Y und Kamp auf einen nachgebastelten MC Solaar-Beat gerappt hat. Wogegen der eine bald darauf in aller Munde war, haben sich Juda und Kurd.Y zusammen mit MC Foxxxy (heute Magus) zur unscheinbaren, Native Tongues-inspirierten Rapcrew Wordforce formiert. Die erste ernstzunehmende Aufnahme kam 2003, „in ur schlechter Qualität“, wie Juda betont. Wenig später trennten sich die Wege der drei englisch-rappenden MCs und Juda konzentrierte sich vornehmlich auf Glücksspiel und sein Studium. Seine Faszination für dreckigen Ami-Rap in 90er-Aufmachung hat ihn schließlich 2008 dazu gebracht, zusammen mit dem Wiener Produzenten und Hawara Million Keys an einer richtigen Platte zu arbeiten. „Chips, Dips, Chains & Whips“ ist vollgepackt mit 70er Funk/Soul/Jazz-Samples und Ich-bezogenen Großstadt-Lyrics, kompliziert arrangiert und bewusst schmutzig. „Es braucht nicht so viel, um einen guten Track zu produzieren“, sagt Juda. „Ein gutes Sample, einen MC, der das sagt was er denkt und nicht, was er glaubt sagen zu müssen, ein bisschen Fingerspitzengefühl in der Umsetzung. Und in unserem Fall: Geld, das wir nicht haben.“ Funktioniert hat’s trotzdem.
TM: Englischrap im Österreichkontext ist oft ein bisschen heikel. Du rappst ja auf englisch. Wie kommt’s, dass man dir überhaupt nicht anhört, dass du Wiener bist?
Juda: Ich bin keineswegs native, wenn du das ansprichst. Ich mach das schon seit einiger Zeit und man arbeitet halt doch sehr an Wortschatz, Aussprache und alldem. Ich hab 98 angefangen auf englisch zu rappen, da war das noch nicht ganz so exotisch wie heute. Und da ich das Ganze sowieso nie so ernst genommen hab, hab ich auch nie wirklich drüber nachgedacht, ob es besser für mich wär, auf deutsch zu rappen.
Hast du’s mal probiert?
Ich hab eine Zeit lang probiert, auf deutsch zu freestylen. Aber da hab ich mich immer angehört wie jemand aus dem Ruhrpott. Auf deutsch hat das also nie so geflowt.
Wie arbeitest du konkret an Wortschatz und Aussprache, sitzt du jeden Tag so mit Wörterbuch da?
Ich hab jahrelang gefreestylt und bin mir sicher, dass ich mir hauptsächlich dadurch meinen Wortschatz aufgebaut hab. Außerdem ist es in einer globalisierten Welt heutzutage relativ einfach, seinen Wortschatz zu erweitern und ständig in der Übung zu bleiben, zum Beispiel durch Blogs oder dadurch, dass man sich Filme auf englisch anschaut. In meinem Studium sind 50 Prozent aller Kurse auf englisch, ich übe ständig. Es passiert dann auch an manchen Tagen, dass ich nur noch auf englisch denke und das Gefühl hab, dass es in dem Moment völlig irrelevant ist, ob ich jetzt in Österreich sitz oder was weiß ich wo.
Bei der Produktion von „Chips, Dips, Chains & Whips“ war es für euch anscheinend von großer Bedeutung, dass der Sound so „alt“ daherkommt. Warum das?
Beeinflusst sind wir beide in erster Linie vom Rap der späten Neunziger. Insbesondere halt das ganze Native Tongues-Zeug, ich feier aber eigentlich fast alles blind ab, was aus dieser Zeit kommt. Eine gewisse Rückwärtsgewandtheit liegt also auf der Hand. Andererseits ist der Million Keys ein sehr vielseitiger Produzent, den man nicht unbedingt in die Oldschool-Schublade stecken sollte. Ich kann mich aber mit allen möglichen Sounds anfreunden, solang der Sound schön dreckig ist und mir irgendeine Emotion vermittelt, die ich dann wiederum ignoriere, um über was ganz anderes zu schreiben.
Habt ihr den Release bewusst so gehandhabt, dass man nur szeneintern etwas davon mitbekommen hat?
Bewusst würd ich nicht sagen, wir waren halt nicht gerade die Promotion-Weltmeister. Die üblichen Baustellen haben wir eh abgeklappert, haben eine Releaseparty gespielt und uns bei Tribe Vibes gemeldet. Aber ein bisschen ein Mystery haben wir schon drum gemacht (grinst).
Ich würde aber sagen, dass die Platte der erste Stein für Dinge war, die noch folgen werden. Auch eine gute Promotion dauert eine gewisse Zeit. Wenn man es wirklich gescheit machen will, muss man Leute engagieren, die davon eine Ahnung haben.
Auf der Platte ist das Wort „Laster“ sehr oft zu hören. Was ist dein größtes Laster?
(lacht) Oh, das ist nicht so leicht, da gibt’s viele. Es ist auch nicht so wichtig, ein Laster hervorzuheben. Die Platte ist jedenfalls in einer Zeit entstanden, in der ich nicht besonders ausgeglichen war. Gut, ich würd auch nicht sagen, dass ich’s jetzt bin (lange Pause). In erster Linie geht es auf der Platte um mich, das heißt, es geht um nichts Gutes. Das ist ein Seelenstrip.
Das klingt aber sehr negativ…
Vielleicht ist auch gerade das das Gute an der Platte. Die Beats, die doch sehr jazzig und funky angehaucht sind und in eine sehr positive Richtung gehen und dann die Message der Lyrics, die gerade nicht in diese Richtung geht – was den Sarkasmus umso mehr unterstreicht. Diese Ambivalenz hat mich sehr gereizt. Ich denk da auch an Ska oder Ragga, wo die Musik an sich immer super sunshine ist und es textlich oft um „shoot, shoot, kill, kill“ geht. Das ist eine sehr interessante Mischung.
Du ziehst oft Verbindungen zum Pokerspielen und hast auch einen Track darüber geschrieben. Spielst du noch?
Ja, leider. Glücksspiel ist nicht unbedingt eine Sache, die man so locker nehmen sollte. Ich hab da einige negative Fälle in meinem Umfeld und kann zumindest sagen, dass bei mir noch alles in Ordnung ist, im Moment.
Machst du das so richtig professionell und regelmäßig?
Professionell verlieren, ja. Regelmäßig spiele ich schon, ich hatte auch schon gute Zeiten, aber das Spielen ist generell mit so vielen Suchtfaktoren verbunden… Was war die Frage nochmal? (lacht)
Ist’s bei dir eine Sucht?
Auf jeden Fall, ja, sicher.
Wie bist du da reingerutscht, wenn ich fragen darf?
Über meine Exfreundin. Die war eine arge Black Jack-Spielerin und hat mich das erste Mal mit ins Casino genommen. Dann hab ich einige Zeit lang Black Jack gespielt, bis der Poker-Boom vor drei Jahren hochgekommen ist. Und das war gerade der perfekte Zeitpunkt.
Was war das meiste, das du gewonnen hast?
Schon ein paar tausend Euro.
Und verloren?
Ja, das war dann halt auch sehr schnell wieder weg… Ich würde nicht sagen, dass ich mit dem Pokerspielen an sich ein Problem hab. Ich hab einen Haufen gewonnen, einen Haufen verloren – das wirkliche Problem sind eher andere Glücksspiele und triebgesteuertes Verhalten im Allgemeinen. Ob das jetzt Drogen, Glücksspiel oder was auch immer ist. Auf der Platte geht es ja nicht nur um mich, sondern auch um mein Umfeld und ich bin von einem Haufen nicht sehr ausgeglichener Leute umgeben, die mit unterschiedlichen Lastern zu kämpfen haben. Ich würde sagen – und deswegen bin ich gerade etwas ins Stottern gekommen – dass bei mir das Glücksspiel nicht unbedingt das größte Problem ist, im Vergleich zu anderen Leuten, die ich kenne. Es ist gerade das Automatenspiel bei manchen, die sich dadurch in wirklich arge Schulden gestürzt haben. Das ist für mich dieser typische Großstadtfilm.
Text & Interview: Pia Moser
Foto: René Kops
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