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Von und für die Extraklasse: Ufo361 mit „Rich Rich“ // Review

Von und für die Extraklasse: Ufo361 mit „Rich Rich“ // Review

Ufo361-Rich-Rich-Cover

Das Release von „Rich Rich“ scheint ein kleines, ungewolltes Experiment zu sein. Denn es wird zeigen, wie stark sich die Coronakrise auf große Veröffentlichungen der Musikindustrie auswirkt. Ufo361 ist definitiv ein Big Player, seine Fanbase wirkt aktiv, loyal, gigantisch – die aktuellen Umstände scheinen keinen allzu großen Einfluss auf den Erfolg der LP haben. Dennoch, Ufos für Mai angesetzte „Wave / Rich Rich“-Tour musste abgesagt werden, Promotermine sind zurzeit – wenn überhaupt – eingeschränkt zu vollbringen und obendrein sind derzeit vermutlich einige seiner Fans von existenziellen Sorgen und Ängsten betroffen. Gute Gründe, die Veröffentlichung eines Albums zu verschieben, hatte nicht zuletzt Haftbefehl, der die Verzögerung seines langersehnten neuen Albums zur Missgunst vieler Fans verkündete.

(Stay High/VÖ: 24.4.2020)

Im Gegensatz zu seinen Solo-Vorreitern „Wave“ und „VVS“ wirkt „Rich Rich“ nahezu minimalistisch. 13 Songs, mit dem US-amerikanischen Rapper Future findet sich lediglich ein Featuregast auf dem Album ein. Besagtes Feature hätte bereits 2018 stattfinden sollen, als Ufo361 sich dazu bereiterklärte, 100.000 Dollar für einen gemeinsamen Song zu bezahlen. Laut eigenen Aussagen stellte er das Geld bereit, Futures Management hätte jedoch ab einem Punkt nicht mehr auf seine Anfrage reagiert. In Anbetracht dessen, Futures Größe und Impact auf dem internationalen Musikmarkt und dem Fakt, dass er der einzige Featurepartner auf der LP ist, sorgt der gemeinsame Song „Big Drip“ für ein markantes Outstanding.

Thematisch wirkt „Rich Rich“ auf den ersten Blick wie ein weiteres Lifestyle-Album von Ufo – als drehe sich alles um hohe Geldsummen, teure Statussymbole, den extravaganten Lifestyle der Extraklasse. Exakt das würde auch mit seiner Inszenierung auf Instagram kongruieren, zeigte er sich dort in der Vergangenheit meist protzig. Shoppen gehen in Mailand, mit dem Privatjet nach Innsbruck, Fotos seiner 1.000-Euro-Rechnung für ein 13-Gänge-Menü. Doch diese provokativ-pompöse Präsentation seines Lebens ist nicht der Schlüsselfaktor von „Rich Rich“.

Vergiss niemals, wo du herkommst, nein / Auch wenn du jetzt reich bist / Und dein Lambo skrrt macht / Und wenn es regnet, du ein’n Versace-Schirm hast / Und all die Leute, für die du so viel getan hast, weg sind“

Ufo361 auf „Eliantte“

Denn es ist ein neues Level an Sound, Lifestyle und Status, das Ufo nun zu erreichen scheint. Er ist „rich, rich“, das wird bereits auf der Vorabveröffentlichung „Nur zur Info“ eindeutig und bildet die Basis der neuen LP. Fast keiner im Deutschrap lebt den hochkarätigen Lebensstil so exzessiv und zugleich ästhetisch wie Ufo, der das auch durchweg auch auf seinen Songs verkörpert. Dennoch überrascht das Album, denn es glänzt vor allem durch seinen Minimalismus, den teils zurückgehaltenen Autotune und Ufos soundtechnischen Fortschritt.

Meine Freunde, ja, entwickelten auf einmal alle Missgunst / Denn ich zahle mit fünfhundert, sag zum Kellner: „Dicka, stimmt so, ja“ / Mein Papa meinte: „Sohn, werde bloß kein Nichtsnutz, nein“ / Heute bin ich rich, Baba, rich, rich, rich, rich / Nur zur Info“

Ufo361 auf „Nur zur Info“

Bereits der erste Song „Eliantte“ (anscheinend nach einem Juweliergeschäft in New York benannt) offenbart die thematische und musikalische Richtung, die Ufo361 nun einschlägt. Denn das materielle Luxusleben birgt Schattenseiten, lässt Ufos Vergangenheit nicht ungeschehen machen: „Alle Schulden abbezahlt / Ja, ich acker jetzt Tag und Nacht“. Und so heißt es auch auf „Nur zur Info“: „Schulden beim Dealer wegen Sucht / Heute bin ich die Quelle, wenn du brauchst“. Ufo vergisst nicht, wo er mal stand, wo er herkommt, was seiner arroganten Protzerei auf gewisse Art und Weise eine Tiefe verleiht.

„Rich Rich“ erweckt nicht den Anschein, als würde man hier auf Teufel komm raus eine Palette an Hits anbieten wollen. Mal ist ein Song nur knapp zwei Minuten, mal über 3 Minuten lang. Insbesondere „Bad Girls, Good Vibes“ sticht durch seinen prägnanten Sound hervor. Der Beat ist eine vielversprechende Zusammenarbeit des deutschen Duos The Cratez mit dem kanadischen Produzenten Coop The Truth und OZ aus der Schweiz. Soundtechnisch erinnert der Song an eine Synergie aus Drakes „How About Now“ und einem der Meisterwerke von Frank Ocean, vollendet und individualisiert durch einen atmosphärisch klingenden Part von Ufo. „Bad Girls, Good Vibes“ manifestiert, dass Ufo nun weiter entfernt vom Playlisten-Denken agiert, dass auf der LP Soundharmonie und der musikalische Entwicklungsprozess im Vordergrund zu stehen scheinen. In Burj Al Babas, einer Disney-Schlösser-ähnlichen Geisterstadt in der Türkei wurde das Video zum genannten Song gedreht und beweist, dass auch der Anspruch auf visuelle Ästhetik eine prägnante Rolle zu spielen scheint.

See Also

Bin drunk, ja, bestell noch mehr Bombay, ja, ja / Ich will allein sein, wenn ich mein Geld zähl“

Ufo361 auf „Allein sein“

Die LP zeigt sich facettenreich. Während „Emotions“ fast schon nach einem tanzbaren R’n’B-Track aus den USA klingt, erinnert der Titelsong wohl am meisten an Ufos vergangenen musikalischen Output. Zu Ehren des kürzlich verstorbenen Kobe Bryant änderte Ufo361 kurzerhand den Titel eines bereits bestehenden Songs um. Auf besagtem Track wirkt Ufo humbled: „Rich, rich bist du erst, Dicka, wenn du teilst“, rappt er. Dennoch verkörpert er den Lifestyle der Reichen, die Shirts dürfen von Prada sein, nicht von der internationalen Modekette Zara, so seine Aussage auf „Fokus auf die Zukunft“. Wer sich inhaltlichen Tiefgang, ähnlich wie auf „808“ erwartet hatte, dürfte mit „Rich Rich“ enttäuscht werden, denn das Album ist vielmehr das Statement eines reichen Rappers anstatt einer emotionalen Reise. Ufo361 ist der Reichste, da kommt keiner ran. Wer nicht seinen Status hat, solle am besten gar nicht erst mit ihm reden, heißt es auf dem Titelsong. Für einen gewaltigen Dämpfer sorgt „Do Not Disturb“, worauf Ufo rappt: „Ja, sie ist lesbisch, ja / Doch sie lässt mich ran“. Allerspätestens nach der berechtigten Kritik an Bausas Line „Ich lass keine Hurentochter ungefickt, alle wollen meinen Dick / Sogar Lesben werden umgedreht“ sollte klar sein, dass solche Aussagen alle Grenzen des guten Geschmacks überschreiten und schlichtweg indiskutabel verletzend und verachtend sind, Ufo.  

Fazit: „Rich Rich“ ist ein Wechselspiel aus den Vorzügen von Ufos Reichtum und seiner Melancholie. Hochqualitative Beats treffen auf einen Rapper der Extraklasse. „Erst wenn du alles hast, Dicka, bist du rich, rich“. Ufo361 ist reich, punkt. Doch dieser monetäre Reichtum ist keineswegs der Erfolgsträger der LP, vielmehr kann der zeitgemäße Sound überraschen. „Rich Rich“ bietet nicht zu viel und nicht zu wenig, strahlt durch seine exquisite Sounduntermalung sowie Ufos Leichtigkeit und zeigt, dass sich das „Ackern jeden Tag“ zu lohnen scheint.

4 von 5 Ananas