Now Reading
Schöner Leben: Ufo361 mit „LOVE MY LIFE” // Review

Schöner Leben: Ufo361 mit „LOVE MY LIFE” // Review

Als Ufo361 (34) vor neun Jahren sein Solo-Debüt „Ihr seid nicht allein“ über Hoodrich veröffentlichte, war schwer abzusehen, wohin sich seine Karriere in den Folgejahren entwickeln würde. Talentiert war er auch auf BoomBap-Beats, aber für den Status als Deutschrap-Superstar brauchte es einen musikalischen Wandel. Trap heißt das Zauberwort. Den Atlanta-Sound hat Ufo in Deutschland groß gemacht.

Die Konsequenz: Seit dem 2018er-Album „808“ ist er auf einem kommerziellen Triumphzug. Nebenbei konnte er sich seine musikalischen Träume erfüllen. Zusammenarbeiten mit gefragten amerikanischen Acts sind für Ufo mittlerweile kein Novum mehr. Für sein achtes Album „LOVE MY LIFE“ hat er noch eine Schippe draufgelegt: So stehen Namen wie Offset, Gunna, Lil Keed oder 070 Shake in den Credits. 

Das ist imposant, wie auch die Zusammenarbeit mit Anne Imhof. Die deutsche Künstlerin, die sich in ihren Werken mit dem großen Thema der Freiheit der Gedanken auseinandersetzt und 2017 mit einem Goldenen Löwen bei der Kunstbiennale in Venedig ausgezeichnet wurde, hat nicht nur das Cover zu „LOVE MY LIFE“ gestaltet; sie ist auch auf dem Titeltrack als Feature angeben, gemeinsam mit der von Kanye West entdeckten 070 Shake. Auf „LOVE MY LIFE“ arbeiten Anne Imhof und Ufo nicht zum ersten Mal zusammen: Ufo hat zuvor schon den Sound für ihre Installation „Youth“, die bis Januar 2023 im Amsterdamer Stedelijk Museum zu erleben war, bereitgestellt. 

Das schwierigste Album des Ufo361

Die Zusammenarbeit mit Anne Imhof dürfte auch zu den unkomplizierteren Kapiteln des Gestaltungsprozesses für „LOVE MY LIFE“ zählen. Private Angelegenheiten erschwerten laut Ufos Instagram-Statement ebenso die Arbeiten wie der Tod Lil Keeds oder die Verhaftung Gunnas. Gegebenheiten, die Ufo umso mehr zeigten, dass er sein Leben zu lieben habe. Dieses Statement wirkt nachdenklich und selbstreflexiv – Adjektive, die sich auch auf dem Album finden. Denn „LOVE MY LIFE“ ist nicht nur ein bloßes Zelebrieren eines materialistischen Hedonismus. Es gibt ebenso Passagen, an denen sich Ufo von seiner nachdenklichen Seite zeigt.

Nachdenkliche Momente sind gleich auf dem emotionalen Opener „MOMMA“ zu finden, auf dem Ufo von einem gut aufgelegten Offset unterstützt wird. Neben Auszügen seines Kaufverhaltens gedenkt Ufo auf „MOMMA“ seiner verstorbenen Mutter, der er großen Anteil an seinem Erfolg bescheinigt: „Mama, we made it“, heißt es schließlich. Mit Zeilen wie „Ihr erzählt doch, ihr wart immer da/Doch wo wart ihr an ihrem Grab/Nichts, wie es war, seit dem Tag/Jeder Verlust macht dich stark“ gibt es auch einen Ufo ohne Teflon-Schicht zu hören.

Thematisch verschieden, aber ebenfalls sehr emotional fällt der zuckersüße Liebes-Track „NUR SIE DARF“ aus. Hier ist es auch kein Problem, wenn Ufos Nuschelei für etwaige Verständnisschwierigkeiten sorgt. In „PRAYER“ widmet er sich seinem engen Umfeld und Gott, während „MAURITIUS“ ganz im Zeichen der Dankbarkeit steht – und in dem er auch seine neue Rolle als Vater anspricht, heißt es darin doch „Bin jetzt Vater, mein Sohn ist ein Prinz/Bin so dankbar, ja, dass es dich gibt“.

Viel heiße Luft

Natürlich ist das nur eine Facette des Albums. Der Schwerpunkt liegt wieder darauf, heftig CO₂ in die Luft zu blasen – mit Porsches und Ferraris oder gar einem Privat-Jet. Der Klimawandel ist hier kein Thema. Ansonsten wird Haute Couture getragen, in teuren Schmuck investiert und in noblen Hotels genächtigt. Aber genau so oft, wie Ufo sich dem Flex hingibt, betont er, wie viel Blut, Schweiß und Tränen hinter jedem Porsche im Fuhrpark gesteckt haben. Er ackert für seinen Reichtum sehr hart. Diesen Eindruck möchte er unbedingt bei dem Hörenden hinterlassen.

Es zu zeigen, dass man es geschafft hat – obwohl man wahrlich nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde. Ein altes HipHop-Motiv, nämlich des Außenseiters, der es innerhalb der neoliberalen Logik nach oben schafft – das präsentiert Ufo361 in „LOVE MY LIFE“: „Ich glaub‘, dann weiß sie, ja, ihr Mann bleibt ein Baller/Guck, wo wir herkommen, wir war’n Kids am Corner“, heißt es folgerichtig im Titeltrack.

See Also

Schade nur, dass es auf Albumlänge ein wenig an Einfallsreichtum bei der Schilderung des Luxus-Lebens mangelt. Schnelle Autos sind schön, aber warum zur Abwechslung nicht ein paar Statements wie im Interview mit der GQ, in dem Ufo erzählte, dass er seine Haare mit Evian Mineralwasser waschen würde? Solche Möglichkeiten zur ausgefallenen Statusbeschreibung werden auf „LOVE MY LIFE“ nicht ausgeschöpft.

Jersey Club und Bossa Nova

Gewohnt stark sind die Beats. Hervorzuheben ist das hektische Instrumental zu „PRIVACY“, ein Jersey-Club-Beat mit der prägenden Triplet-Kick – in Rap-Kreisen verschaffte vor allem Lil Uzi Vert mit „Just Wanna Rock“ Jersey Club zuletzt einen Popularitätsschub. Bossa-Nova-Vibes gibt es hingegen auf „MAURITIUS“ zu hören, wo einem die weichen Gitarren-Klänge entgegenfließen – Bossa Nova war in jüngerer Vergangenheit etwa auch bei Juice Wrld („Make Believe“) oder Lucky Daye („Call“) vorzufinden. Wie in „TOKYO“ und im Closer „ZURICH“ spielen auch auf „MAURITIUS“ textliche Bezüge zur titelgebenden Lokalität eine untergeordnete Rolle; es geht primär darum, den Vibe, der mit diesen Orten assoziiert wird, musikalisch einzufangen.

Für Ufos majestätischen Vibe braucht es aber manchmal nur eines dieser charakteristischen, mystisch klingenden OZ-Samples. Das gilt auch für das Album-Highlight, dem Titeltrack. Der ist ein Konzentrat all dessen, was sich auf dem Album abspielt – und wartet eben mit Features von 070 Shake und Anne Imhof auf. Deren Beteiligung fällt realiter zwar zurückhaltend aus – 070 Shake übernimmt die Bridge, Anne Imhof gibt ein „Pah, pah, pah“ am Ende des Songs von sich. Aber beide leisten ihren Beitrag zu dem Gefühl, dass sich hier gerade Großes abspielt. Dazu passt die im Track vorhandene Ankündigung, dass dieses Album wohl Ufos letztes sei. Ob das stimmt? Wahrscheinlich nicht, dafür ist er zu sehr Workaholic. Glaubwürdiger hingegen die andere Behauptung: „Ich glaub‘, das Album wird mein bestes“. Ob’s wirklich das beste ist, darüber lässt sich streiten. „LOVE MY LIFE“ ist aber sicherlich eines seiner besten.

Fazit

Auf seinem mittlerweile achten Studio-Album wird bei Ufo361 wieder geklotzt, nicht geklecktert. Das zeigt schon die Feature-Liste. Insgesamt ist „LOVE MY LIFE“ ein rundes Trap-Album, auf dem Ufo361 zwar persönliche Einblicke zulässt, das Zelebrieren des eigenen Lifestyles aber oberste Priorität hat. Ein Kontrastprogramm zu dem, was er noch vor neun Jahren in „Der Weg“ auf „Ihr seid nicht allein“ von sich gab: Schimmel an der Decke, Ziellosigkeit und fast depressive Zustände gehören der Vergangenheit an. Mittlerweile lebt Ufo ein komplett anderes Leben – und er liebt es, darüber gibt es nach dem Hören des Albums keine Zweifel. „LOVE MY LIFE“ eben.

3,5 von 5 Ananasse