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Straight Outta Oberland: VSDG & Da Kessl mit „Pfau“ // Interview

Straight Outta Oberland: VSDG & Da Kessl mit „Pfau“ // Interview

Da Kessl

Rap aus dem Pfadfinderheim – aber zum Glück nicht in Form pubertierender Jugendlicher, die sich in die Booth verirrt haben. Für die am Freitag erschienene „Pfau EP“ haben sich die Crews Von Seiten Der Gemeinde (VSDG) und Da Kessl im Sommer in der Landecker Pfadi Au eingebunkert und in kurzer Zeit sieben Tracks zusammengeschustert. Wir haben uns zu diesem Anlass mit den sechs Protagonisten unterhalten.

Der Zusammenschluss erscheint naheliegend, zumal VSDG, bestehend aus Rapper Yo!Zepp und den Produzenten Testa & Chrisfader sowie Da Kessl, bestehend aus Rapper Klaus Run, Rapper/Produzent Mo Cess und Produzent Pirmin, nicht nur in der Zahl ihrer Mitglieder einige Gemeinsamkeiten aufweisen. Beide Crews stammen aus der Gegend Landeck-Zams-Imst im Tiroler Oberland – wobei bis auf Yo!Zepp und Klaus Run mittlerweile alle in Wien leben. Sie stehen für Rap-Tracks im markanten Dialekt und druckvollen Sound, wie er bei ihrem Label Duzz Down San Standard ist.

Da Kessl

The Message: Es ist ja bisschen ein Generationending – Von Seiten Der Gemeinde ist schon einige Jahre länger aktiv als Da Kessl. War VSDG das erste große Vorbild vom Kessl?
Mo Cess: Das darf man ihnen jetzt nicht zugestehen (lacht). Als wir angefangen haben, sind die Jungs auf uns aufmerksam worden.
Yo!Zepp: Die Frage beantworten, Mo! (lacht)
Mo Cess: Die „Bauer to the People!“-EP von Yo!Zepp (Erschienen 2009, Anm.) hat uns schon sehr geflasht. Natürlich waren die Jungs ein großer Einfluss auf uns und auf das, was wir gemacht haben.

Gab es Elemente bei Von Seiten Der Gemeinde, von denen ihr euch bewusst abgrenzen wolltet?
Mo Cess:
Beide Gruppen greifen unweigerlich immer wieder den Heimatbezug auf, aber wir haben gewusst, dass wir nie Samples aus dem Kabel-TV und so verwenden würden, weil das absolut ihr Ding ist. Sonst machen wir ja seit einigen Jahren gemeinsam Musik und sind gut befreundet. Dass der Sound am Ende irgendwo ähnlich wird, ist dann gegeben.
Testa: Ein ganz gutes Beispiel ist der Track „Ja voll“ von der EP, weil es das VSDG-Ding mit Sprachsamples ist. Wir haben uns in einer Interviewsituation mit Trishes quasi selber gesamplet.

Ihr verwendet ja gerne Sprachsamples im Dialekt – folglich mit viel Tiroler Heimatbezug. Das sticht bei Von Seiten Der Gemeinde auf jeden Fall heraus.
Chrisfader:
Im Endeffekt macht es keinen großen Unterschied, was für Samples man verwendet. Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir das Patent darauf haben, nur weil wir damit angefangen haben. Wir haben uns damals gedacht, man muss nicht immer Ami- oder deutschsprachige HipHop-Vocals verwenden, es können ja auch regionale Fernsehsender sein und man schaut, was dabei rauskommt. Ich wäre jetzt nicht pissed, wenn wer anderer Dialektsamples verwendet. Es kommt ja immer auch auf die Umsetzung an.

Aus welchem Sender zieht ihr am meisten raus? Tirol TV?
Chrisfader:
Noch kleinere, also regionale Sender aus dem Tiroler Oberland. Kabel-TV Landeck und Kabel-TV Imst sind die größten Samplequellen bei uns.

Wie würdet ihr die Besonderheiten des Oberländer Dialekts beschreiben? Was unterscheidet ihn vom restlichen Tirol?
Yo!Zepp:
Dass er einfach viel cooler ist (lacht). Er ist in der Aussprache vielleicht härter, wenn man zum Beispiel das K hernimmt. Je weiter es ins Unterland geht, desto weicher wird die Aussprache und die Ähnlichkeit zum Salzburgerischen wird größer. Bei uns geht es sprachlich mehr in Richtung Schweiz – wir sind ja nicht so weit weg von der Grenze.
Chrisfader: Der tiefste Tiroler Oberländer Dialekt, wie er teilweise in den TV-Sendern vorkommt und mit dem wir auch größtenteils aufgewachsen und erzogen worden sind, ist für mich dem Schweizerdeutsch am nähesten. Im Unterland ist die Aussprache auch eindeutig tirolerisch mit hartem K, aber näher an bayrisch und salzburgerisch.

Die Nachbarschaft zu Vorarlberg wird gleich wegignoriert?
Yo!Zepp
: Der Bezirk Landeck grenzt ja direkt an die Schweiz, wir sind in einer halben Stunde dort und brauchen noch kürzer hin als nach Vorarlberg oder Südtirol. Aber das ist natürlich auch beides nahe.

Noch näher sind Ischgl und das Paznauntal. Wie nehmt ihr die Situation rund um die Skilifte und ihre Verantwortlichen dort gerade wahr? Sind die langsam geläutert?
Yo!Zepp: Da ist niemand geläutert. Die Ischgler Gegend ist einfach eine andere Welt. Da geht’s ums Kohle scheffeln. Die sind glaube ich immer noch der Meinung, dass sie nix falsch gemacht haben. Es ist halt ein Bergbauerndorf, das nix verdient, wenn im Winter nix los ist – und da geht’s gleich mal um richtig viel Geld. Sie tun alles dafür, dass wieder Touristen kommen – koste es was es wolle. Deshalb haben sie auch so lange offen lassen.
Chrisfader: Jeder der dort lebt, hat was mit der Bergbahn zu tun. 
Mo Cess: Auf Facebook gibt es einen neuen Profilbanner, viele Facebook-Freunde aus dem Paznauntal haben den. Da steht oben: ‚Wir lassen uns das Skifahren nicht verbieten‘.
Testa: Das hat der Platter gesagt – ‚Wir lassen uns von Deutschland das Skifahren nicht verbieten‘.
Yo!Zepp: Die Seilbahnlobby in Tirol ist wirklich riesig und mächtig – für alle, die dort wohnen und aufwachsen war es daher nicht überraschend, wie es abgelaufen ist und abläuft.

Kommen wir zu eurer „Pfau EP“, deren Name ans Pfadfinderlager in Landeck angelehnt ist, in dem die Tracks entstanden sind. Wie lange habt ihr euch in der Pfadi Au verschanzt?
Klaus Run: Ich kann mich nur noch schwer erinnern, es war ein ziemlich hartes Wochenende. Es waren glaube ich vier Tage, drei davon haben wir wirklich was gemacht.

Die Pfadi Au ist ja Sophie Scholl gewidmet. 1942 spielte sie ihrem Vater an der Gefängnismauer das Widerstands-Lied: „Die Gedanken sind frei“ – das ihr als Sample und Titelgeber im letzten Track verwendet habt. Den Tracks eurer EP würde ich sonst aber eher Representer-Charakter zuschreiben. Mit welchen Gedanken seid ihr in die Sessions gegangen?
Testa:
Wir hatten den Plan, dort vier Tage zu verbringen und Musik zu machen. Es hätte auch sein können, dass wir einen Track machen und sonst nur abhängen. Durch die Gruppenenergie hat es sich ergeben, dass wir fast ununterbrochen daran gearbeitet haben. Wir haben vorher nicht den Plan gehabt, etwas zu Sophie Scholl zu machen. Aber weil sie dort durch die Widmung sehr präsent ist, ist das dazugekommen. Es ist wirklich alles dort entstanden – es klingt blöd, aber es war gefühlt bissl magisch, weil es einfach so passiert ist. Dass nicht so viel nachgedacht worden ist, hört man inhaltlich wahrscheinlich bis auf ein, zwei Ausnahmen raus.
Pirmin: Ich glaube wir haben schon drei Beats mitgebracht, den Rest aber dort produziert.

Wie läuft es ab, wenn ihr zu dritt an Beats schraubt?
Testa:
Unterschiedlich. Es war bisschen Arbeitsteilung, ich habe mich eher ums Aufnehmen und ums Arrangement gekümmert. Chrisfader und Pirmin haben sehr viel produziert, aber es war bei jedem Track irgendwie anders. Jeder hat seine Finger im Spiel. Wie bei den Texten eigentlich immer in gegenseitiger Absprache.
Chrisfader: Auch dass jeder down mit dem Ergebnis ist, was nicht ganz leicht ist. In erster Linie wollten wir Spaß am Musik machen haben. Als wir gesehen haben, dass es gut läuft, haben wir uns noch mehr reingehängt, damit die EP in den drei Tagen so gut wie fertig wird. Dort inspirieren lassen, a Gaude haben und schauen, was dabei rauskommt.
Testa: Wir wissen genau, was wir feiern, machen viel Sound miteinander und man muss in Wahrheit über nix reden. Es wird einfach gemacht, jeder versteht, was der andere meint.

Stand dann gefühlt eher die Musik oder die Gaude im Vordergrund?
Mo Cess:
Es hat sich die Waage gehalten. Tracks machen, aufnehmen und dazwischen bisschen feiern, draußen grillen.
Yo!Zepp: Es war gut, dass es keine 40 Grad und kein wunderschönes Wetter gegeben hat. Es hat viel geschifft. Das hat dazu beigetragen, dass uns das Aufnehmen und Produzieren nicht so viel ausmacht und jeder drangeblieben ist.
Chrisfader: Die Rapper haben sich gegenseitig bissl hochgeschaukelt. Mo Cess war glaube ich sehr wichtig für die Motivation, was das Schreiben angeht. Er hat viele Ideen schnell umgesetzt und dann haben die anderen es sich nicht nehmen lassen, auch ihre Parts zu schreiben. Es war eine gesunde Competition.
Yo!Zepp: Einer fängt an und zeigt, was er geschrieben hat und dann waren die anderen schon heiß. Competition würde ich es gar nicht nennen – einfach eine super Dynamik. Ich kenne es sonst nicht so, weil ich fast immer allein schreibe. Es ist auch eher selten, dass wir mal zusammen an einem Ort an einem Track arbeiten. Wenn mir nichts einfällt, mache ich oft nichts. Aber so ist man immer dabei, bleibt am Ball, hat eigene Ideen und kann sich austauschen. Es war ein Credo von uns, den Sessioncharakter zu bewahren – schreiben, nicht lange herumdiskutieren, aufnehmen, fertig, nächster Track.

Was nehmt ihr aus der Erkenntnis, dass ihr in sehr kurzer Zeit eine EP zusammenschustern könnt, mit der alle down sind, mit?
Yo!Zepp: Es waren super Tage. Ich würde es auf jeden Fall feiern, wenn wir das wieder so machen.
Testa: Es ist erfrischend, weil sich der Sessioncharakter nachher weitergezogen hat. Wir haben es schon fertigproduziert, Cuts aufgenommen und so weiter, aber am Ende waren es knapp drei Monate zwischen dem Aufnahmewochenende und dem Tag, an dem wir das Vinyl gekriegt haben. Das ist Wahnsinn, weil die Vinyl-Produktion alleine zwei Monate dauert.  
Chrisfader: Sonst ist es oft das Gegenteil. Ich bin’s gewohnt, dass alles ziemlich lange dauert, was mir mittlerweile ziemlich auf die Nerven geht. Es war schön zu sehen, dass es schnell geht und man trotzdem zufrieden ist. Ich wüsste nichts, was ich an der Platte anders haben wollen würde. Ich würde es mir gerne beibehalten, Musik schneller zu machen und schneller zu einem Ergebnis zu kommen, mit dem man happy ist.

Da Kessl

Bist du sonst sehr verkopft?
Chrisfader: Extrem! Ich habe mit dem Produzieren mittlerweile ein schwieriges Verhältnis. Ich tu mir in der Gruppe leichter. Egal ob mit Testa für VSDG oder bei Restlesss Leg Syndrom. Ich tu mir leichter, meinen Teil beizutragen, als eine Idee von Null auf Hundert alleine zu bringen. Weil ich zu viele Möglichkeiten und Einflüsse habe. Ich verlaufe mich oft in irrelevanten Details und hab dann keinen Bock mehr. Mein Output ist, was Beats angeht, wohl am niedrigsten. Ich stecke nach wie vor sehr viel Zeit ins Scratching, das ist nach wie vor meine große Leidenschaft. Der Vorteil in der Crew ist, dass sich jeder auf das konzentrieren kann, was ihm am meisten liegt und am meisten Spaß macht.

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Siehst du dich eher als Turntable-Meister, die anderen eher als Produzenten?
Chrisfader:
Testa ist genauso Turntable-Meister, wir haben ja gemeinsam mit Turntablism angefangen. Auch Pirmin ist ein großartiger Turntablist. Es ist in unseren Roots drin, bei mir ist die Leidenschaft vielleicht noch bissl tiefer drin als bei den anderen. Dafür haben die sich eher ins Beat machen reingehängt – und wie man die fett mischt.

Pirmin, wo siehst du in deiner Herangehensweise ans Produzieren die größten Unterschiede zu Chrisfader & Testa?
Pirmin:
Ich würde nicht sagen, dass es sich riesig unterscheidet. Ich mache seit paar Jahren Beats, aber ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll – mir fällt irgendwie nichts ein (lacht).
Chrisfader: Ich finde nicht, dass es sich groß unterscheidet. Ich habe bei der Pfau-Session dadurch, dass Pirmin und ich mit Ableton produzieren und ich meinen Laptop dabei gehabt hab, viel mit ihm an Beats geschraubt. Es war sehr flott, weil wir die gleichen DAWs und Plug-ins verwenden und musikalisch ähnlich ticken. Wir arbeiten ja teilweise samplebasiert, teilweise mit Synths – viel mehr kann man dazu nicht sagen.
Testa: Die Unterschiede sind wahrscheinlich am ehesten stilistisch, wobei es da auch viel roten Faden gibt. Jeder hat sein eigenes Ding, aber wir sind trotzdem auf dem gleichen Nenner.

VSDG hat auch schon außerhalb Tirols bisschen Wellen geschlagen – das 2017 erschienene Da-Kessl-Debütalbum nennt sich „Größenwahn“. Was sind die weiteren Ambitionen vom Kessl?
Mo Cess:
Wir haben gesagt, dass wir uns wieder zamraufen und eine EP oder etwas in die Richtung angehen.Nach „Größenwahn“ haben sich unsere Wege ja bisschen getrennt. Ich bin nach Wien gezogen, Pirmin und Klaus haben  in Innsbruck zusammen gewohnt. Bevor Pirmin auch nach Wien ist, haben sie dort als Sonde44 das Album „Kontakt“ aufgenommen und sonst haben wir immer wieder Skizzen gemacht.
Klaus Run: Es hat Zeiten gegeben, in denen es für Mo Cess und mich schwieriger war, Musik zu machen. Da ist das Sonde44-Album entstanden, was vom Sound her ja auch wieder bissl was anderes als die Kessl-Sachen ist. 44 übrigens aus dem Grund, weil es wenn man es spiegelt wie eine Sonde ausschaut (lacht).

Gibt es von VSDG auch schon lose Pläne für einen Nachfolger von „State of Gmeind“?
Chrisfader:
Gar nicht lose! Es ist schon wieder voll lange her. Wir arbeiten an einem Album, aber ich will jetzt noch nicht sagen, wann es rausgeht. Da haben wir eh schon mal ins Klo gegriffen und gesagt, dass es heuer passieren wird – das wird sich nimma ausgehen. Wir sind definitiv motiviert, haben Ideen und schon Tracks aufgenommen, mit denen wir sehr happy sind, aber es fehlt noch bissl was.

Also steht bei Duzz Down San wieder ein ähnlich produktives Jahr an?
Testa:
Auf jeden Fall. Von Restless Leg Syndrome erscheint am 08. Jänner eine EP – da kommen nächstes Jahr vier in dieser Größenordnung und am Ende ein Doppel-Vinyl. Aus dieser Crew kommt als nächstes eine EP von Mo Cess und mir, wahrscheinlich auch im Jänner oder Februar. Später ist auch ein Album von Mo Cess und Chrisfader geplant.
Pirmin: Es wird auch eine EP von Kinetical und mir geben, wahrscheinlich Anfang des Jahres. Und ich schätze, dass ich noch irgendwann ein Instrumentalprojekt am Start habe. Bisschen was größeres als die „Bergfuir“-EP und komplett was anderes. Sehr elektronischer Sound – Richtung 70 BPM, grimey shit.
Mo Cess: Ich habe auch Gerüchte von einer Solo-EP von Klaus Run gehört.
Klaus Run: Da kommt sicher auch was, aber es gibt davor auf jeden Fall noch was von Sonde44.