Was bei der Musik zählt ist die Qualität. Da das aber leider nicht immer so ist, highlighten wir hier diejenigen, die im übrigen Geschäft wenig oder schiefe Aufmerksamkeit bekommen. Dieses Round-up soll speziell Frauen und queeren Personen einen Platz bieten, die im vergangenen Monat releast haben. Und deren Musik von Qualität ist. Stay tuned!
Georgia Anne Muldrow – Overload
Gemeinsam mit Aloe Blacc sowie ihrem Partner Dudley Perkins produzierte die kalifornische Sängerin Georgia Anne Muldrow ihr bereits 17.(!) Album „Overload“, das kürzlich über Brainfeeder erschienen ist. Die im Vergleich zu ihren vorherigen Werken poppig ausgestalteten Songs sind von synthielastigen Unterlagen getrieben und bieten inhaltlich ein Potpourri aus Liebe, Spiritualität und Selbstverwirklichung – als Ausreißer fungiert das emotional besonders aufgeladene „Blam“, das sich der Selbstverteidigung widmet: „Before I be a slave, I’ll be buried in my grave.“
Low Leaf – PRiMiTiVA
Gewohnt extravagant fällt die neue EP von Low Leaf aus. Die Kalifornierin sorgt für harfenlastige elektronische Sounds, die mitunter hypnotisch anmuten. Die sechs Tracks sind weitgehend in Eigenregie entstanden – neben Harfenklängen steuerte Low Leaf sanft anmutende, dennoch energische Vocals, Keys und Percussions bei, einige Gastmusiker komplettieren das Werk.
Leikeli47 – Girl Blunt
Dope Shit. Trotzige Stimme, Flow on point, Up-Beats die einfahren. Eine kecke Frau aus New York mit Power unterm Hintern, die unverdient unterm Radar fliegt, obwohl sie laufend releast und dabei auch noch stilvolle Videos beisteuert.
IAMDDB – Kurr£ncy
Es ist nicht so richtig verständlich, warum diese Frau nicht mehr gehypt wird. Vielleicht weil sie es nicht drauf anlegt, denn verdient hätte sie es. Die junge Rapperin und Sängerin aus Manchester surft lockerflockig auf souligen Trap-Wellen dahin, die Stimme lullt einen regelrecht ein. Einen Signature-Sound hat der „Moneymaker“ auf jeden Fall gefunden. Ein bisschen frischer Wind würde aber gut tun. Wer weiß, bald geht IAMDDB mit keiner Geringeren als Lauryn Hill auf Tour. Wenn das nicht inspirierend ist.
Mavi Phoenix – Young Prophet II
Über den Sommer bereitete sie uns mit drei sehr unterschiedlichen Videos zu „Bite“, „Trends“ und „Ibiza“ auf ihre dritte EP vor. Es ist schwierig, ihre Musik zu beschreiben, denn zwischen den Zeilen vor Autotune-Romantik und Hustler-Manier findet einiges statt. Mavi Phoenix wirkt ungewöhnlich unbesorgt über ihre Erscheinung, hat eine große Klappe und hält sich auch musikalisch nicht an Gegebenheiten. „Big Dick Energy“ würde man auf Twitter sagen. Mavis Stimme klingt sanft, ist aber eigentlich stark und frech. Die Beats wirken simpel, harmonieren aber perfekt zu ihrem verträumten, aber Ton angebendem Sprechgesang. Das Album hat Groove, Power und Charme. Mit „Prime“ dankt sie übrigens ihrer Heimatstadt Linz und allen, die positiv (mit ihr) in die Zukunft schauen.
Dope Saint Jude – Grrrl Like
Sie ist aus Kapstadt, queer und vor allem ist sie ein „Mädchen“, so wie… ja wer eigentlich? Dope Saint Jude setzt sich in „Grrrl Like“, dessen Titel sehr wahrscheinlich vom „Riot Grrrl“-Movement inspiriert ist, mit der Frage nach Identifikation als Frau auseinander. Ob sie am Ende wie ihre Mama, reverse Madonna oder Michelle Obama ist? „I don’t give a fuck, I’m the shit and I know“ ist das Fazit. Die südafrikanische HipHop-Szene ist lebhaft und voller Vielfalt, zumindest bei Dope Saint Jude. Im Video zeigt sie selbstbewusste, schwarze Menschen aus der queeren Szene, die ebenso keinen f*ck darauf geben dürften, was du denkst. Und das ist gut so.
Sa-Roc – Goddess Gang
Hart aber fair ist eine Metapher, die gut zu Sa-Roc passt. Der Sound ist dominiert von harten Bässen, schnellen Raps und einer tiefen, starken Stimme. Dabei dreht sich ihr lyrisches Universum um das Selbstbewusstsein als (Schwarze) Frau, als Goddess. Sie macht Mut und verpackt die Idee von Black Girl Magic in ein Konzept aus komplexeren Thematiken. Gegen Privilegien der Weißen aktiv werden, sich in der „Goddess Gang“ unterstützen, eine eigene Identität bilden. Am kommenden Freitag, den 09. November, könnt ihr Sa-Rocs Message im Rahmen des FemFridays mit ihr im Weltmuseum diskutieren, bevor sie live performt.
Rosalía – El Mal Querer
Seit Mai arbeitet die inspirierende Rosalía an einem Konzeptalbum. Der Sound würdigt ihre Heimat Barcelona mit den musikalisch markanten Elementen des Flamencos: der Gitarre, den Palmas (rhythmisches Klatschen) sowie dem Gesang auf Spanisch. Rosalías Stimme ist allgegenwärtig, klar, durchdringend. Das Gesamtwerk lässt sich als experimentelles Latin-Pop-Album hören. Ab und zu wird Rosalia aber auch härter, reimt in tieferen Tonlagen auf rhythmische Beats oder lässt sich vom R’n’B der 00er-Jahre inspirieren. Mit dem Intro zu „Bagdad“ ehrt sie Justin Timberlakes „Cry Me a River“. Die neuen Clips zum Album sind surreale 3D-Animationen Rosalías, die mit goldenen Stilelementen und biblischen Analogien überirdisch wirken und aussagen: „Ich kam, ich sah, ich siegte.“
Neneh Cherry – Broken Politics
Neneh Cherry veröffentlichte Mitte Oktober ihr neues Album „Broken Politics“ – ihr insgesamt fünfter, möglicherweise bisher bester Longplayer. Gänzlich produziert von Four Tet, behandelt die schwedische Sängerin/Rapperin/DJane, die dieses Jahr auch das Waves Vienna beehrte, auf „Broken Politics“ große Themen wie Waffengewalt oder Fluchtbewegungen. Und zwar auf ebenso eindringliche wie reflektierte Weise, wie etwa der Song „Kong“ beweist. Abseits der gehaltvollen Lyrics wird das Album von ihrer distinktiven Stimme getragen, die „Broken Politics“, im Zusammenspiel mit den Beats von Four Tet, zu einem faszinierenden Erlebnis macht.
Haiyti – Wieder auf LVL
Wo sie davor war, ist etwas unklar, jedenfalls ist Haiyti wieder auf Level. Dabei hat sie seit ihrem Album „Montenegro Zero“ im Jänner einige Tracks veröffentlicht. Eine Veränderung ist auch nicht zu sehen. Hayiti bleibt schrill, wie man sie kennt, nicht nur stimmlich. Outfit, Video und Lyrics passen sich an. „Ihr müsst mir glauben“, sagt Hayiti, aber die kryptischen Zeilen lassen offen, was genau gemeint ist und, ob sich dieses Level auf den neuesten Rausch oder eben eine Pause davon bezieht.
Lady Leshurr – 3AM in Brum
What can I say? Lady Leshurr hat einen unverkennbaren Sound, schaut ein bisschen crazy drein, wie Azaelia Banks, und haut fett auf den Putz. Entschuldigt die Begeisterung, aber einer selbstbewussten, lyrisch starken Rapperin mit ein wenig Selbstironie zuzuhören macht einfach Spaß.
Ramengvrl – Whachu Mean
Erst „I’m Da Man“, dann das. Bei so viel Savageness dieser 26-jährigen Indonesierin muss man fast sagen: Eine SoundCloud-Rap-Ikone ist geboren. Nur, dass Ramengvrl im Vergleich zum häufig undeutlichen Cloud-Rap-Geseusel kein Blatt vor den Mund nimmt.
Beats on Road: J. Lamotta
Auch als Produzentinnen werden eher Frauen selten wahrgenommen. Das Format „Beats on Road“ von DLTLLY möchte das ändern und lässt mit der in Tel Aviv geborenen und mittlerweile in Berlin lebenden J. Lamotta die erste Frau ein gut halbstündiges Beatset in der Berliner U-Bahn spielen und das ein oder andere vom Alltagstrott geplagte Gesicht aufheitern. Darüber hinaus singt und rappt sie auch und hat bislang drei EPs veröffentlicht. Sollte man auf dem Schirm behalten.
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