Lisa Simpson ist in Österreich Rapperin, Poetry-Slammerin, kann zwar nicht Saxofon spielen, aber hat eine Jazzband, die das kann. Und steht vielleicht noch mehr für Empowerment als ihr Original. In Österreich heißt Lisa – oder vielmehr ihre Synchron-Stimme – Yasmin Hafedh aka Yasmo, je nachdem von wem und in welchem Kontext sie angekündigt wird. Seit 2007 ist Yasmo auf Slam-Bühnen zu sehen und feiert dieses Jahr bereits ihr zehnjähriges Jubiläum in der Rap-Szene.
Yasmo ist ein fixer Name in zwei Subkulturen, die einander nur zu gerne belächeln und wandert so, nicht zu selten in goldenen Schuhen, den Weg zwischen Genre- und Szene-Grenzen ab. Dabei sorgte sie in den vergangenen Jahren vor allem dafür, dass in diesen Bereichen zunehmend Frauen sichtbar werden und dass nach ihr weitere Personen folgen, die das ebenso tun können und auch tun. Darum bemüht, dass sich auch die Schere zwischen Hoch- und Subkultur allmählich doch schließe, gehört Yasmo zu einer wesentliche Person der musikalischen und kulturellen Nachwuchsarbeit in Österreich. Und ist weit mehr als „die vom Poetry Slam, die jetzt Rap macht“. Für einen Streifzug durch zehn Jahre Yasmo waren wir mit ihr am Yppenplatz und beim Jubiläumskonzert im Wiener WUK.
Eine Wechselwirkung der Genren
Die Anfänge im Poetry Slam sind schnell erklärt: Eine 16-jährige Yasmin hat Gedichte geschrieben, wollte Literatin werden und war großer Schiller-Fan. Den Hinweis auf das passende Format Poetry Slam bekam sie von P.tah, worauf ein Auftritt mit Finaleinzug beim Textstrom-Slam folgte (Anm.: Der älteste bestehende Poetry Slam in Wien). „Ich habe dann zwei Freigetränke bekommen und war für mich und meine Freund*innen die Königin des Abends. Dann bin ich dabeigeblieben“. Unter anderem wegen Mieze Medusa und ihrer Nachwuchsarbeit, von beiden wird sie seither begleitet: „Von ihr habe ich auch gelernt, wie wichtig Nachwuchsarbeit ist, dass man das weitergeben kann und dass das Bühne teilen etwas Cooles ist“. Zwei Jahre später gewann Yasmin als erste Österreicherin 2009 bei den Deutschsprachigen (U20-)Meisterschaften im Poetry Slam in Düsseldorf und holt sich 2013 als erste Frau den Titel bei den österreichischen Slam-Meisterschaften. Mit Mieze Medusa tritt sie seit mehreren Jahren auch als Team unter dem Namen MYLF (Mothers You’d Like to Flow with) auf.
Die Schritte in die Rap-Szene liegen ähnlich weit zurück und sind ähnlich überschaubar. Hier beginnt alles mit Freestyle-Sessions im b72, wo Yasmo DJ Bacchus kennenlernte und man sich daraufhin wöchentlich im Einbaumöbel traf und auf Platten freestylte. „Wir haben uns damals gedacht, das ist sicher wie bei den Anfängen in New York und wir machen jetzt die Anfänge in Wien – damals, 2007„. Ein Satz hinter dem zwar viel Selbstironie steckt, worin sie sich aber sicher ist: „Ohne DJ Bacchus gäb’s Yasmo nicht„.
„Ich mache große Shows, was machst du?“
Die große Wendung in ihrer musikalischen Karriere war mit der Gründung von Yasmo & die Klangkantine, deren Ursprung wieder dem Poetry Slam zu verdanken ist. „Ich bin beim Jazz Slam von FOMP aufgetreten und habe dadurch die Jazz-Musiker vom Blitzdichtgewitter kennengelernt. Nach der Show bin ich zu denen hin und meinte: ‚Ich bin auch Rapperin, wollen wir nicht gemeinsam was machen?‘ Danach habe ich mich mit Ralf Mothwurf getroffen und es wurde schnell klar, dass das eine große Band wird mit Bläsern und allem Drum und Dran.“ Was letztlich auch wichtige Einflüsse auf ihren Zugang zu Rap und Musik hatte. „Die Klangkantine hat alles verändert: live spielen, schreiben, aufnehmen, produzieren. All das sind ganz andere Prozesse als zu Beats von Mirac oder Selbstlaut zu schreiben und zu rappen. Vor allem habe ich ganz viel dazugelernt über Musik und wie Musik funktioniert.“
Für viele gilt Yasmo heute auch musikalisch als Mentorin und Vorbild, gibt Rap-Workshops und unterstützt Nachwuchskünstler*innen beim Texten und Songs schreiben. Was sich innerhalb von vier veröffentlichten Alben, Nominierungen für den FM4-Award oder als Teilnehmrin beim Falco-Tribute-Konzert auf der Donauinsel wirklich getan hat, das es mehr ist als lediglich ein Wechsel von vorproduzierten Beats zu einer Liveband und medialer Aufmerksamkeit, wurde Ende Oktober im WUK greifbar. Und dass all das viel interessantere Fragen hergibt als „Wie ist es als Frau„.
Anlässlich des 10. Geburtstags von „Keep it realistisch“ und Yasmo als Rapperin, stellte sie eine Reise durch zehn Jahre Musik zusammen. Dies meint Auftritte von und Features u.a. mit Selbstlaut, der Slammerin Elif Duygu, Sigrid Horn, DJ Bacchus, Mieze Medusa, 5/8erl in Ehrn und der Klangkantine. Ein „Poetry-Hiphop-Klassentreffen„, wie es Sigrid Horn bezeichnete. Genau genommen ein vierstündiges Klassentreffen und Symbol für eine Yasmo, die nicht nur zwischen Genres und Szenen springt, die vernetzt, die Menschen in den unterschiedlichsten Bereichen ein Vorbild und Wegbegleiterin ist und die es schafft, mit all diesen Personen und ihren Erfahrungen ein stimmiges und orchesterhaftes gemeinsames Werk zu spinnen. Und eine Yasmo, die all diesen Personen selbstverständlich auf ihrem eigenen Geburtstagsfest zum wiederholten Mal Raum, Sichtbarkeit und eine Bühne gibt.
Die Verbindung zwischen Slam-Yasmin und Rap-Yasmo, wie sie mittlerweile zu sehen ist, obliegt allerdings keiner immer Dagewesenen Selbstverständlichkeit: „Unglaublich, dass ich das so lange trennen wollte. Ich wollte meine credibility im Rap und trotzdem weiterhin im Poetry Slam auftreten. Ich habe viel zu lange gebraucht um zu verstehen, was daran dumm ist. Das unbedingt trennen müssen, dahinter liegt auch eine Überheblichkeit, die ich immer noch zu hören bekomme – ‚jaja Yasmo macht halt Poetry Slam‘, aber ich werde mit meinem Poetry Slam gebucht und mache große Shows und was machst du?“ Genre-Denken und Zuschreibungen, die, wie sie findet, in der kreativen Arbeit mehr einschränken als nützen. Immerhin wird die Form von Authentizität, die im Rap gefordert wird auch beim Poetry Slam gefordert. „Authentizität ist auch immer nur ein Darstellungsmerkmal und kein reines Sein. Wenn wir mal überlegen, wie viel Inszenierung tatsächlich dahintersteckt, wird auch die Frage nach der Realness obsolet„.
Die MC zwischen Sub- und Hochkultur
Auf unterschiedliche Arten arbeitet Yasmo daran, Räume für Sichtbarkeit und Kultur zu schaffen. Sei es in Form von Texten, mit ihrer Musik, bei Moderationen oder in der Arbeit mit Jugendlichen. Durch ihre aktivistische Arbeit sorgt sie für die Sichtbarkeit von Frauen, fairer Bezahlung und unbezahlter (Kultur-)Arbeit. Zudem hat sie den Jury-Vorsitz beim KulturKatapult, einer Initiative der Stadt Wien, um Jugendlichen gezielt Kunst und Kultur zu vermitteln und sie daran teilhaben zu lassen. Die kreative Arbeit mit Jugendlichen ist etwas, in das sie zwar durch erste Anfragen an die 17-jährige Yasmin „glücklich hineingerutscht“ sei, aber schnell gesehen hat, dass diese Arbeit vor allem dankbar und nachhaltig ist. „Bei Workshops mit Jugendlichen benotest du nicht und bist keine Autorität. Ich gehe nicht hin und sage ihnen was richtig oder falsch ist, das wissen sie schon selbst. Die, die am Beginn meistens sagen, das machen sie nicht, weil sie’s nicht können, sind dann am Ende oft die ersten, die vortragen möchten, weil sie sehen, dass sie es doch können. Und das ist so wichtig. Generell kommt so cooler Stuff dabei raus, wenn man Jugendlichen auf Augenhöhe begegnet.“
Die Sichtbarkeit und Repräsentation im großen Stil schafft Yasmo u.a. als Teil des Board beim Kultursommer Wien oder 2019 als Kuratorin des Popfest Wien. Aktuell ist sie Jurymitglied im Österreichischen Musikfonds und mit dem Österreichischen Musikrat bei einem neuen Kulturkonzept beteiligt. Mit dem Ziel, Gelder so zu verteilen, dass auch kleinere Kulturschaffende und Initiativen im öffentlichen Bereich daran teilhaben können. Hier ist es auch die ewige Trennung zwischen Hoch- und Subkultur, an der sich Yasmo den Kopf stößt: „Diese ganzen Konzepte der Trennung sind völlig überaltert und überholt. Warum nicht endlich den Austausch schaffen zwischen Hochkultur und Subkultur?“ Da ist es dann schon fast notwendig, dass die achjährige Lisa Simpson ausgerechnet von einer Rapperin aus Wien gesprochen wird.
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