Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
Es sind vorwiegend Beats vom Heilbronner Produzenten Dexter, die vor Konzertbeginn durchs Wiener B72 wummern. Während der Mainact des Abends, 3Plusss, noch im Gürtellokal nebenan beim Wiener Schnitzel sitzt, meldet sich der ehemalige VBT-Sieger Djin nach längerer Abstinenz zurück. So präsentiert er unter anderem Songs wie „Nachbarn“ aus seinem Debütalbum namens „Chaostheorie“, welches auch ein JAW-Feature beinhaltet. „Na, hat sich jemand gegruselt? Ich schon ein bisschen„, attestiert er nach dem Storytelling über die creepy Nachbarschaft. Aber Djin zeigt auch neue Sachen wie „Leicht“ auf einem Beat von Robafella – der an diesem Abend auch als sein und 3Plusss‘ Live-DJ fungiert. Besonders witzig: Die gemeinsame Nummer mit Elmäx von Der Plot, bei dem es darum geht, wie die beiden einen Tag mit Kay One verbringen. Treffende Pointen, ausgeklügelte Ironie – hoffentlich kann man diesen Track auch schon bald abseits des Konzerts hören. Schade nur, dass keine von Djins weiteren starken Tracks wie „Gift„, „Das große Fressen“ oder „Opfer„, die seine Diskografie maßgeblich prägen, folgen.
Djins gemeinsame Nummer „Ruderboot“ mit Sorgenkind zeigt schon, in welche musikalische Richtung das Konzert weitergeht. Anfangs drehen sich bei dem Eypro-Mitglied Sorgenkind die Texte des noch unreleasten Materials um die Zukunft, in der vielleicht mal AfD-Chefin Frauke Petry mit Donald Trump anbandelt, später, auf den älteren Songs, besingt er die „schöne Barfrau“ und allein tanzende Frauen. Bei diesen Sing-Sang-Hooks klatscht das Publikum im Vierviertel-Takt. Ein ungewohntes Bild auf einem HipHop-Konzret. Umso spannender, wie das neue Material von Sorgenkind klingen wird.
„Es wird blutig!„, schreit 3Plusss auf „Nein“ ins Mikrofon und kündigt das Kontrastprogramm an. Nach Rap mit Schlagernuancen folgen elektronisch beeinflusste Bretter von Bennett On und Peet aka We Do Drums. Dabei erfreut sich der Essener Rapper über die „intime Atmosphäre“ im Publikum und möchte mit diesem während der Show „zu einem Fleischklumpen mutieren“. Die Umsetzung ist gar nicht so unwahrscheinlich, beobachtet man 3Plusss während seines Auftritts. Mit den Gesten an den richtigen Stellen unterstreicht er seine Lyrics, tänzelt und springt energiegeladen über die Bühne. Überraschenderweise spielt er gar nicht allzu viele Tracks seines aktuellen Albums „Gottkomplex“, sondern auch viel älteres Material aus der „Auf der Stelle“- und „Weniger“-EP sowie dem „Mehr“-Album und der „Kindskopf“-LP. Quer durchs Repertoire also.
Zwischen den Tracks taugt es 3Plusss auch, Anekdoten zur Entstehung der Songs zu erzählen, was manchmal ein bisschen ausufert. Aber der Rapper spricht halt viel und gerne, weiß aber auch zu kontern. Als VBT-Rufe aus dem Publikum zu hören sind, erwidert er: „Wer hat AfD gerufen? Raus mit dir! VBT schön und gut, aber wer ist heute wegen HipHop hier?“ Das sitzt. So spielt 3Plusss sich weiter durch seine Diskografie, bedankt sich für jeden YouTube-Klick und sagt, wie sehr es wertschätze, dass seine Musik, die er seit acht Jahren in der gleichen Wohnung schreibt, in die Welt hinausgetragen wird. „Denn ihr entscheidet darüber, was cool ist und was nicht„, fasst er zusammen. Und weil er Zugabe-Chöre nicht mag, schmeißt er sich zum Abschied mit seiner Entourage einfach in die Menge, um für eine Minute zu pogen und sich dabei leise Richtung Backstage zu stehlen.
Fazit: Auf der von Arcadia veranstalteten „Ich und meine Freunde“-Tour von 3Plusss herrscht die musikalische Vielfalt. Auf technisch gutes Storytelling von Djin folgen radiotaugliche Mitsing-Hooks von Sorgenkind und ein selbstbewusster 3Plusss, der sichtlich Spaß am Performen hat und sich einmal quer durch seine Diskografie spielt. Das mehrheitlich junge Alter des Publikums ist jedenfalls kein Hindernis, dass dieses die Texte der älteren Songs auswendig kann und zu den rauen, progressiven Beats von We Do Drums auszuckt.
Das Interview mit 3Plusss über seine USA-Reise und seine Meinung zur Kollegah-„Doku“ erscheint demnächst.
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Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute verbessert sie, hievt Beistriche wieder auf ihren richtigen Platz und hält die ganze Bande mit liebevoller Strenge zusammen. Nach dem Dienst im KURIER-Newsroom hört sie dann eine Zugezogen-Maskulin-Platte zum Einschlafen.