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Schön vertonte Leere: Rin mit „Eros“ // Review

Schön vertonte Leere: Rin mit „Eros“ // Review

(Division (Groove Attack)/VÖ: 01.09.2017)

Bietigheim-Bissingen ist ein beschaulicher Ort. Highlights des 40.000-Einwohner-Städtchens sind das prächtige Eisenbahn-Viadukt, das Hornmoldhaus in der Altstadt und der Bietigheimer Pferdemarkt, der jeden  September die Massen in die Ortschaft lenkt. Klingt alles schön, lebhafte urbane Kultur verbindet man damit aber nicht. Ein Trugschluss, denn Bietigheim-Bissingen avancierte in den vergangenen Jahren als Epizentrum stilistischer Vorreiter im Deutschrap-Geschäft.

Immerhin entstammt Shindy, das modische Vorbild für einen bestimmten Menschenschlag (rote Sneaker!) dieser Stadt. Und auch der nächste Rapper mit viel Hype und großem Stilbewusstsein steht im dortigen Telefonbuch: Rin, der mit seinen Oden an Supreme, Vetements und Gosha Rubchinskiy quasi die stilistische Post-Shindy-Ära im Deutschrap einläutete – und Spiegelbild dafür ist, was gerade im urbanen Mainstream als „cool“ gilt. Rin ist schlichtweg die Verkörperung des „Bread & Butter“-Festivals, der Highsnobiety-Generation, die in Deutschland gerade voll den Ton angibt. Vielleicht ist er sogar der deutsche A$AP Rocky (Anregung für den Spiegel, die freitags Casper als potentiellen deutschen Kendrick Lamar bezeichneten).

Der Hype hat durchaus eine Grundlage, kann Rin in seiner jungen Karriere neben einer passablen EP („Genesis“) auch schon einen veritablen Hit in seiner Diskografie aufweisen: „Bianco“ mit Ex-Schatzi Yung Hurn. Eine Nummer, die 2016 sogar im nicht gerade Deutschrap-affinen österreichischen Radio Airplay bekam. Mit dem Wiener Schlawiner war schließlich auch ein Kollaboalbum über Live from Earth geplant, das aber nie erscheinen wird. Trennung vom Label, Baby.

Aber kein Grund für lange Depri-Shopping-Touren auf der Colette-Homepage, die sein Briddy Shindy bezahlt. Mit Division wurde flott eine neue Labelheimat gefunden, auf die Rin nun sein Erstlingswerk veröffentlicht. Und da hinter Division Selfmade-Macher Elvir Omerbegovic steht, kann Rin sich beruhigt den neuen Vetements-UNO-Hoodie holen. Kommerziell wird’s schon laufen, das Konto sich dementsprechend füllen. Oh Junge.

Doch wie sieht es künstlerisch aus? Dass „Eros“, so der sexy Titel des Debüts, einige Hits bieten wird, zeigten schon die Vorab-Singles. „Bros“ beispielsweise liefert vorzüglich eine „I-don’t-give-a-fuck“-Attitüde, die im krampfaderhaften Deutschrap bislang Mangelware darstellte. Wenn Rin voller Selbstbewusstsein davon erzählt, dass er Baby warten lässt, weil er mit den Jungs lieber paar Körbe werfen geht (weil Fußball ist out, frag Fler), dann glaubt man ihm das. Oder Tracks wie „Doverstreet“, „Blackout“ oder „Monica Bellucci“, die durch ihre astreinen musikalischen Umsetzungen die Schwachstellen gekonnt kaschieren. Dank gebührt hier den einwandfreien Cloud-Beats im LoFi-Format, bei deren Auswahl der Shindy-Briddy ein gutes Händchen beweist. Minhtendo, Lex Lugner oder Alexis Troy (der sonst für Kollegah und 257ers zweifelhafteres Material anfertigt) haben einen fast makellosen Job hingelegt.

Auch Rins Gemisch aus Gesang und Rap ist nicht das Problem, da hat er das richtige Rezept gefunden. Vielmehr hapert es bei den Lyrics. Und das gewaltig. Denn Rins Texte sind bestensfalls furchtbar egal bis belanglos oder, im schlimmsten Fall, richtig ärgerlich. Wenn er im „Arrêté-Skit“ uns wissen lässt, dass er beim Geschlechtsverkehr kein Kondom benützt („Ich benutz‘ kein Gummi, denn ich liebe dich, ey yeah, oh yeah“) oder eine kryptische Molly-ins-Glas-Line auf „Monica Bellucci“ abliefert, ist das in einem hohen Maße bedenklich. Die Halbwertszeit von „Eros“ steht durch die vielen 2017-Referenzen ebenfalls infrage. Zeitloses Material klingt schlichtweg anders. Vor allem, da Rin es nicht gelingt, irgendwelche einprägsamen Lines abseits des Supreme-Marlboro-Eintopfs zu kreieren. Ob in fünf Jahren noch jemand nach „Eros“ krähen wird? Eher nicht.

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Fazit: Um Rin herrscht großer Wirbel. Zu Recht, weil es der Bietigheim-Bissinger gekonnt schafft, die thematische Leere einer Generation in seiner Musik zu vertonen. Konsum, Konsum, Konsum, dazwischen noch schnell eine Nummer schieben und Marlboro Gold holen gehen. „Eros“ ist damit nicht nur wunderbar dem Zeitgeist entsprungen, sondern lädt uns vor allem zur Selbstreflexion ein. War von Rin bestimmt so nicht beabsichtigt, ist aber seine größte Leistung auf „Eros“. Danke dafür.

2,5 von 5 Ananas

 

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