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Dank einer hohen Dichte an Konzerten und Partys entwickelte sich das Kollektiv 808Factory seit Ende 2017 zu den bedeutendsten Veranstaltern in der Wiener HipHop-Landschaft. Um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, verabreden wir uns mit den Protagonisten im Schanigarten des Café Morgenstern. Als wir am Sankt-Ulrichs-Platz eintreffen, werden wir von gut zehn Personen empfangen. Darunter zu Beginn auch einige Rapper und Produzenten aus dem team128, was den Eindruck bestätigt, dass das Eventkollektiv stark mit der schon länger bestehenden Rap-Crew verwoben ist.
Personell fällt eine getrennte Betrachtung schwierig, die Kollektive wurzeln auf dem selben Pool an Freunden. Produzent und DJ symtex128 ist – wie die Rapper fface128 und moonman356 – bei beiden aktiv. Zentrales Bindeglied ist aber Babu, der bei unserem Gespräch als Hauptwortführer in Erscheinung tritt, während der Schmäh rennt und das Bier fließt. „Charmant formuliert habe ich die meisten Aufgaben übernommen. Ich mache das Booking und organisiere das meiste im Vorfeld, andere helfen mehr vor Ort“, erklärt er. Während symtex128 Resident-DJ ist und Grafikkonzepte mitgestaltet, macht Moonman356 Live-Fotos. fface128 kümmert sich neben Kilo und Steve oft um die Künstlerbetreuung: „Sonst lege ich recht viel auf und bin Ideengeber bei Besprechungen“, ergänzt er. David Müller, der mit Steve die Website gestaltet hat, Bexus Potatus (Logo, Grafiken und Pressefotos) sowie der für Animationen zuständige Andrej runden das Team ab.
Plattform für Nachwuchs und Underground
Die Gründung der 808Factory ergab sich vor knapp zwei Jahren nach einem unbewussten Probedurchgang – einem Geburtstagskonzert im Pub Down Under, bei dem das Team128 und einige Weggefährten wie der Drum-’n‘-Bass-MC Grammy Price aufgetreten sind. „Wir wollten die Leute zusammenbringen, die an diesem Abend Spaß hatten“, resümiert Babu. Er geistert seit seiner frühen Jugend in diversen Rollen durch die Wiener HipHop-Szene, als 23-Jähriger zählt er bei der 808Factory bereits zu den älteren Mitgliedern.
Sein Anspruch, Leute zu connecten, manifestiert sich heute in der Förderung aufstrebender Künstler: „In erster Linie sehen wir uns als Institution, die den Nachwuchs in Österreich pushen will.“ So soll sich die 808Factory als Plattform für alle etablieren, die sonst keine hätten. Bei Events achte er darauf, dass vor allem lokale Acts supporten, die im hiesigen Underground noch nicht so etabliert sind. Auch aufgrund eigener Erfahrungen als Rapper: „Früher mussten wir teilweise 50 Tickets verkaufen, um einen Slot zu bekommen. Das war richtig abgefuckt.“
Nun sei es sein Hauptmotiv, mit guten Events einen Mehrwert für die Szene zu schaffen. Wirtschaftliche Motive bezeichnet Babu als zweitrangig: „Wir waren der Ansicht, dass hier eine nice Party fehlt, die nicht den Mainstream-HipHop abdeckt, aber guten und jungen Underground bietet. Wir sehen es als unsere Aufgabe, Acts wie Chynna bekannter zu machen.“ Die US-Rapperin holte man 2018 gleich zwei Mal nach Wien. Nachdem ihr erster Auftritt im halbleeren Flex Café ungünstig verlaufen war, sorgte sie in der Camera zusammen mit AliceD für eine gelungene Nacht – und gefühlt eine der ersten Wiener HipHop-Shows mit mehr Frauen als Männern im Publikum.
Boombap, Trash und Splash
Zu Beginn dominierten Newschool-lastige Bookings wie Lex Lugner, AsadJohn, Chynna oder Yung Internet, auch der aufstrebenden Berliner Crew BHZ bescherte man den ersten Wien-Gig. Dass das stilistische Spektrum breiter ist, als der Name 808Factory andeutet, zeigten die vergangenen Monate mit Auftritten von Leaf Dog, BVA & Illinformed, Negroman, Blabbermouf und den SplitProphets. Für Ende November ist zudem ein Auftritt von Morlockk Dilemma angekündigt. Events, bei denen das Boombap-Faible von Babu durchdringt. fface128 sei da hingegen meistens raus: „Mit so Oldschool-Sachen kann ich nichts anfangen“.
Stärker vertreten sind er und der Rest der 808Factory-Gang mit DJ-Sets. Bis Ende April jeden Mittwoch bei den Afterwork-Clubbings und „Creampie“-Trash-Partys am zweiten Floor der Camera: „Es war cool und hat uns viel gebracht. Wir haben unser Kollektiv etabliert, aus dem Nichts einen Namen aufgebaut und viel gelernt“, resümiert Babu. Nun möchte man den Fokus verstärkt auf Konzerte und neue Partyreihen legen: „Wir denken auch an Konzepte wie Creampie, wo Trash, Gabber, Hardstyle und 90er-Rave-Sachen wie Blümchen zur Geltung kommen.“
Anfang Juni übernahm 808Factory das Booking für die 1. Geburtstagsfeier der Graffitiagentur Concrete und den Montana Store Vienna, es spielten DJ Craft, Caramelo, Slav und KeKe in der Grellen Forelle. Am 5. Juli folgte mit der „Blockparty im Vorgarten“ das erste Open-Air-Event – als Einstimmung auf das heurige Splash-Debüt der 808Factory. Dort verbrachte man mit eigenen Auftritten, DJ-Sets sowie Unterstützung von AsadJohn und Wal de Mar ein exzessives Wochenende, das in einem zwischenzeitlichen Abbruch und Abriss der Baumhausbar mündete.
Eventszene mit Licht und Schatten
Der Wiener Eventszene steht die 808Factory-Gang mit gemischten Gefühlen gegenüber. Positiv zu erwähnen seien die vielen Kollektive, die regelmäßig interessante Sachen veranstalten. Daher docke man immer wieder aktiv wegen Co-Events an: „Es ist immer leiwand, mit anderen Leuten etwas aufzuziehen, deren Sound man feiert. Wenn man zwei Camps zusammenfügt, kommen natürlich auch mehr Leute.“ Besonders gut sei die Kooperation mit Canyoudigit beim Auftritt von Donvtello & Opti Mane verlaufen.
Weniger schwärmerisch fallen die Aussagen zu den Rahmenbedingungen in der Bundeshauptstadt aus – allen voran in Bezug auf eine dürftige Clubsituation mit wenigen, lange im Voraus ausgebuchte Venues und bürokratischen Hürden: „Gefühlt sperren immer mehr Clubs wegen Anrainerbeschwerden zu – auch in der Camera gibt es strenge Dezibelauflagen, man landet ur schnell im roten Bereich. Das ist vor allem wenn es voll ist problematisch“, seufzt Babu, der von liberaleren Verhältnissen wie in Berlin träumt.
Bei Anfragen an Acts sieht sich die 808Factory zudem immer wieder mit Exklusiv- und Partnerschaftsverträgen konfrontiert, was in vielen Absagen mündet: „Es hat schon oft geheißen, dass man in Wien mit der oder der Agentur zusammenarbeitet. Die großen Agenturen sichern sich ihre Artists, was eh nachvollziehbar ist.“ Für den Wiener Nachwuchs sei dieses Machtgefüge jedoch nicht förderlich. Diesen würde man neben den Reihen GürtelSquad und Kein Samstag ohne Rap fast im Alleingang pushen. Angesprochen auf die 808Factory-Talenteschmiede, streicht Babu mit BiancoBecky und DJDJ Cherrylane zwei „vielversprechende DJane-Rookies“ heraus. Weiters erwähnt er etwa Dagobert Thug, fuckyoumave, Salephone, LazySwan sowie das hauseigene team128.
Zukunftsvisionen
In der nahen Zukunft möchte das Kollektiv weiterwachsen. Da die Beteiligten auch selbst gerne auflegen, streben sie neben Konzert-Bookings und neuen Party-Formaten nach dem heurigen Splash-Debüt auch weitere Festivalauftritte an. Weiters setzen sie sich das Ziel, künftig alles ein wenig professioneller anzugehen. Ein wichtiger Schritt dazu ist die Website, die nun nach längerer Vorlaufzeit online gegangen ist.
2020 dürfte das ein oder andere Special folgen, etwa ein Skatecontest mit ausgiebiger Auflegerei und Afterparty. „Das hat in Wien in den vergangenen drei, vier Jahren gefehlt, obwohl wieder einige Jungskater nachkommen“, meint Kilo, der als einziges 808Factory-Mitglied das Skaten leidenschaftlich verfolgt und gut in der Szene vernetzt ist. Weiters sei es ein Wunschtraum, in Zukunft auch Events außerhalb Wiens zu organisieren. Babu denkt dabei vor allem an Berlin: „Ich kenne die Stadt gut und habe dort viele Freunde. Es wäre eine leiwande Geschichte.“
moonman356, symtex128, David Müller, Babu, fface128, Steve und Kilo (v.l.n.r.).
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