Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
In dieser Reihe widmen wir uns monatlich den neuen Releases der Beat- und Instrumental-Szene. Das Meer an großartigen Beats wird von Tag zu Tag größer und nur die wenigsten Produzenten erhalten gerechtfertigte Credits. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Instrumentalreihen – viele der Projekte gehen allerdings in der Flut an Releases einfach unter und werden nicht mit eigenen Artikeln gewürdigt. Dennoch sind sie relevant genug, um ihnen eine Plattform zu bieten.
Wie gewohnt haben wir auch unsere Spotify-Beatplaylist aktualisiert.
S. Fidelity – Fidelity Radio Club
Wie der Titel andeutet, hat S. Fidelity sein zweites Soloalbum „Fidelity Radio Club“ als Radioshow konzipiert – inklusive begleitendendem Radioformat „FRC“. Das Ziel dahinter? Sounds unter einen Hut bringen, die stilistisch nicht leicht zu vereinen sind. Die Albumproduktion dürfte dementsprechend aufwendig gewesen sein. Der in Berlin lebende Schweizer Produzent war vor der Pandemie für Sessions in L.A., London, Paris und Johannesburg, bekommt am Album Unterstützung von insgesamt 17 Artists – darunter einige bekannte Produzenten und Instrumentalisten. Neben den Weggefährten Bluestaeb und Melodiesinfonie etwa auch Suff Daddy, Àbáse oder K, Le Maestro. Das einzige Vocal-Feature kommt von der RnB-Sängerin NDO aus Florida.
Wie schon 2017 „A Safe Place To Be Naked“ erschien das Album via Jakarta Records. War das Solodebüt noch eher ein klassisches, samplelastiges Beatmaker-Projekt, handelt es sich beim Nachfolger um ein ausgereifteres Produzentenalbum. Die Tracks ragen klar übers HipHop- und Neo-Soul-Spektrum hinaus und bieten druckvollen Sound, bei dem oft House- und Funk-Einflüsse dominieren, es aber auch mal stärker ins Jazzigere geht. Die Stile verschmelzen gut, trotz ambitionierter Layer dringen Grooves mit viel Lockerheit durch. Die Singles sind obendrein mit Bild- und Filmmaterial von Robert Winter und Die Ottos versehen. Sehr schönes Gesamtkunstwerk.
Aver & Move 78 – The Algorithm Smiles Upon You
Im September 2020 widmete Aver sein jüngstes Soloalbum seinem viel zu früh verstorbenen Weggefährten Joey Deez. Dieser gründete vor gut fünf Jahren das britische Label Village Live, mittlerweile eine Institution für instrumentalen HipHop-/Jazz-Sound. Das soll auch so bleiben , wie „The Alogithm Smiles Upon You“ unterstreicht. Für die EP hat der Produzent aus Manchester, der mittlerweile in Berlin lebt, mit dem dort ansässigen Jazz-Trio Move 78 viel Zeit in Studiosessions investiert und herumgefrickelt.
„The eight tracks are crafted from hours of studio improvisations, that have then been chopped-up, rearranged, and layered with additional strings, flute and horns. This many-layered approach has helped create our sound: a balance between free flowing jazz and automated, programmed hip-hop“, beschreibt es die Band. Eine Kombination, die vollends überzeugt. Die EP bietet sehr schön vibende und zugängliche Tracks, die komplex genug sind, um nicht fad zu werden, beim Hören dennoch gedanklich in andere Spähren leiten. Ein Album mit viel Replay-Potenzial. Kein Wunder, dass das Vinyl nach wenigen Wochen schon nachgepresst werden musste – oder eher durfte. Danke fürs Reinspülen, lieber Algorithmus!
Flying Lotus – Yasuke
Die Netflix-Soundtracks namhafter HipHop-/Jazz-Artists gehen in die nächste Runde. Nach Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad für „Luke Cage“, Dan The Automator für „Dash & Lily“ und Kamasi Washington für die Michelle-Obama-Doku „Becoming“ ist nun Flying Lotus an der Reihe. Da dieser Anime-Fan ist, erscheint die dazugehörige Handlung nicht ganz überraschend. Ohnehin harmonieren Samurai-Storys und Beats blendend, wie diverse Releases von und seit Nujabes gezeigt haben – wenngleich es sich meist „nur“ um fiktionale Scores handelte. Nun kommt zusammen, was zusammen gehört: FlyLos jüngstes Album erschien Ende April begleitend zur Netflix-Animeserie „Yasuke“, die entfernt auf der gleichnamigen historischen Figur basiert. Einem Afrikaner, der im 16. Jahrhundert als Sklave nach Japan kam und in der Sengoku-Ära zum ersten schwarzen Samurai wurde.
Die Tracks sind naturgemäß primär als musikalische Untermalung Serien-Hintergrundmusik gedacht, schaffen aber durchaus den Spagat zum hörenswerten Instrumentalrelease. Meist kommen sie eher dezent mit Downtempo-Charakter daher, die schöne Kombination aus dem Wonky-Beatstyle und traditioneller japanischer Musikinstrumente prägt sich zunehmend ein. Das hätte wohl kaum jemand so hingekriegt wie FlyLo. Mit Denzel Curry, Thundercat und Niki Randa haben sich dabei einige altbekannte Featuregäste eingefunden.
DJ Format – Devil’s Workshop
Seit über 20 Jahren hinter Turntables aktiv, ist DJ Format ein Urgestein der britischen DJ-Szene. Er kann auf zahlreiche ausverkaufte Touren, Zusammenarbeiten mit namhaften Rappern und einige Soloalben zurückblicken. Das letzte liegt aber tatsächlich schon fast zehn Jahre zurück. Nach „Statement of Intent“ 2012 erschienen nur die Kollaborationen mit den MCs Phill Most Chill und Abdominal. „Devil’s Workshop“ ist somit gleichermaßen kind of comeback als auch vielleicht viel mehr der Beweis, dass Qualität oft wichtiger als Quantität ist. Er selbst betrachtet es als sein erstes richtiges Soloalbum und auch für uns entsteht der Eindruck. Es kommt gänzlich ohne Features aus und speist sich ausschließlich aus Samples aus einer Zeitspanne von einem halben Jahrhundert. Psychedelic Rock und Jazz der 60er meets religöse Vocalsamples aus den 70ern meets modernere HipHop-Samples aus den 90ern und 2000ern. „I’ve travelled half way around the world in search of old records that excite & inspired me to make music of my own and I truly believe that DEVIL’S WORKSHOP is my best work so far, it’s the culmination of everything I’ve learnt over a lifetime of consuming & studying music“, sagt DJ Format selbst dazu. Diese Erfahrung und Knowledge merkt man dem Album an. Erschienen ist es wie die meisten Vorgänger auf seiner musikalischen Heimat Project Blue Book.
byyrd – Nesting
Obwohl schon mehrmals rappend in Erscheinung getreten, bleibt das Produzieren das Steckenpferd von byyrd. Auf Single-Releases der vergangenen Jahre folgte Ende April die erste Beat-EP des Wieners. Mit dieser möchte er – passend zum Spirit Animal – sein musikalisches Territorium ausweiten. „The avian anti-hero grants insight into his new musical nest, the everyday lifestyle of a half raven, and all the stuff that goes down when he’s not watching over V Town.“ Raben sind zwar keine Einzelgänger, dennoch hat byyrd fast alles im Alleingang gestaltet – neben Produktion, Mixing stammt auch das Artwork der auf Vinyl erhältlichen EP von ihm.
„Nesting“ vereint sechs bassbetonte Tracks. „Between insidious, distorted 808s and feather-light cartoon-like melodies, we land in a completely unique world of its own. Slowly, we see a new, bigger picture of V Town city – from a byyrd’s eye view“, so die offizielle Beschreibung. Yup, durchaus eigenständiger, schön produzierter Sound – natürlich inklusive Vogelgesang.
Djidl – Babygoove
Als Teil des Nyati-Kollektivs hat Lord Folter sich in den letzten Jahren einen Namen in der deutschsprachigen Undergroundszene gemacht. Nachdem er seine Texte in der Regel auf Beats absolut underrated Produzenten wie Flitz&Suppe, Leavv, Torky Tork oder Omaure verewigte und dabei eher vereinzelt als Co-Producer in Erscheinung tritt, veröffentlichte er nun unter dem Namen Djidl sein Produzentendebüt „Babygroove“. Die Platte besticht nicht nur durch die lila Vinyl, sondern vor allem durch die 10 abwechslungsreichen, verträumten Beats mit Ambienteinflüssen und gleichermaßen BoomBap- und Trapelementen, die über die vergangenen zwei Jahre aus Skizzen entstanden sind. Mit ein persönlicher Favorit des bisherigen Jahres.
Twit One – Objets Trouvés
Twit One ist unbestritten eine der wichtigsten Figuren für instrumentalen HipHop in Deutschland. Mit der Eröffnung der HiHat-Club-Reihe 2009 zusammen mit Hulk Hodn legte er einen Grundstein für die heute so vielfältige und blühende Szene. Seitdem erschienen weitere Soloalben über MPM oder Groove Attack, deren Store in Köln er leitet, sowie zahlreiche Kollaborationen wie zuletzt zum zehnjährigen Jubiläum mit Hulk Hodn oder in Kombination mit Turt & C. Tappin als Syrup, mit denen er Ende vergangenen Jahres „Rosy Lee“ veröffentlichte. Mit „Objets Trouvés“ erschien nun ein neues Soloalbum, auf dem er sein eigenes Genre Cool Bap auf ein neues Level hebt und mit zusammen mit namhaften Features ein souliges, rundes Album hervorbringt.
Knowsum & Wun Two – Dream Cruise
Mit Knowsum und Wun Two aus dem Sichtexot-Umfeld treffen zwei Masterminds unkonventioneller Herangehensweisen aufeinander. Vor allem Knowsum war in der Vergangenheit neben seiner Rap-Persona Nepumuk auf musikalisch vielfältigen Pfaden unterwegs, wie die Alben „Play God And Shit Happens“, „I Play My Guitar Like I Don’t Care“ zeigen und nicht zuletzt sein Ausflug zum Label saasfee* für „Masquerades“ zeigen. „Dream Cruise“ heißt also der neueste Streich und hält, was Name und Artwork versprechen. Verspielte Instrumentals, gelegentlich garniert mit Knowsums Alter Ego Weegee, dabei aber doch optimistischer als andere, ähnliche Releases.
Restless Leg Syndrome – Spirit
Das Totem nimmt zunehmend Form an. Die gleichnamige Doppel-LP von Restless Leg Syndrome erscheint Ende Juni via Duzz Down San – und mittlerweile sind 15 ihrer 20 Tracks bekannt. Denn Chrisfader, Testa und d.b.h. haben kürzlich die dritte von vier Teil-EPs veröffentlicht. Auf „Venom“ und „Falcon“ folgte zuletzt „Spirit“. Die drei Produzenten und DJs knüpfen damit nahtlos an ihr bassiges und tanzbares Beat-Programm an. Samples und Melodien aus dem arabischen Raum dringen diesmal etwas dezenter durch, treffen mal auf eher klassischen Boombap- und Turntable-Sound, mal auf afrikanisch geprägte Drums. Fünf Tracks, on point umgesetzt wie es vom Trio gewohnt und bei jedem neuen Release zu erwarten ist.
Sim Nagai – Exotica XL
Stellvertretend für eine Reihe guter Releases aus dem Hause Cold Busted Records, die in den vergangenen Monaten erschienen sind, aber bei uns oft nur in der Kategorie „Weitere“ landen, soll an dieser Stelle „Exotica XL“ des belgischen Produzenten Sim Nagai stehen. Thematisch vielfältige Alben treffen auf hervorragende Produzenten, in diesem Fall ließ sich Sim Nagai etwa vom 50s-Genre Exotica inspirieren, das neben Vogelgeräuschen seine hauptsächliche Samplequelle ist. Deshalb auch der Tipp, immer auch die Alben am Ende des Artikels gönnen, die sind meist ebenfalls hörenswert, aber würden oft den Rahmen sprengen.
nibo – Same Day Delivery
Über 20 Jahre und damit einige Beat-Generationen liegen zwischen Borka und Nikson. Davon lassen sich die beiden Slowenen nicht beirren – sie haben sich kürzlich zum Duo nibo zusammengeschlossen. Nach dem Motto „Nur nix zerdenken“ sind die sieben Tracks ihrer „Same Day Delivery“-EP bei stetigem Hin-und-her-Schicken von Ableton-Files in kurzer Zeit entstanden. Dementsprechend rücken Layer und Pattern mehr in den Vordergrund als Details. Beat-Veteran Borka kümmerte sich mehr um die Samples, Nachwuchs-Talent Nikson um die rhymtische Ausgestaltung. Die EP bietet schweren, sphärischen Sound mit interessanten Samples und viel Bounce. Trotz der kurzen Entstehungszeit und des etwas rohen Charakters ein feines Projekt, digital erschienen übers Label rx:tx.
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1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi rumschreit.