Now Reading
FaNAStisch: Nas mit „King’s Disease III“ // Review

FaNAStisch: Nas mit „King’s Disease III“ // Review

Es gab durchaus skeptische Stimmen, als Nas (49) im August 2020 ein gemeinsames Album mit Hit-Boy (35) ankündigte. Auf der einen Seite der New Yorker Nas, ein Elder Statesman des Rap, dessen Glanz-Momente allerdings auch schon einige Jahre zurückliegen. Auf der anderen Seite Hit-Boy: Ein Produzent von der Westküste aus einer anderen Generation, der große Erfolge mit Drake, Kendrick Lamar, Beyoncé oder Travis Scott vorweisen kann. Ob das passt? Als Nas‘ starken Partner hinter den Reglern wünschten sich viele jemand anderen. Einen DJ Premier oder einen Pete Rock. Oder einen The Alchemist. Aber einen Hit-Boy hatten nur wenige auf dem Wunschzettel.

Mittlerweile steht fest: Beide haben mit dieser Zusammenarbeit alles richtig gemacht. Nas klingt auf Hit-Boy-Beats so energiegeladen und motiviert wie seit Jahrzehnten nicht mehr – und Hit-Boy hat gezeigt, dass er auch für einen Nas den perfekten Soundteppich knüpfen kann. Folgerichtig durfte sich das Duo 2021 über eine Grammy-Auszeichnung freuen, gewann „King’s Disease“ in der Kategorie „Best Rap Album“. In der langen Karriere von Nas war es der erste gewonnene Grammy-Award.

Dass Nas momentan richtig Hunger hat, belegt ein Blick auf seine Diskografie. War er über Jahre ein Anhänger einer gemäßigten Releasefrequenz, hat er im Verbund mit Hit-Boy das Tempo hochgeschraubt. Ganze vier Alben hat er in einer Zeitspanne von zwei Jahren veröffentlicht: Nach „King’s Disease“ im August 2020 folgte ein Jahr später der zweite Teil – bevor zu Weihnachten 2021 mit „Magic“ ein weiterer, überraschender Release hinzukam.

Darauf zu finden der Song „Ugly“, auf dem Nas dann gleich den dritten Teil der „King’s Disease“-Reihe ankündigte. Die wurde nun im November 2022 abgeschlossen. Auffallend ist die Reduzierung der Gast-Beiträge im Verlauf der Trilogie. Der dritte Teil ist eine fast featurefreie Veranstaltung; fast, weil sich der in den Credits nicht genannte Sänger Mario auf „Serious Interlude“ in das Album hineingeschlichen hat. Dieser Feature-Geiz ist gut. Schließlich wäre jeder Gast nur eine potenzielle Störquelle in diesem harmonischen Zusammenspiel zwischen Produzent und Rapper gewesen.

Nas in bestechender Form

Voller Esprit und technisch beeindruckend, so lässt sich die Performance von Nas auf „King’s Disease III“ beschreiben. Wie spielerisch leicht er Flows wechselt, wie zielgenau die Wortspiele ausfallen und welch Reimakrobatik er auf dem Album vorweist, wirkt wie direkt aus dem MC-Lehrbuch entnommen.

Inhaltlich ist HipHop das zentrale Thema. Dem nimmt sich Nas aus einer Veteranen-Perspektive an und schwelgt ab und an auch in Nostalgie. Doch anders als viele Kollegen seiner Generation klingt er nie verbittert oder verblendet, wenn er von „früher“ rappt.

Stattdessen zeigt sich Nas überaus reflektiert. In „Thun“ blickt er etwa auf den Beef mit Jay-Z („No beef or rivals, they playing ‘Ether’ on TIDAL/Brothers can do anything when they decide to“) und in „Don’t Shoot“ auf Kritik für Songs wie „I Can“ zurück. In dieser Machart beleuchtet er auf „Serious Interlude“ seine lange Karriere. Altersweise zeigt er sich auch auf der „2nd Childhood“-Hommage „Once a Man, Twice a Child“. Hier lautet das Credo: „Today is the youngest you will ever be”.

Seine Beziehung zu Hit-Boy thematisiert er in „Michael & Quincy“, auf dem er erklärt: „Nas and Hit like Michael and Quincy on the run again“ – eine Anspielung auf das Duo Michael Jackson und Quincy Jones, das mit Songs wie „Thriller“ Musik-Geschichte geschrieben hat.

Einen Perspektivenwechsel nimmt Nas im „I Gave You Power“-Nachfolger „Beef“ vor, der im darauffolgenden Song „Don’t Shoot“ kulminiert. Hier rappt Nas aus der Sicht eines Rap-Beefs – nicht ungewöhnlich für jemanden, der wie auf „I Gave You Power“ (1996) aus Sicht einer Waffe und auf „Project Roach“ (2008) aus Sicht einer Kakerlake gerappt hat. „I’m the words that get misinterpreted/I’m the get back, I’m the first to hit, I’m the worst of it“, heißt es so unter anderem auf „Beef“, das seine Position als einer der stärksten Lyriker der HipHop-Geschichte untermauert.

Hit-Boy, der kongeniale Partner

Ökonomisch ist Musik für Nas spätestens seit der sehr ertragreichen Coinbase-Investition kein Muss mehr. Damit alleine erklärt sich die neu gewonnene Leichtigkeit und der hörbare Spaß an der Musik nicht. Der Hauptgrund lautet Hit-Boy. Der Kalifornier hat Nas einen zweiten Frühling beschert.

See Also

Auf „King’s Disease III“ gelingt es Hit-Boy erneut, BoomBap-Beats mit Trap- und Drill-Ausflügen zu vermengen und eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Klassische BoomBap-Nummern wie der Opener „Ghetto Reporter“, das Piano-getragene „Legit“ oder das im 70er-Jahre-Funk beheimatete „Recession Proof“ bilden das Gerüst, zu dem sich trappige Stücke wie „30“ (spielt auf das 30-Jahre-Jubiläum von „Illmatic“ an) oder „Reminisce“ gesellen; auf „Reminisce“ rappt Nas nach einem Beat-Switch über ein Drill-Instrumental, womit sich Nas vor einer neuen HipHop-Generation verneigt.

Apropos Beat-Switch: Die sind generell äußerst elegant gestaltet, wie etwa auch auf „Michael & Quincy“ zu hören ist: Der Beat wechselt nicht abrupt, es ist vielmehr ein Hineingleiten des alten Instrumentals in ein neues. Im Vergleich zu den Vorgängern klingt das Soundbild auf „King’s Disease III“ rauer und staubiger. Es ist weit vom Plastik-Sound, den manche Hit-Boy attestieren, entfernt.

Nur wenige Beats erweisen sich dann doch als Ausfälle. Das Synthie-geladene, poppige „Hood2Hood“ mag ebenso nicht zu zünden wie das trappige, nach einem Beat-Switch aus einem drumlosen Soul-Loop bestehende „WTF SMH“. Zwei Skip-Kandidaten, die sich eingeschleust haben, aber nicht ins Gewicht fallen. Nas hat die richtigen Beats gepickt. Das war in der Vergangenheit auch nicht immer so.

Fazit

Das Beste kommt zum Schluss – das gilt zumindest für die „King’s Disease“-Reihe. Auf dem dritten Teil erreicht das Zusammenspiel zwischen Nas und Hit-Boy neue Höhen, beide brillieren in ihren Aufgabenbereichen: Als Rapper bewegt sich Nas technisch und lyrisch auf Höchstniveau, das auch der zwischen BoomBap und Trap changierende Hit-Boy auf der Producer-Seite erreicht. Es mag immer noch Personen geben, die lieber Pete Rock oder DJ Premier in Hit-Boys Rolle gesehen hätten – ob das musikalische Ergebnis dann noch besser ausgefallen wäre? Da darf man skeptisch sein.

4,5 von 5 Ananas