Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Vor einem Jahr konnte Nef-u beim WNMR-Contest mit seiner Track-Einsendung glänzen. Seither ist einiges passiert: Der Rapper aus Rudolfsheim-Fünfhaus hat sein Solo-Debütalbum „Unbesiegbares Herz“ sowie die „Routine“-EP mit Hias Ledger veröffentlicht. Obwohl Nef-u Wiener Rapnerds noch aus den Crew-Zeiten von Saiko Recordz oder Leben im Griff geläufig sein mag, hat er über ein Jahrzehnt gebraucht, um richtig anzukommen.
Unser Interview dreht sich nur um seine Raplaufbahn. Wir sprechen über ausgeträumte Kindheitsträume, das Fallen und Aufstehen, die Leidenschaft für Bücher und Poesie. All das mitten im „halbidyllischen“ Heimatbezirk von Nef-u – vom Beats & Beans geht es Richtung Rustensteg, der die beiden Bezirkshälften verbindet.
The Message: Du hast im WNMR-Interview gesagt, dass schon in deiner Kindheit daheim viel HipHop gelaufen ist. Auch andere Musik?
Nef-u: Ja, aber die wollte ich nicht hören (lacht).
Warum nicht?
Weil es mich nicht gebockt hat, wenn mein Opa im Auto alte Jugomusik gehört hat. Da habe ich gesagt: ‚Mach mal mehr was für die Ohren!‘
Wollten sie dir diese Musik näherbringen?
Teils, teils. Mütterlicherseits war mein Opa Musiker, mein Onkel auch. Auf der anderen Familienseite war Musik auch ein Thema. Als Kind wollte ich immer ein Keyboard und ein Schlagzeug, habe das aber nie bekommen. Dann hat mein Opa im Spaß gesagt: ‚Musst du halt singen!‘ Da kam das erste Mal dieses ‚You want me like that? You gon‘ get it!‘ in mir.
Wie alt warst du da?
Acht, neun Jahre. Der Satz ist mir bis heute im Kopf geblieben. Ich dachte mir: ‚Was für singen? Ich will spielen.‘
Hat es dich später nochmal gereizt, Keyboard oder Schlagzeug zu spielen?
Jetzt sample ich gerade und spiele mich mit Beats rum. Über ein Masterkeyboard kann man diverse Instrumente spielen. Ich habe eine jüngere Schwester, die Saxofon spielt. Saxofon fand ich auch immer schon geil und überlege mir, es zu lernen – zumindest die Basics.
Hast du noch andere Geschwister?
Ich habe noch einen älteren Bruder und zwei jüngere Halbgeschwister. Also insgesamt vier.
Du hast erwähnt, dass du dich am Beats produzieren versuchst. Wie weit bist du da?
Es entstehen schon Dinge, aber ich muss beim Release sicherer werden. Dazu kommt, dass ich mit Tschernophil, Zaza Mank und Co ein paar Leute habe, die sehr begabt sind.
„Ich bin mehr Dinosaurier als Newcomer“
Für dein Solo-Debütalbum „Unbesiegbares Herz“ hast du die Beats online gesammelt. War das ein gezieltes Umdenken zum persönlichen Austausch, wo du dich mehr einbringen kannst?
Ich denke, das kommt irgendwann automatisch. Vorher kannte mich ja niemand wirklich in der Szene. „Unbesiegbares Herz“ hat dazu geführt, dass sich das ändert. Über diese Wege, besonders auch WNMR, bin ich auf mehrere Leute gestoßen, mit denen ich jetzt zusammenarbeite.
Du machst trotzdem schon seit rund 15 Jahren Musik. Du warst länger weg, aber bist kein ganz neues Gesicht. Warum hast du den Schritt mit dem Album nie vorher gewagt?
Stimmt, ich bin eigentlich mehr Dinosaurier als Newcomer. Mir war bewusst, dass die Skills für ein Album da sind. Aber ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch und wusste, dass es noch nicht so war, wie ich es haben wollte. Auf der anderen Seite habe ich mir gedacht, wenn du später im HipHop jemand Großes sein möchtest, musst du eine Persönlichkeit sein, weil 90 Prozent der Dinge sich durch deine Persönlichkeit und Statements verkaufen. Daran habe ich gefeilt und geschraubt – bis zum Gehtnichtmehr. Irgendwann kam der Entschluss, es zu machen. Ich habe mir vorgenommen, dass ich vor meinem 30. Geburtstag mein erstes Album release. Das ist dann am 25. März 2023 passiert.
Und kurz darauf hast du den 30. Geburtstag gefeiert?
Genau, am 1. April (lacht).
Hast du das Album wegen diesem Vorsatz so schnell fertig gemacht?
Nein, das Album war eigentlich schon zwei Jahre alt und ich hatte es auch kurzzeitig ohne Cover releast, aber wieder runtergenommen. Einer der Gründe war, dass ich wollte, dass man das Artwork sieht.
Du hast lange darauf hingearbeitet. Was war dein Anspruch, aufs Rappen bezogen?
Der Gedanke war: Wenn ich das erste Ding mache, will ich was Großes machen, große Sätze sprechen, die Wahrheit sagen und meine Persönlichkeit loslassen. Ich wollte auch mal Danke sagen, egal wie gut oder scheiße es war, es gibt immer einen Punkt, der dich wohin bringt, wo es besser wird, wenn du dafür aufstehst und kämpft. Es ist vielleicht irgendwo eine Anleitung, sich nicht mehr selbst zu verlieren.
Hörst du dir das Album auch aktiv an?
Immer wieder. Am Anfang sehr oft, dazwischen vergehen ein, zwei Monate Pause. Es fesselt mich, nicht nur weil es mein Album ist. Ich vergesse es zwischendurch immer wieder, dass es eigentlich gute Arbeit ist, wenn ich das so sagen darf.
Du hast zuerst erwähnt, dass du sehr selbstkritisch bist. Gleichzeitig schätzt du dein eigenes Album sehr. Kann das gefährlich sein?
I don’t know (lacht). Es beruht auch darauf, dass viele Menschen gesagt haben, dass das Album lyrisch unfassbar gut ist. Letztendlich ist es Geschmackssache, wie die Leute darüber denken. Ich empfehle jedem, der es nicht gehört hat, mal reinzuhören und sich seine eigene Meinung zu bilden.
Würdest du sagen, dass du dich musikalisch gefunden hast und für etwas stehst?
Schon, aber ganz gefunden würde ich nicht sagen. Ich glaube, das wird auch nie passieren. Wenn du aufhörst zu wachsen, wächst deine Musik nicht mehr mit. Ich denke, ich stehe für jemanden, der ehrlich ausspricht, was er denkt. Egal welcher Stil und welche Schiene, ich bin immer ich selbst. Ich probiere meinen Geschmack und den der Leute zu treffen, große Songs zu schreiben.
„Ich habe in jeder Situation nur schreiben können – oder rausgehen und Scheiße bauen“
Wie definierst du große Songs?
Mit Reichweite und Bedeutung.
Also ist alles, was du bisher gemacht hast, nicht groß?
Würde ich nicht sagen. Es ist eher falsch bis gar nicht promotet und gerade das Album ist eines, das vielleicht später viel besser aufgeht, wenn die Leute mich besser und näher kennen. Es fehlt die Explosion, that everyone knows it.
Hast du dir einen Plan überlegt?
Es gibt schon inzwischen kleine Promopläne. Man kann sich heutzutage viel Hilfe holen, auch aus dem Internet, und das Ganze ankurbeln. Ich schaue schon, dass das nächste Album bisschen größer einschlägt. Es sind Songs oben, die meiner Meinung nach sehr groß sind.
Sind Soloalben persönlicher Shit und Kollabos wie „Routine“ Entertainment? Trennst du das?
Es ist beides ein bisschen Entertainment, aber das Herz erklärt es eh. Da wo ich real spreche, spreche ich real. Aber ich sage auch offen, dass ich Bock auf Entertainment habe. Das Ding mit Hias ist Entertainment mit Realness-Faktor dahinter, es ist sehr straßenlastig und geht hart nach vorne. Soloalben sind für mich immer etwas sehr Persönliches.
Da ziehen sich schwierige Zeiten durch – Depressionen, aber auch der Track über deine Mutter.
Du meinst „Stille Gewässer“, der Song ist heftig. Ich habe das Ganze geschrieben, nachdem es ein bisschen vergangen war.
Wie lange ist das mit der Mutter her?
28 Jahre. Sie ist leider schon gestorben, als ich zwei Jahre alt war. Du trägst das natürlich permanent mit dir mit. Aber es ist nur einer der Gründe, warum ich mich so gefühlt habe, wie ich mich gefühlt habe. Wenn du dabei bist, dir was aufzubauen und alles wie ein Kartenhaus zusammenfällt, bleibst du erst mal für eine längere Zeit liegen. Dann stehst du auf, schreibst dieses Album und gehst damit raus.
Welche Rolle kann Musik in der Bewältigung spielen?
Alles! Schreiben war immer mein einziger Ausweg. Ich habe nicht viele Leute zum Reden gehabt, konnte mich nicht hinsetzen und sagen: ‚Hey, Mama!‘ Ich komme auch aus ärmlichen Verhältnissen und habe deswegen kein Instrument gelernt. Als Kind war das unverständlich, später viel verständlicher. Das, was ich mir leisten konnte, waren ein Stift und ein Blatt. So begann die Selbsttherapie. Irgendwann ist es cool geworden und so kombiniert es sich. Deswegen kann man mal deep, lässig oder battlemäßig vorgehen. Ich habe in jeder Situation nur schreiben können – oder rausgehen und Scheiße bauen.
Wann ist es mit dem Scheiße bauen losgegangen?
Mit 14. Eigentlich da, wo ich auch zum Schreiben angefangen habe (lacht). In der Volksschule hat man erkannt, dass ich ein Talent für Musik habe, aber meine Eltern und Großeltern konnten es sich nicht leisten. Dann wollte ich Sport machen, aber konnte nicht, niemand hat mich hingebracht. Mit 13 bin ich in den Park gegangen, habe meine erste Zigarette geraucht, mit 14 den ersten Joint. Hier in der Hood, im halbidyllischen Rudolfsheim-Fünfhaus, wo viel Kriminalität geherrscht hat. Das ist mittlerweile glaube ich abgeschwächt, aber damals war viel los, vor allem hier auf der äußeren Mariahilfer Straße.
War das auch dein Musikumfeld?
Am Anfang schon. Natürlich hat das alles Einfluss. Du siehst permanent die gleichen Leute, alle bauen scheiße, kiffen oder ziehen irgendwelche Leute ab. Du kannst dich bemühen, das auszublenden, aber wenn du das ständig sieht, macht es was mit dir. Dazu kommen private oder Familienprobleme. Ich wollte das eigentlich nicht als erstes erzählen. Mein erstes Album kam, um den Menschen zu sagen: ‚Hey, schau mal wo ich stehe, aber ich stehe trotzdem auf. Vielleicht solltest du auch.‘
Auf dem Album sind teils sehr pointierte und reflektierte Lines. Du hast die Texte in kurzer Zeit geschrieben, das ist schon bemerkenswert. Wie hast du die diese Art zu schreiben angeeignet?
Skilltechnisch schon recht früh, ab 17 oder 18. Aber ich wollte eine große Person werden, bevor ich Musik mache. Das ist eine Menge Arbeit. Die meisten denken sich, das geht von heute auf morgen.
Was hast du gemacht, um eine große Person zu werden?
Es ist ein permanentes Versuchen, an sich zu arbeiten und den Menschen zuzuhören. Am Wissensstand, am Selbstbewusstsein, der Art zu sprechen, dem Stil zu arbeiten und gleichzeitig authentisch zu bleiben. Viele sagen mir heute: ‚Man erkennt dich sofort an der Art, wie du sprichst.‘
Hast du viele Bücher gelesen?
Auf jeden Fall.
Auf deinem Facebook-Account hast du zu Büchern noch angegeben: ‚Ich hasse lesen.‘ Wann hat sich das geändert?
In der Schule habe ich es gehasst wie die Pest. Es hat sich damit geändert, dass von heute auf morgen alle zusammengefallen ist. Du hast Depressionen, bekommst Phobien und diverse Probleme. Dann gehst du zurück und analysiert dich von Kind auf bis zum 25. Lebensjahr, checkst, was gut und was schiefgegangen ist und es gibt zwei Möglichkeiten: Du gehst komplett kaputt oder du stehst auf, änderst es und machst es besser. Vielleicht ist mir beides passiert und so entstand dann das Herz (lacht). Jetzt liebe ich es, Bücher zu lesen.
In welcher Zeit würdest du das Hinfallen am drastischsten datieren?
So mit 22 bis 25 Jahren. Da öffnen sich dir die Augen und du siehst das komplette Bild. Da ist es bei mir steil bergab gegangen. Körperlich, physisch, das Umfeld, die Kohle, alles den Bach runter.
„Mit meinem zweiten Album werde ich noch mehr Fuß in der Poesie fassen“
Hast du in der Zeit Musik gemacht?
Hin und wieder. Es war der einzige Ausweg. Wo hätte ich hingehen sollen? Mit wem hätte ich reden sollen? Du kommst nach Hause und bist allein. Dann hast du einen Job und machst vielleicht etwas, das du nicht machen möchtest, aber musst alles erhalten. Ab 25 wurde es besser. Mit 28 habe ich das Album geschrieben, jetzt mit 30 sitzen wir da und ich fühle mich besser denn je – obwohl Winter und der einzige Winter, der cool ist, von Hias Ledger ist (lacht).
Zurück zu den Büchern: Was war das erste Buch, das dich gefesselt hat?
Ein kleines Reclam-Heft aus der Abendschule: „Angst“ von Stefan Zweig. Ab dann dachte ich mir, dass es vielleicht doch nicht so blöd ist, zu lesen. Heute lese ich nur und hasse Fernsehen. Das hat sich komplett umgedreht.
Welche Bücher hast du zum Beispiel gelesen?
Viel über Philosophie, zum Beispiel über den Stoizismus. Jetzt lese ich gerade „Dein Glaube ist dein Schicksal“ von Neville Goddard. Er ist ein Religionsexperte, der diverse heilige Schriften dechiffriert. Die Kernaussage dieser Bücher ist, dass das passiert, was du durch Manifestieren denkst. Und ich glaube, dass das wahr ist. Ich habe auch „Weedology“ gelesen, aber das ist ein anderes Thema (lacht). Sonst über Onlinemarketing, Psychologie und wie man effizienter wird. Ich möchte mir eine Meinung bilden und schauen, ob ich mir dafür etwas aus einem Buch rausziehen kann. Mir hin und wieder Tipps holen und daran wachsen.
Könnte ein Soloalbum von dir das für andere Leute erfüllen?
Ich hoffe es. Ich würde auch gern mal sprechen gehen, kenne aber zu wenige Lokale.
Eine Lesung?
Eine Lesung, paar Witze dazwischen, reden, vortragen, frei sprechen, wie auch immer. Mit meinem neuen Album werde ich noch ein bisschen mehr Fuß in der Poesie fassen. Es wird verdeutlichen, was ich meine. Ein Song heißt „Schwarzer Palast“, der ist komplett poetisch. Es ist schon ein bisschen in die Richtung Kunstmusik. Das Album wird „Aus Instinkt nicht normal“ heißen – und der erste Teil ist der Gang durch die Hölle. Es wird auf die Kacke hauen, gleichzeitig poetisch sein und eine Message haben. Die Tracks vereinen alles, von Liebe bis Hass, oder umgekehrt.
Gibt es Rapper mit poetischem Ansatz, die du feierst oder die dich inspirieren?
Ich kenne keinen. Ich glaube, dass die wenigsten so weit denken, wenn es um Rap geht. Ich versuche aus allem etwas rauszuziehen und daraus Musik zu machen.
Die „Routine“-EP mit Hias hast du primär zum Live spielen gemacht?
Die Tracks habe ich aus dem Herzen gemacht. Die Beats von Tschernophil sind total hart, deswegen hauen sie ziemlich in die Fresse. Es ist etwas, das ich der Straße schulde (lacht).
Welche Eigenschaft verbindet dich und Hias am meisten?
Stil! Das Wissen dahinter, die Liebe dafür und die Art, dafür zu kämpfen, es zu schaffen. The Passion. Splank hat ihn mir beim Konzert von Jokah als Voract von Havoc vorgestellt, er war gleich mein Bruder. Immer cool, nie Probleme. Ich bin dankbar, dass ich so viele talentierte Leute kennengelernt habe.
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