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Rap für die Wahlbeteiligung!

Rap für die Wahlbeteiligung!

Am vergangenen Sonntag fanden im krisengebeutelten westafrikanischen Staat Mali Präsidentschaftswahlen statt. Die ehemalige französiche Kolonie versucht nach dem Putsch im März 2012 und der Ausbreitung des Machtanspruchs der islamistischen Tuareg-Rebellen, welche für einen unabhängigen Staat „Azawad“ kämpfen und erst mit Hilfe französischer Truppen zurückgedrängt werden konnten, den Weg Richtung Normalität. Dass Demokratie nur mit Hilfe einer teilnehmenden Masse funktioniert, ist keine neue Erkenntnis – genauso wenig wie jene, dass Rap traditionell gesehen eine starke politische Komponente vorzuweisen hat und sich daher besonders gut eignet, vor allem Jugendliche für die demokratische Sache zu begeistern. Rap und Politik in Mali – eine interessante Mischung.

Der westafrikanische Staat Mali gilt als einer der ärmsten und unterentwickelsten Staaten der Welt, wird doch das durchschnittliche jährliche Einkommen eines Maliers auf etwa 691$ beziffert. Die Hälfte der Bevölkerung gilt als armutsgefährdet, die Analphabetisierungsquote beläuft sich auf bis zu 70%. Dennoch galt der Staat bis zum Putsch 2012 als ein Musterbeispiel für Demokratisierung in Afrika, eine Rolle, welche Mali viel zu gern wieder einnehmen würde. Die ersten Schritte dorthin wurden unternommen, und zwar in der Form von Wahlen. Doch auch hier findet man ein grundlegendes Problem: das geringe Interesse, v.a. bei Jugendlichen, hinsichtlich der Partizipation beim demokratischen Prozess. Überzeugungsarbeit, um doch zu den Wahlurnen zu schreiten, wird besonders von einer Personengruppe geleistet: von malischen Rappern.

Musik hat in Mali eine große Tradition, Künstler wie Ali Farka Touré, der mit seinen Alben Talking Timbuktu und „In the Heart of the Moon“ jeweils einen Grammy gewann,  konnten auch außerhalb von Westafrika einen beachtlichen Bekanntheitsgrad aufbauen. Die traditionelle Musik der Griots genießt über hohes Ansehen innerhalb der malischen Bevölkerung und beeinflusst auch die moderne Popularmusik – und hiermit auch den malischen Rap. Die Beats unterscheiden sich somit klar von dem, was in Amerika oder Frankreich angesagt ist, die enge Verbindung zu den afrikanischen Wurzeln ist deutlich wiedererkennbar. Doch Rap hat hier noch einen anderen Stellenwert: er dient als Übermittler politischer Bildung. Dass dies keine leere Floskeln sind, zeigt ein Beispiel aus dem benachbarten Senegal, welches vom Berliner Rapper LMNZ, der schon öfters in Afrika unterwegs war, im The Message Interview geschildert wurde: „Also da ist HipHop wirklich ein politisches Werkzeug. Ein Rapper sagt irgendwas und am nächsten Tag ist es in jeder Zeitung auf Seite 1. Erst auf Seite 2 folgt, was der Politiker sagt.“

Einer der malischen Künstler, welche besonders  in diesen Gefilden tätig sind, nennt sich Amkoullel. Er setzt sich, unterstützt durch eine Vielzahl seiner Genrekollegen, dafür ein, dass die Malier ihr Stimmrecht bei den Wahlen nützen: „Wir Rapper rufen zusammen die Jugendlichen dazu auf, zur Wahl zu gehen. Wir werben für keinen Kandidaten. Sondern für eine aktive Beteiligung an der Demokratie“, sagt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Klar, solche Aktionen sind generell nichts Neues: Rapkapazunder wie P. Diddy oder 50 Cent unterstützten in den Vereinigten Staaten ebenso Pro-Wahl-Aktionen („Vote or Die!“), nur ist hier der Background ein total anderer: während solche Aktionen in den USA doch auf breite Zustimmung stoßen, gibt es in Mali einige Gruppierungen, denen dieses komplett gegen den Strich geht. Zenurmaßnahmen des Militärs, wie etwa bei dem Track „SOS“ von Amkoullel, welcher die Missstände nach dem Putsch behandelt, sind allgegenwärtig; die aufständischen Islamisten im Norden Malis sprachen sich für ein generelles Verbot von Musik aus und zeigten sich bei der Bestrafung als nicht gerade zimperlich: „Sie haben Musikinstrumente verbrannt, und den Musikern gedroht, Hände abzuhacken“, wie Amkoullel in der Süddeutschen Zeitung berichtet. Umso höher ist also das Engagement von Amkoullel und seiner Kollegen einzuordnen.

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Ob das Engagement den gewünschten Erfolg brachte, ist noch nicht klar, allerdings kann diese Aktion definitiv als Lebenszeichen der malischen Zivilgesellschaft gewertet werden. Und ohne lebendige Zivilgesellschaft kann eine Demokratie nicht funktionieren.

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Ein Interview mit Amkoullel findet Ihr in der Wochenend-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.

Text: Thomas Kiebl