Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
„Die Zielgruppe, die ich anspreche, ist nicht groß. Die meisten wollen tanzen an einem Samstagabend.“ Vielleicht fällt deswegen der nächste Auftritt von Karma Art auch auf einen Donnerstag. Genau heute spielt der Duzz Down San-Künstler nämlich im Wiener rhiz ein Liveset, bei dem er sein Schlagzeug durch die Gitarren-Effektpedale schickt. Der Sound, den der gebürtige Oberösterreicher sonst erzeugt, lässt sich in kein Genre einordnen, Electronic wäre noch der beste Überbegriff dafür. „Einige meinten, es erinnert sie an Flying Lotus. Ich hab das viel gehorcht und am Anfang versucht zu imitieren, aber es ist vollkommen nach hinten losgegangen. Dann ist man auch gezwungen, einen eigenen Weg zu gehen, was auch gut ist.“
Zu seinen Jugendhelden und Haupt-Inspirationsquellen zählt der Musikschaffende Radiohead, insbesondere Leadsänger Thom Yorke. Selbst Schlagzeuger in einer Rockband namens The Veins, produziert Karma Art dort Musik, die komplett konträr zu seiner „Bloom“ EP erscheint. Die zwölf Jahre Erfahrung als Drummer haben aber auch ihre Spuren in der elektronischen Zweitwelt des Musikers hinterlassen. „Sicher gut, wenn man einen theoretischen Überblick hat, aber ob es gut ist, wenn man das analysiert, was man macht? Dadurch kann die Magie komplett verloren gehen. Manchmal ist es auch besser, wenn man komplett uneingeschränkt an die Musik rangeht.“
Uneingeschränkt geht er auch an die Definition seines Outputs ran. Denn er macht nicht das, was die Hörer erwarten würden, sondern das, was er will. „Ein fast kindischer Ansatz“, kommt es ihm schmunzelnd über die Lippen. Dieses Wollen manifestiert sich in organischen Sounds, Geräuschen, mit denen man andauernd umgeben ist und die man in die Tracks einstreuen kann. „Das ist auch ein ganz interessanter Umkehrschluss, dass man bei der Musik, bei der man keine Nebengeräusche haben will, wieder welche reinbringt.“
Mit Logic arbeitet er übrigens schon seit seiner Schulzeit. Im Popularmusik-Zweig seiner Schule gab es auch das Fach Musikelektronik, wo das Computerprogramm Anwendung gefunden hat. Mittlerweile arbeite er mit Abelton Live, aber „in Wahrheit ist es nur ein Computer, ein Mikrofon, ein Interface und ein Keyboard. Ich hab nicht einmal einen alten Synthesizer gehabt, weil ich ein armer Student bin.“
Nach der Schulzeit in Wien, dem „musikalischen Zentrum Österreichs“, angekommen, studiert Marco Kleebauer, die Person hinter Karma Art, Medienmusik an der Privatuniversität Jam Music Lab, es geht um die Vertonung von Film und Werbung. Selbst jedoch hat er keinen Fernseher, immerhin ist „die Werbung das Nervigste, die Produkte würde ich aus dem Grund nicht kaufen, weil sie mich stören und unterbrechen.“ Trotzdem wäre er von der Produktion von Werbe-Jingles und Vertonung von Massenware nicht abgeneigt. „Ich wollte einen Mittelweg finden, dass ich mit Musik möglichst viel Geld verdienen kann, ohne dass ich jetzt ein Künstler bin, der dauernd in der Luft schwebt und sich um Gigs kümmern muss.“
Gallionsfiguren in dieser Berufssparte wie dem Deutschen Hans Zimmer, Oscarpreisträger und Besitzer eines Sternes auf dem Walk of Fame, steht er kritisch gegenüber: „Man weiß nicht, wie viel er wirklich selbst macht und wie viel kollektiv entsteht.“ Aber auch das Genre Film hat seine Schattenseiten. „Bei der Filmmusik von heutzutage, das muss schon so bombastisch und mit Lautstärkenunterschieden sein, dass du es fast nicht mehr aushältst, damit es irgendwie noch zum Bild passt und irgendwie raussticht. Das interessiert mich weniger.“ Ein favorisiertes cineastisches Genre lässt sich keines ausmachen. Was er zu der musikalischen Inszenierung in Horrorfilmen allerdings sagen kann – oft sei die Stille schlimmer und spannungsaufbauender als eine „schlimme“ Musik.
Zur eigenen Person hält sich Karma Art lieber bedeckt. „Ich steh nicht gerne im Mittelpunkt“, erklärt er fast schon schüchtern im Interview mit The Message. „Die Leute sehen auch nicht mich, wenn sie die Musik horchen. Das wäre komisch und traurig. Das Beste wäre, wenn sich jeder eine subjektive Welt schafft, wenn er das hört. Wie ein Film ohne Bild. Wo du dir die Handlung selber denken kannst, das ist die Idee.“ Aber vielleicht sei er auch durch das Schlagzeugspielen im Hintergrund traumatisiert, erklärt er schließlich schelmisch grinsend.
Auf seiner Debüt-EP „Bloom“ wird der Hörer mit experimentellen Rhythmen konfrontiert, die sich gepaart mit elektronischen Beats in Low-Tempo individuell entwickeln. „Die EP muss man aktiv horchen, ohne nebenbei was zu machen. Ich würde nicht sagen, dass man sie sonst nicht versteht, aber sie hat viel Energie und war aufwändig und deshalb wird sie auch nicht so einfach sein zu horchen, da braucht man ziemlich viel Aufmerksamkeit.“
Den Fokus auf elektronische Sound- und Klangwelten hat Karma Art erst ziemlich spät gelegt. Bei der Beobachtung des musikalischen Werdegangs seiner Lieblingsband Radiohead hat der junge Musiker damals festgestellt, dass diese sich immer mehr der Electronic zugewandt haben. „Am Anfang hab ich das abgeneigt, weil ich dachte, die elektronische Musik ist das, was meine Zukunft schwierig macht als Musiker. So quasi die DJs drücken einen Knopf und verdienen dasselbe Geld wie ich, wenn ich voll übe und dann einen Abschluss habe im Schlagzeugspielen. Und irgendwann werden die mich ablösen, dann nimmt man lieber einen DJ als eine ganze Band.“ Eine Kampfansage an alle DJs ist das noch lange nicht. „Ich hab sogar schon mal aufgelegt. Aber es ist schwierig, das hab ich auch komplett unterschätzt. Dass man kontinuierlich Energie hat, die sich immer steigert, ich schaff das nicht, das ist eine eigene Kunst.“
Das Spielen vor Publikum überlegt sich Karma Art trotzdem immer ganz genau. Seit Oktober letzten Jahres ist er nicht mehr aufgetreten, will er doch, dass die Konzerte jedes Mal anders klingen. Da reiche es nicht, wenn man mit einem Computer auf der Bühne steht und etwas steril runterspielt. Denn Sterilität, damit will das Duzz Down San-Mitglied nichts zu tun haben. Es ist der Jazz-Charakter, der sich auf der Bühne mit Improvisation auf eine faszinierende Art und Weise vereint. Trotzdem weiß der Musiker nicht, ob dies die Zukunft für eine so pulsierende Clublandschaft sei. „Entweder ich leg das alles in Echtzeit an, dafür ist es auch minimalistisch und gscheit experimentell, oder ich mach in Zukunft wirklich tanzbares Zeug.“
Die richtige Plattform dafür hat der Künstler, der sonst fast nur Jazz-Studenten zu seinem Freundeskreis zählt, bereits gefunden. Das Wiener HipHop und Electronic Label Duzz Down San wurde über digitalen Zufall, also über Goolge, ausgemacht. „Ich hab mir gedacht, wenn ich alleine was rausbring, dann erreicht das genau meinen Freundeskreis und sonst gar keinen. Da kann ich es mir in Wahrheit auch sparen.“
Wenn er sich nicht gerade für Wettbewerbe wie den Wiener Filmmusikpreis an die Instrumente setzt, dreht er auch schon mal seine eigenen Videos, die den künstlerischen Anspruch nicht von der Hand weisen können. Rückwärts abgespielte Tanzeinlagen und mit einem Smilie versehene temporäre Gesichtsbedeckungen – die Person im Video soll keine Identität haben, damit sich auch jeder Zuhörer und –seher in den Charakter von „My Head“ reinversetzen kann.
Konkurrenz in der doch sehr überschaubaren Wiener Musiker-Gemeinschaft sieht Karma Art nicht. Salute habe ein komplett anderes Feeling, nur Wandl, der mache so etwas wie er, und zwar echt richtig gute Sachen. „Irgendsoein Bayerischer Sender hat für 2014 einen Wandl-Hype prognostiziert – ich wünsch ihm viel Glück dabei!“, zeigt er sich zuversichtlich und kollegial.
Zukünftig geplant ist übrigens eine Single mit „My Head“ und Clains-Sänger Tobias Klöttl sowie ein Feature auf der neuen EP von Label-Kollegin The Unused Word, welche im Frühsommer erscheinen wird. Bis dahin konsumierbar: Die „Bloom“ EP eines aufstrebenden und kreativen Wiener Produzenten.
Text & Interview: Julia Gschmeidler
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Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute verbessert sie, hievt Beistriche wieder auf ihren richtigen Platz und hält die ganze Bande mit liebevoller Strenge zusammen. Nach dem Dienst im KURIER-Newsroom hört sie dann eine Zugezogen-Maskulin-Platte zum Einschlafen.