Looking For The Perfect Beat
Fatoni ist der Benjamin Button des Rap. Mit Yo, Picasso, seinem Langzeitprojekt mit Dexter, hat er nun endlich – nach Zwischenstopps bei Creme Fresh und Moop Mama – den richtigen Stil für sich entdeckt. Der Schlusspunkt zu Solange früher alles besser war und Die Zeit heilt alle Hypes – wenn man so will. Mit seiner Solo-EP C’MON! und Tracks aus seinem neuen Album im Gepäck, gastierte der Schauspieler und Rapper vor Kurzem gleich zweimal in Wien. Als Vor-Act für Fettes Brot trafen wir den sympathischen Münchner im Backstage Bereich der Arena. Fatoni über Yo, Picasso, Anti-Rap und die Auflösung von Blumentopf.
Fotos: Doris Fazekas
Interview: Michael Reinhard
The Message: Vor Kurzem erschien dein Kollabo-Album mit Dexter namens „Yo, Picasso“. Drei Jahre seid ihr daran gesessen. Würdest du sagen, es ist ein Konzeptalbum geworden?
Fatoni: Ich würde es nicht als Konzeptalbum bezeichnen. Dexters Zusammenarbeit mit Morlockk Dilemma für „Weihnachten Im Elfenbeinturm“ – das war konzeptioniert. Morlockks Texte – alles in einem Hochhaus! So ist es nicht. Aber es hat einen roten Faden, vor allem vom Sound. Darauf haben wir geachtet.
In „32 Grad“ thematisierst du die Flüchtlingsproblematik am Mittelmeer aus einer recht ungewöhnlichen Perspektive. Wie kam es dazu?
Eins zu eins konnte und wollte ich die Thematik nicht umsetzen. Ich musste aber unbedingt etwas darüber schreiben. Unsere Haltung – dieses Weggucken – als Metapher auch für andere Gebiete. Als ich den Text geschrieben habe, war das Thema noch nicht ansatzweise so präsent. Vor etwa zwei Jahren wurde das Thema nur in Ausschnitten behandelt. 1000 Tote im Mittelmeer. Nur eine Meldung. Mit der Zeit wurde es zum Glück präsenter. Als immer mehr Bote gekentert sind, änderte die EU die Vorschriften des Rettungsprogrammes – als reine Abschreckung. Wieder sind hunderte Menschen ertrunken, wieder wurde in den Nachrichten berichtet. Man findet es schrecklich, aber macht nichts, sondern lenkt sich ab und blickt woandershin.
Entstand das Video auf Lampedusa?
Nein, auf Lesbos. Ich war letztes Jahr dort und hatte, obwohl es eine ganz andere Insel ist und es dort noch gar nicht zu dieser Problematik kam, die ganze Zeit Lampedusa im Kopf. Damals noch Hauptschauplatz der Tragödien. Absurderweise hat sich jetzt vieles auf Lesbos verschoben. Das Video haben wir letztendlich genau dort gedreht, wo auch der Text entstanden ist.
Verfolgst du mit deinen Liedern einen politischen Anspruch? Oder sind sie mehr Ausdruck des Ekels oder Hasses auf unsere derzeitige Gesellschaft?
Bei diesem Song habe ich versucht, ein bestimmtes Thema miteinzubauen. Klar ist da auch so etwas wie Hass, aber nicht nur.
Deine Texte funktionieren auf zwei Ebenen. Einer oberflächlichen und einer unterschwelligen, die meist viel Freiraum für Interpretationen lässt.
Es ist ein Stilmittel und ein guter Weg, die Menschen zu erreichen. K.I.Z. machen das schon immer, „Boom Boom Boom“ ist das beste Bespiel. Eigentlich will ich noch den großen Hit schreiben, welchen die Leute hören, cool finden aber erst in zehn Jahren checken. Aber entweder ist die erste Ebene nicht platt oder witzig genug, oder die zweite noch zu deutlich, dass jeder sie versteht und dann nicht hören will. Bei „32 Grad“ bemerkt man diese zweite Ebene ja ziemlich schnell. Vielleicht unterschätzte ich das aber auch.
Vielleicht sogar ein klein wenig Kalkül, um ein größeres, jüngeres Publikum zu erreichen?
Würde ich gerne, funktioniert leider nur nicht. Obwohl es mir bei „Vorurteile“ vielleicht sogar gelungen ist, da kann man auch einfach nur die Schimpfwörter mitschreien. Als ich mit Weekend auf Tour war, hatten wir ein durchgehend junges Publikum – und drei 30-jährige Fatoni-Fans, die von den Teenagern eingeschüchtert ganz hinten standen. Klar will ich ein großes Publikum erreichen, aber Teenager nicht unbedingt.
Gerade bist du mit Fettes Brot unterwegs.
Dort gibt es bis zu 50-Jährige. In Graz hat ein Ehepaar „Jein“ komplett mit durchgerappt. Das war verrückt. Hey Chef, was hast‘ denn heute Abend vor? Die waren so glücklich, das habe ich noch nie auf einem Konzert gesehen. Oder Menschen im Ed-Hardy-Shirt, die aussehen als wären sie direkt aus einem Film von Ulrich Seidl herausgesprungen. Rappend. Komplett absurd. Die haben einfach so unglaublich viele Hits gemacht, da sieht man alle möglichen Menschen.
Wie kam es zu dem Feature „Kann nicht reden ich esse“ mit Kryptic Joe von Deichkind?
Wir haben uns bei den Aufnahmen zu „Meine Stimme“ von Fettes Brot kennen gelernt, uns gleich gut verstanden und ein Bier zusammen getrunken. Ein paar Wochen später saß ich wieder am Album und fragte ihn, ob er mit mir einen Refrain macht. Er sagte zu – und schickte einen Tag später eine Strophe zurück. Den Refrain haben wir dann auch noch gemacht.
Was hat es mit deiner Wortneuschöpfung „Authitenzität“ auf sich?
Staiger sagte einmal, man sollte dieses Wort abschaffen oder in „Authenz“ umbenennen, weil es keiner richtig aussprechen kann. Vor allem im HipHop, wo es von relativ dummen Leuten gerne und häufig benützt wird. Seit diesem Song sage ich es aber leider auch immer falsch.
In „Dienstag Nacht“ beschreibst du eine WG-Party aus der Sicht des genervten Spießer-Nachbarn. Hinsichtlich der sooft propagierten Coolness eines Rappers, ist das im Grunde selbstdurchgeführter Rufmord.
Klar. Aber es ist auch Realtalk, es ist so gewesen. Ich lag wach und unter uns hat die etwas jüngere WG unter der Woche ziemlich aufgedreht. Ich musste wirklich am nächsten Tag arbeiten und hatte diesen Gedanken. Fuck, ich habe gerade darüber nachgedacht, die Bullen zu rufen. Dabei bin ich so erschrocken, dass ich eingeschlafen bin.
Der Backstage-Bereich beginnt sich wieder etwas zu füllen. V.Raeter, Producer, Illustrator und Tour-DJ, sowie Daniel Hd Schroeder, Regisseur von „Kein Tag“ und Fahrer der kleinen Truppe, lassen sich gemütich auf die schwarze Ledercouch gegebüber fallen. Die Tour-Stops in Linz und Graz haben ihre Spuren hinterlassen.
In deinem Zusammenhang fällt immer wieder der Begriff „Anti Rap“.
Fatoni: Anti Rap? Was ist das, wer sagt so was? Vielleicht meinen sie damit, dass ich nicht die gleiche Musik wie Fard mache.
V.Reater: Du hast so eine stilistische Anti-Haltung – etwa, dass sich nicht immer alles reimen muss. So wie auch Audio88, Yassin, Edgar Wasser, Juse Ju …
Fatoni: Juse Ju! Neues Album, „Angst & Amor“ – er bringt es sogar wieder umsonst raus. Kann man nur empfehlen.
Vor allem seit Nocebo mit Edgar Wasser vertrittst du eine Art Anti-Haltung gegenüber dem üblichen deutschen Standard-Rap. Auch LGoony bezeichnetest du etwa als „so schön Anti“.
Was ist Standart? Umse? Jeder Umse-Kenner weiß/Verglichen hiermit/Ist nicht mal ein Bunsenbrenner heiß? Das ist zwar eine typische Rapper-Antwort, aber ich kann mit diesem Begriff nichts anfangen. Ich sehe mich selber nicht in einer solchen Schublade. Cro ist wahrscheinlich nicht Anti-Rap, sondern Raop. Das sind Musikjournalisten, die diese Begriffe prägen, und plötzlich wird man damit konfrontiert. Wie bei Cloud-Rap oder etwa The Streets und Dizzee Rascal, deren Musik auf einmal mit dem Genre Garage und Grime bezeichnet wurde.
Es soll uns bald ein neues Album mit Edgar Wasser erwarten!
Das dauert leider noch. Er hat schon viel gemacht, wie immer, ich leider noch fast nichts. „Nocebo 2“ wird trotzdem alles ficken!
Bei deiner alten Crew Creme Fresh hieß es noch wir sind die „Zukunft des Raps“. Jetzt hat sich Blumentopf tatsächlich aufgelöst.
Ich komme aus München und bin mit der Musik von ihnen aufgewachsen. Sie waren auch mit die Ersten, die uns, neben Nico Suave, wirklich unterstützt und mit auf Tour genommen haben. Als ich es offiziell gesehen habe, dass es bald wirklich so weit kommen wird, war ich traurig. Wir alle waren traurig.
In Kürze folgt ein Just for the record mit V.Raeter!
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