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Abschied vom Blumentopf (1992-2015)

Abschied vom Blumentopf (1992-2015)

blumentopf auflösung 5

Nach 23 Jahren löst sich eine der wichtigsten deutschsprachigen Rapcrews auf. Gründe dafür werden zwar keine genannt, so mancher Blumentopf-Fan wird diesen Schritt aber schon länger befürchtet haben. Blumentopf teilten nämlich in den letzten Jahren das Schicksal vieler anderer Crews und Künstler: Einerseits konnten sie nicht mehr mit derselben, vielleicht naiven aber energievollen Unbekümmertheit ihrer ersten Alben an ihren Texten und ihrer Musik feilen, andererseits wurden sie von vielen Seiten häufig an ebendiese Unbekümmertheit ihre ersten drei Alben erinnert. Oder noch schlimmer: Sie wurden nicht mehr wahrgenommen und mit einem „Was, die gibt’s immer noch?“ quittiert. „Kein Zufall“ (1997), „Grosses Kino“ (1999) und „Eins A“ (2001) waren aber nichtsdestotrotz und Melancholie-Faktor hin oder her, mit Sicherheit ihre besten Alben und gehören auch zum Angenehmsten was Deutschrap bisher zu bieten hatte.

Ihren ersten „Alternative-Hit“, der auch auf FM4 in Heavy-Rotation war, hatten Blumentopf mit „6 Meter 90“, das dem anno 1997 noch alles bestimmenden Thema gewidmet war: Boygroups und ihren Groupies. Doch Blumentopf waren nicht auf einzelne Singles beschränkt, sondern brachten noch klassische, von einer durchgehenden Stimmung getragene Alben heraus. Trotz ihres Deals beim Fanstastischen-Vier-Label „Four Music“ konnten sie sich dabei auch eine Brise Underground-Status bewahren. Vor allem „Kein Zufall“ wusste im wortgewandten Zusammenspiel der vier Rapper und DJ Sepalot zu gefallen, auch wenn die Texte zum Großteil noch geschrien waren. „Grosses Kino“ und „Eins A“ reihten sich sehr gut ein, doch wurde hier schon etwas smoother agiert.

Österreich-Bezüge hatten Blumentopf einige, nicht zuletzt künstlerische. Ihren letzten, eher ideenlosen Release bestritten sie noch Anfang des Jahres mit Texta. Jahre zuvor kam es hingegen zu gelungeren Zusammenarbeiten mit Oh-Vo (Brotlose Kunst), Die Sonne (Wisdom), und vor allem Manuva (Total Chaos) und eben Texta. Mit „Kaleidoskop“ releasten Blumentopf, Texta und Total Chaos 2002 eine der nach wie vor interessantesten Monsterkollabo-Veröffentlichungen deutschsprachigen Raps, mit Perlen wie dem Titel-Track oder „Kennst du das„. Konzerttechnisch wusste der Blumentopf, nicht zuletzt durch zahlreiche Freestyle-Einlagen, auf höchstem Niveau, auch über die Jahre stets zu gefallen. So zum Beispiel 2009 im ausverkauften Gasometer mit Texta. Die sonstigen Hallen wurden nicht nur in Wien,  sondern in sämtlichen Bundesländern problemlos gefüllt. Damit hatte der Blumentopf in Österreich Zeit seines Bestehens einen Sonderstatus unter deutschsprachigen Rapcrews.

Viele, die ihr sonstiges Interesse am deutschsprachigen Rap nach den Hamburger Jahren verlore haben, blieben dem Blumentopf treu und pilgerten zu den Konzerten. Davon unberührt, so etwa um 2003, als Straßenrap rund um die Sekte aus Berlin das große Ding wurde, und sich das Tempo im Deutschrap erhöhte, sahen Blumentopf plötzlich ziemlich alt und brav aus. Neben Fettes Brot wurden sie fortan auch am häufigsten gedisst, worauf sie aber sehr entspannt reagierten. Selbstironie war eine weitere Blumentopf-Stärke und so wurde auch schon bereits 2005 mit Texta eine Nummer inklusive Video über ihr fortgeschrittenes Alter aufgenommen. 2015, in Cloud-Rap-Times, sieht nun Straßenrap selbst plötzlich ziemlich alt aus. Der Blumentopf ist zwar auf dem Papier tot, in der Konzerterinnerung und auf Vinyl aber weiterhin lebendig. Außerdem wird es 2016 noch einen letzten Blumentopf Auftritt in München geben.

Unseren Stuff nicht zu mögen ist theoretisch nicht möglich
und geht auch nicht praktisch
mein gut gemeinter Rat ist:
verpass nie die Party, wenn der Topf in deiner Stadt ist.
Blumentopf-Quintessenz (1999)

Aus dem „Grosses Kino“ Album (1999):

See Also

Aus dem „Eins A“ Album (2001):

Und als besonderes Schmankerl: Mitschnitt des Bayrischen Fernsehens vom Blumentopf Auftritt beim Taubertal Festival in München inklusive Kurz-Interview mit der „Blumentopf-wie kamt ihr auf den Namen?“-Frage (ab 6:45):

(JB)