Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Einmal im Monat präsentiert ein „The Message“-Mitglied – RedakteurInnen wie FotografInnen – das Ananasmixtape. In Form einer Spotify-Playlist zeigt es einen Querschnitt des jeweiligen Musikgeschmacks. Für mich als Österreich-Hauptverantwortlichen wäre es zwar aufgelegt, in den Untiefen der hiesigen Rap-Historie zu fischen und neben absoluten Lieblingstracks auch ein paar „Hidden gems“ einzubauen. Ich wäre allerdings schnell mit dem demotivierenden Umstand konfrontiert, dass so mancher Track weder auf Spotify noch auf anderen Streaming-Plattformen verfügbar ist.
Nachdem ich hier ohnehin fast nur über Österrap schreibe, mein musikalischer Horizont aber nicht ansatzweise darauf beschränken möchte, greife ich diesmal ausschließlich auf internationale Acts zurück. Mein einziger Anspruch ist, die Zahl der eh schon bekannten Tracks gering zu halten. Während extravagante Banger den Beginn prägen, bewegt sich die Playlist allmählich in ruhigere, mitunter melancholische Gefilde.
1. Für einen rasanten Start sorgt Rincon Sapiência aus São Paulo. Ich verstehe zwar kein Wort, doch der extrem druckvolle Beat zieht einen sofort in den Bann. Der Rapper soll darauf die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland kritisieren und zur Kräftebündelung von Afrobrasilianern und anderen an den Rand gedrängten Gruppen aufrufen. Das dürfte ob der kürzlich erfolgten Wahl des rechtspopulistischen Jair Bolsonaro zum neuen Präsidenten Brasiliens umso wichtiger sein.
2. Bis heute stellen Konstellationen mit einem Rapper und einer Produzentin eine absolute Seltenheit dar. Doch nicht nur dadurch sticht das umtriebige Houstoner Gespann Tobe Nwigwe und Nell hervor. Die beiden veröffentlichen jeden Sonntag einen neuen Track samt einfallsreichem Video: Während Tobe teils ziemlich gelangweilt wirkend seine edgy Bars runterrattert und sich dabei zwischen Genie und Nervensäge bewegt, besticht Nell – wie auch auf dem brandneuen Track „Might Get Slid“ – mit eiskalten avantgardistischen Produktionen. Einer ihrer bisher stärksten Beats ist „JÔCKÎN“.
3. Gemeinsam mit Aloe Blacc sowie ihrem Partner Dudley Perkins produzierte die kalifornische Sängerin Georgia Anne Muldrow ihr bereits 17.(!) Album „Overload“, das kürzlich über Brainfeeder erschienen ist. Die im Vergleich zu ihren vorherigen Werken poppig ausgestalteten Songs sind von synthielastigen Unterlagen getrieben und bieten inhaltlich ein Potpourri aus Liebe, Spiritualität und Selbstverwirklichung – „Play It Up“ fungiert als temperamentvoller Opening-Track.
4. Für eine interessante Kombination aus Prince-Vibes und G-Funk-Anleihen sorgt Lando Chill von Mello Music Group auf „Fauna“, einem Track seines im Oktober erschienenen Albums „Black Ego“. Zwar lässt die catchige Hook auf einen reinen Ganja-Track schließen, doch Lando Chill lässt wie auf dem ganzen Album in subtiler Manier Frustration über den Status von Schwarzen durchschimmern.
5. Ohne viel Beitext kommt der nächste Track vom Londoner UK-Bass-Trio Ivy Lab aus – „Cake“ ist schlichtweg eine aus den Boxen donnernde instrumentale Dampfwalze.
6. Auch als Hommage an Dr. Dre haben der Multiinstrumentalist Sly5thAve und die Sängerin Jimetta Rose das Parliament-Sample „Mothership Connection“ ausgegraben – das Dre bereits 1992 für seinen „Let Me Ride“ verwendete – und in ihrer Version orchestral ausgestaltet zu neuem Glanz verholfen. Angelehnt an N.W.A. Wollen die beiden damit ihre Stimme gegen exzessive rassistische Polizeigewalt in den USA erheben. Das dazugehörige Video wurde vom Ralph-Ellison-Roman „Invisible Man“ inspiriert. Zur vollen Entfaltung kommt der Track in der 15-minütigen „Extended Version“.
7. Ein weiteres Statement der großartigen jungen Londoner Jazz-Generation: Yussef Dayes und Alfa Mist bekommen auf „Love Is The Message“ Unterstützung von Mansur Brown an der Gitarre – ein Hoch auf den versteinerten Blick im Live-Video – und Rocco Palladino am Bass und liefern Balsam für die Ohren.
8. Von London geht es gen Norden nach Nottingham, wo die Neo-Soul-Sängerin Yazmin Lacey beheimatet ist. Auf dem smoothen „90 Degrees“ bezieht sie sich auf die bewusste temporäre Abkapselung von der Außenwelt, um neue Kraft zu schöpfen.
9. Mit seinem „Stretch Music“-Anspruch möchte Christian Scott aTunde Adjuah Jazz gezielt mit einem Potpourri an Einflüssen verschmelzen lassen. Auf „The Walk“ zeigt der begnadete Trompeter aus New Orleans, wie wohlklingend jazzige Sounds mit Trap-Elementen harmonieren können. Auf der Studioversion sorgen Vocals von Sarah Elizabeth Charles für die passende Ergänzung.
10. Der junge, von Radio-Legende Gilles Peterson hochgelobte Produzent und Multiinstrumentalist Leifur James liefert mit seinem Debütalbum „A Louder Silence“ ein erstes musikalisches Ausrufezeichen: Seine feinfühlig ausproduzierten Electronic-Sounds sind mit warm anmutenden Synths sowie eingespielten Cello-, Gitarren- und Klavier-Klängen ausgestaltet. „Mumma Don’t Tell“ ist einer der ruhigeren Tracks, auf dem der Musiker obendrein singt.
11. Mit „Travel Light“ haben die Children of Zeus, bestehend aus dem stimmgewaltigen Sänger/Rapper Tyler Daley sowie dem Rapper und Produzenten Konny Kon, ein wunderbares souliges Album veröffentlicht. Auf „Fear of a Flat Planet“ komplettiert die Sängerin LayFullStop das mancunische Trio – ihr gemeinsamer Track widmet sich einem optimistischen Blick in die Zukunft.
12. Weitgehend unter dem Radar bleibt mit Chester Watson einer der dopesten jungen US-Rapper, daran dürfte auch sein im Oktober erschienenes Album „Project 0“ nichts ändern. Während er die meisten Tracks des Albums selbst produziert hat, stammt der Unterbau von „40 Acres“ vom Sichtexot-Veteranen Tufu. Starkes Ding!
13. Ebenfalls im Oktober erschienen ist „Bad Actress“, das langersehnte Debütalbum des Rhymesayers-Mitglieds deM atlaS. Während sich Produzent Ant in Hochform präsentiert, gewährt der zwischen Rap und Gesang pendelnde deM atlaS bei teils rockigen Vibes einen tiefen Einblick in sein Seelenleben, das von einer schwierigen Kindheit, unglücklichen Beziehungen, psychischen Problemen sowie einem niedrigen Selbstwertgefühl geprägt ist.
14. In emotionaler Manier arbeitet der eritreischstämmige Londoner Awate mit dem neuen Track „Askari“ seine Familiengeschichte auf. In Erinnerung an seine Vorfahren beleuchtet er die Askari, die als einheimische afrikanische Mitglieder europäischer Kolonialtruppen für unterste Dienste beauftragt wurden und in der heutigen politisch-medialen Aufarbeitung oftmals ausgeklammert werden.
15. Ein düsterer, atmosphärischer Abschluss des britischen Electronic-/Synthwave-Produzenten Pye Corner Audio.
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