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Austro Round-up (KW 26/19)

Austro Round-up (KW 26/19)

Austro Round-up

Auch neben unserer Videopremiere zu „Black Numbers“ von Swankster sowie der Auskopplung „Obwege“ aus dem Dynamic-Drift-Album „In Bewegung“ prasselte vor Beginn der Urlaubszeit eine Fülle an Releases und Videos auf uns ein. Zusammengefasst im vorerst letzten Round-up, wir verabschieden uns in die Sommerpause.

EsRAP – Tschuschistan

Nach der zuletzt veröffentlichten Single „Tschuschistan“ ist es an der Zeit für das gleichnamige Album von EsRAP. Das Geschwisterpaar Enes und Esra erlangte bereits durch digitale Veröffentlichungen und nicht zuletzt durch ihre Präsenz bei den Wiener Donnerstagsdemos Aufmerksamkeit, nun liegt ihr Debütalbum vor. Als Enkel von Gastarbeitern fühlen sie sich immer noch fremd im eigenen Land, was in der alten Heimat ihrer Großeltern auch nicht wirklich anders ist. „Tschuschistan“ thematisiert diesen Zwiespalt und die Frage, wo man sich zuhause fühlen kann. Als Kids der Diaspora kreieren sie Tschuschistan – einen utopischen Ort, der das für alle ermöglicht. Neben viel Kritik an der Politik und Gesellschaft soll auf dem Album dennoch nicht der Entertainment-Faktor zu kurz kommen. Mit Kid Pex als Featuregast bedient man sich auf „Kids of Diaspora“ an der Ironie, disst die popkulturelle Gentrifizierung, feiert den eigenen „Tschuschen-Style“. Und damit Partys in der Ottakringer Hood – oder eben in Tschuschistan – gefeiert werden können, gibt es auch ein, zwei Partytracks. Die Beats kommen dabei zum größten Teil von Freshmaker, außerdem von Testa und Uwe Felchle.

Def Ill – Playtest EP

Erst kürzlich mit dem Remix-Contest zu „Bandersnatch“ angekündigt, releaste Def Ill Ende Juni seine „Playtest“-EP. Wie der Titel der Single impliziert, sind die Tracks der von dystopischen Entwicklungen geprägten Serie „Black Mirror“ und ihrem interaktiven Filmableger „Bandersnatch“ gewidmet. Dabei bezieht sich Def Ill verstärkt auf den gesellschaftlichen Status quo und zeichnet das Bild einer devoten Gesellschaft, sich leicht durch politische Machthaber und diverse Instrumentalisierungsmechanismen vereinnahmen lässt. Teils sehr akkurat, starker Tobak also. Begleitend erstellte Def Ill eine interaktive Ergänzung in Form einer „Album-Game Simulation“, für dessen Exportierung er zwei Tage lang mit offenem Laptop durch Arbeits- und Berufsleben gegondelt ist. Tja, beim Linzer geht es eben oft schnell und mitunter chaotisch zu. Trotz der Hektik und der von ihm durchlebten „Black Mirror“-Folge ist ihm mit der „Playtest“-EP ein starker Vorbote auf die LP „Lobotomie“ gelungen.

Young Krillin & KDM Karat – Trippy

Tropisch-psychedelische Vibes dominieren die „Trippy“-EP von Young Krillin und dem Münchner KDM Karat. Die Hanuschplatz-Dadash-Connection besteht seit 2017, als Krillin auf „Immer mit Verlängerung“ von KDM Shey vertreten war. Auf der gemeinsamen EP unterstützt auch „Twitter-Homie“ Lars Lichtgestalth, der die E-Synth-Unterlagen der fünf Tracks in Thailand produziert hat. Neben den beiden Vorboten „Yoga Boys“ und „Trippy“ sticht der Krillin-Solotrack „Ois“ heraus – beim Thema Überwachungswahn passt das emotionale Vocal-Sample des Ex-Politikers Matthias Strolz gut rein. Demnächst soll zum selbstironischen Abschluss-Representer „Schabernack“ mit Drexor und FKN SKZ ein drittes, am Donaukanal gedrehtes Video erscheinen.

Young Krillin dürfte auch in naher Zukunft einer der umtriebigsten österreichischen Rapper bleiben. Ein Soloalbum auf Beats von Fid Mella und Clefco, die bereits „Bullies in Pullis II“ mit Crack Ignaz produziert haben, könnte noch heuer erscheinen: „Ich spekulier‘ mal auf November, aber nehmt’s mich nicht beim Wort“, meinte der Salzburger kürzlich bei FM4 Tribe Vibes.

Dany Kae – Lobe

Die Hanuschplatzflow-Clique gibt sich nach einer längeren Ruhephase wieder ordentlich produktiv, wie auch Dany Kae unterstreicht. Der Mitgründer des Kollektivs und Labels veröffentlichte am 24. Juni sein Mixtape namens „Lobe“ – eines der vielen jenischen Worte, die im HPF-Umfeld verstärkt zum Einsatz kommen. Ein Blick auf die Tracklist veranschaulicht, dass es dem Rapper ein Anliegen war, möglichst viele Wegbegleiter unterzubringen. Stilistisch dominiert harter, trappiger Sound. Dany Kae zeigt sich auf Tracks wie „Dopeness im Gnack“ oder „Da Ärgste“ in Battlelaune – unter anderem mit Spitzen gegen Wanda, Andreas Gabalier sowie gleich zwei Mal Mirac. Ungewohnt bissig und mit düster gepitchte Stimme sticht auch Crack Ignaz bei seinem „Auf Gwant“-Featurepart heraus. Gegenüber Representern und Battle-Tracks sind entspanntere Klänge wie auf „Irgendwo im Nirgendwo“ oder „Interscrewed“ eher in der Unterzahl.

Misses U – Your Opinion

„I don’t really wanna hear your opinion and i don’t really wanna know how you see me“, ertönt es in der Hook der neuen Single von Misses U. Auch im gerappten Teil macht sie unmissverständlich klar, dass sie selbstbestimmt handelt und sich von niemandem dreinreden oder belehren lässt. Neben den Vocals hat die in Wien lebende Musikerin auch das grimig-minimalistische Instrumental selbst beigesteuert, das Video kommt von K.S. Kopfsache.

Palavra – Lebende Legende

Während unzählige Tracks von Designermarken handeln, Aussagekraft und Wortvielfalt der Texte oftmals gleich null sind, setzt Palavra bei seinem neuen Release auf lyrische Souveränität. „Ich hoffe ihr versteht euer Fehldenken / Häng’ mich auf, denn es gibt keine lebenden Legenden / Auf der Suche nach den fehlenden Segmenten / Checkt den Sound, denn das sind mehr als schwebende Frequenzen“. Reimketten kann der Junge. Aber nicht nur mit versierten Reimen kann Palavra auf dem Track punkten, ebenso packt er sein Lycée-Französisch aus und liefert einen gesamten Part in seiner Zweitsprache. Demnächst steht beim Wiener ein Umzug an nach seinem Uniabschluss möchte er nun in Berlin ein neues Kapitel starten, die Musik soll dabei noch mehr in den Fokus rücken.

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Alix feat. Velvet – Bless

Den gleichen Weg legte Alix vor zehn Jahren zurück, nur eben in die andere Richtung. Musikalisch hat sich beim Wahlwiener seither einiges getan, spätestens nach der Hauptstadthymne „Wien“ gemeinsam mit Erwin & Edwin ist er einigen ein Begriff. Anfang des Jahres entstand mit „Power“ ein gemeinsames Album mit der Electro-Brass-Band, daneben bringt er immer wieder eigene Songs raus. So etwa auf „Bless“, wo die Sängerin Velvet für die melodische Hook verantwortlich ist. „Doch das Land unter den Füßen ist kein Eigentum / Und die Ängste die sie schüren sind wie Blei im Blut / Sie packen uns in Kategorien / Doch unsere Herzen sind untrennbar, Ying und Yang, die Chemie“. Ein durch und durch powervoller Song mit Message und Melodie, eine schöne Kombination.

Koarli Unda 4020 – Kane Gigabytes

2018 haben wir Kensee als Multitalent bezeichnet, nun ist der Produzent, DJ und Multimediakünstler eine Facette reicher. Künftig kann er auch als „Producer on the Mic“ bezeichnet werden. Sein Rapper-Alias Koarli Unda 4020 sprießt vor Linzer Lokalpatriotismus, die Raps sind auf Mundart. Auf das bereits Ende Mai erschienene Debüt „Gauna“ ließ er nun „Kane Gigabytes“ folgen. Der im Alleingang von Kensee gestaltete Track bietet entspannten Sound und solide Raps über die Freude am eigenen Schaffen, ganz unabhängig von monetären Zwängen. Dazu gibt es das erste Video in seiner neuen Rolle ausnahmsweise nicht vom Künstler selbst gedreht, schließlich steht er diesmal in Urlaubskulisse selbst vor der Linse.

Ran DMC – Blede Frog

Auch in der jungen Generation stellt Rechtsradikalität ein Problem dar, wie Ran DMC in seinem neuen Video veranschaulicht. Er setzt sich zum Ziel, die verlorene Seele, die seinen Schwarzen Kumpel Hightauer in der Anfangssequenz vor einem Gemeindebau-Beisl anrempelt und bespuckt, zur Vernunft zu bringen. Dafür geht er mit ihm auf ein Bier ins Lokal und hält eine emotionale Predigt: „Wieso geht’s denn nur um Hoss, wenn ma vo Fremde redn / Warum kämpfen stott si afoch nur die Händ zu gebn?“ Seine Worte zeigen schnell Wirkung, sein Gegenüber reicht Hightauer die Hand. Tja, wenn’s im realen Leben auch immer so einfach ginge. „Blede Frog“ ist die erste von mehreren Singles, die Ran DMC für den laufenden Sommer angekündigt hat.

Text: Simon Nowak & Chiara Sergi