1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
In dieser Reihe widmen wir uns monatlich den neuen Releases der Beat- und Instrumental-Szene. Das Meer an großartigen Beats wird von Tag zu Tag größer und nur die wenigsten Produzenten erhalten gerechtfertigte Credits. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Instrumentalreihen – viele der Projekte gehen allerdings in der Flut an Releases einfach unter und werden nicht mit eigenen Artikeln gewürdigt. Dennoch sind sie relevant genug, um ihnen eine Plattform zu bieten.
Text: Simon Huber & Simon Nowak
Figub Brazlevic / Sweeps – EXPEDITion 100 Vol.1 & 2
Die beliebte „EXPEDITion“-Reihe von Vinyl-Digital wurde seit Juli durch die „EXPEDITion 100“-Serie ersetzt – und sinnvollerweise, wie schon die Ursprungsreihe, durch Figub Brazlevic eröffnet. Die zweite Ausgabe von Sweeps folgte gleich auf dem Fuß. Während man über die Alben nicht viele Worte verlieren muss – die Qualität beider Produzenten ist seit Jahren auf einem sehr hohen Niveau und Sweeps hat nun endlich die Möglichkeit, einem breiteren Publikum bekannt gemacht zu werden – so ist ein großer Minuspunkt die weitere Verknappung einer ohnehin schon sehr gefragten Reihe. So gibt es statt der 300 Exemplare der Hauptreihe lediglich 100 Stück pro Vinyl der neuen Reihe und dass das die Resellerproblematik bei Künstlern wie Figub zusätzlich verschärft, sollte jedem klar sein, der den Markt nicht erst seit gestern verfolgt. Exklusivität und Sammlerwert schön und gut, aber die bewusste Verknappung, wenn ohne Probleme auch 500 Platten verkauft werden könnten, ist ein Tritt in den Bauch für alle Supporter, die vielleicht einen Tag zu spät dran waren und sich dann mit Discogs-Preisen jenseits der Schmerzgrenze abfinden müssen.
Lord Brothers – By Every Means Necessary Vol. 1
Als einer der am längsten aktiven HipHop-Produzenten hat Prince Paul mehrere Crew-Konstellationen durchlebt, stilistisch viel ausprobiert, einige Konzeptalben veröffentlicht und teils Pionierarbeit geleistet. Anno 1989 war er hauptverantwortlich für die Beats von „3 Feet High and Rising“, dem bis heute hochgeschätzte Debütalbum von De La Soul. Sein innovatives Sampling und Mixing prägte spätere Produzentenstars wie RZA. Mit diesem war Prince Paul in den 1990ern auch Teil der Horrorcore-Supergroup Gravediggaz. Obendrein bildet er mit Dan The Automator das Produzentenduo Handsome Boy Modeling School – die beiden haben sich kürzlich nach über einem Jahrzehnt wiedervereint und arbeiten an einem dritten gemeinsamen Album. Bevor dieses erscheint, hat sich der New Yorker mit seinem alten Schulfreund und Kollegen Don Newkirk auf ein Packl gehaut. Als Lord Brothers haben sie den Soundtrack zur Netflix-Serie „Who Killed Malcolm X?“ produziert, einen Teil davon als Album veröffentlicht. Die Tracks zur Doku-Serie über die Ermordung des US-Bürgerrechtlers bieten rauen, klassischen HipHop-Sound mit – no na ned – viel Score-Charakter. Wie bei Prince Paul gewohnt, sind sie mit viel Detailverliebtheit und einem leicht retrofuturistischen Flavour ausgestaltet.
Hubert Daviz – Sichtexotica V
Eine der innovativsten Serien ist die mittlerweile fünfteilige „Sichtexotica“-Reihe vom gleichnamigen Independentlabel Sichtexot. Neben hauseigenen Produzenten wie Tufu und Knowsum bekamen bisweilen auch befreundete Künstler wie Melodiesinfonie, die ganze Japan-Connection und nun auch das Kölner Urgestein Hubert Daviz, den der geneigte Hörer aus dem entbs-, c o t a- oder MPM-Umfeld kennen sollte, ihren Platz. „Sichtexotica V“ ist trotz der kurzen Spielzeit abwechslungsreich und gleichzeitig unaufgeregt im positiven Sinne. Der Sound, für den man ihn liebt und für den er von seiner Nachfolgegeneration an Produzenten geschätzt wird.
Don Leisure – Steel Zakuski
Zusammen mit Earl Jeffers als Duo Darkhouse Family aktiv, konzentriert sich Don Leisure derzeit vermehrt auf Soloprojekte. Dabei bewegt sich der britische Produzent musikalisch über den Globus. War das 2017 erschienene „Shaboo“ von einem schillernden Onkel und Bollywood-Schauspieler inspiriert, verarbeitete Don Leisure 2019 auf „Halal Cool J“ türkische Psych-Rock-Klänge in feinster „Beat Konducta“-Manier. Nun führt ihn die Beatreise – wie die im Baltikum verbreiteten Vorspeisenvariationen im Titel andeuten – nach Russland. Basierend auf vielen dort entdeckten 1970er/1980er-Samples, für die er anscheinend teils in den selben Kisten wie Morlockk Dilemma (siehe „Ludmilla“ und „Wo die Schatten fallen“) oder Brenk Sinatra (siehe „Theme for Mariah Kezah“ und „Killah“) gediggt hat, sorgt er auf gewohnt hohem Level für eingängigen Instrumentalsound, der oft psychedlische und funkige Vibes bietet.
Gorilla Glock & The Gorilla Graveyard Band – The Gorilluminatis
Die Recherche für unsere Beatshizzle-Ausgaben beinhaltet das monatliche Durchskippen endlos vieler Bandcamp-Seiten. Einen großen Anteil davon schließen wir bereits nach unter einer Minute wieder – zu uninspiriert, uninteressant, oder „hing’schissn“ klingen die Tracks beim entscheidenden ersten Eindruck. Der Vorteil der aufreibenden Suchmethode? Regelmäßig stoßen wir auf Hidden Gems, die es weder in Spotify-Playlists noch auf anderen Beat-Blogs zu finden gibt. Diesmal zählen „The Gorilluminatis“ dazu. Für das Album hat sich Gorilla Glock, Leiter des Labels Sergent Records, Unterstützung von teils in Japan ansässigen Kollegen geholt – der Gorilla Graveyard Band. Neben typischen Instrumenten kommen etwa die Bambusflöte Shakuhachi sowie die Wölbbrettzither Koto zur Geltung, sie verleihen manchen der Tracks Einzigartigkeit. Insgesamt sorgt die Internationale Bigband für ein sehr schön arrangiertes HipHop-Instrumentalalbum, duch deren zehn Tracks sich elegante, groovige Klänge mit Soundtrack-Charakter ziehen.
blnkspc_ – Queens
Als Solokünstler schon seit geraumer Zeit aktiv, haben sich B-Side & Tesk kürzlich zum Produzenten-Duo vereint. Nach vereinzelten Kollabos auf Samplern ist „Queens“ das erste Album unter dem Namen blnkspc_, erschienen via Radio Juicy. Dabei setzen die beiden Deutschen durchwegs auf entspannte, wohlige Klänge. So haben die zehn Beats einen ruhigen Charakter, wobei meist smoothe Synths und schöne Basslines in den Vordergrund rücken.
38 Spesh – Speshal Blends Vol. 1
2009, also noch lange vor Griselda-Hochzeiten, veröffentlichte 38 Spesh zusammen mit Benny The Butcher das Album „Cocaine Cowboys“. Seither nahmen die Karrieren der beiden New Worker Upstatler einen unterschiedlichen Verlauf. Entwickelte sich Benny The Butcher zu einem der gefragtesten Hardcore-Rapper der Eastcoast, verlagerte 38 Spesh seinen Fokus immer mehr aufs Produzieren selbigen Sounds. Seit 2018 hat seine Releasewut rekordverdächtige Ausmaße angenommen. Neben „Stabbed & Shot“ mit seinem langjährigen Weggefährten veröffentlichte er seither über zehn Alben – etwa mit seinem Jugendidol Kool G Rap, Planet Asia, Elcamino, Joe Blow oder Che Noir. Ausgewählte Highlights hat er nun auf einem Instrumental-Release vereint und den Titel an MF DOOMs Serie „Special Blends“ angelehnt. Eine feine Sammlung an meist düsteren und geradlinigen Boombap-Beats, die nicht nach Massenware klingen.
Ryan Celsius Sounds x NDKS – Cosmic Awareness
Auf YouTube etwa bekannt unter den hochtrabenden Selbstbezeichnungen „#1 Phonk Overlord“ und „Lofi Final Boss“, ist der Kanal von Ryan Celsius mit knapp 500.000 Abonnenten eine der beliebtesten Anlaufstellen für Phonk-/Vaportrap-Sound und weitere Beat-Sparten. Mehrmals am Tag verschafft der US-Amerikaner durch Uploads Künstlern aus aller Welt einen Boost an Reichweite. Mittlerweile geht er auch vermehrt offiziell bei Releases Kooperationen mit Produzenten ein. Kürzlich etwa mit NDKS (aka Indeks) bei dessen Projekt „Cosmic Awareness“ – eine interessante Kombination aus wavigem Phonk, Ambient- und teils auch DnB-Einflüssen.
Blockhead – Quar and Peace
Anfang des Jahres mit „Bubble Bath“ bereits ein neues Instrumentalalbum veröffentlicht, legte Blockhead kürzlich mit „Quar and Peace“ nach. Auf dem neuen Projekt vereint die New Yorker Beat-Koryphäe smoothe Produktionen, die in Lockdown-Zeiten in Instagram-Livesessions entstanden sind. Dementsprechend fällt der Sound der einzelnen Tracks im Vergleich zu vollwertigen Releases wie „Bubble Bath“ reduzierter aus. Dennoch sorgt Blockhead für ein sehr solides Projekt. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Strukturen sämtlicher Beats in unter einer Stunde vor einigen Zuschauern entstanden sind – denn dafür wirken sie ordentlich ausproduziert und das Komplexitätslevel beachtlich.
Dezi-Belle
Dezi-Belle führt den qualitativ wie quantitativ konstant hohen Output auch im Juli fort. Neben den eher kurzweiligen EPs von Stainlexz und En Rie & Ufa Palava gibt es auf Albumlänge Lo-Fi- Sound von Fortknight und .nomind, sowie gar zwei Alben von Nalim.
Nikson – lfo ufo
Dass sich Nikson noch im Schulalter befindet und eigentlich zu Jung für Clubs ist, scheint ihn nicht daran zu hindern, seinen Fokus auf Beats mit Banger-Potenzial zu legen. Sein Street-Dance-Hobby dürfte da eine gewisse Rolle spielen. Kürzlich veröffentlichte der Slowene seine Debüt-EP „lfo ufo“ über rx:tx und kann damit aufzeigen – sieben Tracks, von denen vor allem die ersten vier gehörige Neckbreaker sind. Nach Info des Labels handelt es sich dabei sogar um vergleichsweise alte Produktionen von Nikson, noch bevor er viel mit Arrangements und Track-Konzepten beschäftigte. Vielleicht ist es eben diese Unbekümmertheit, die den Reiz der EP ausmacht. Randnotiz für alle, die genau hinhören: Zwei der Tracks sollen das Standard-4/4-Takt-Spektrum verlassen.
HashFinger – Miles Beyond
Nach diversen Skizzenalben um 2012, konnte sich HashFinger vor allem mit seinem letzten Album „Dandelions“ einen Namen in der Szene machen. Für „Miles Beyond“ geht er einen weiteren Schritt in Richtung Unabhängigkeit und veröffentlicht dieses Album als erstes Release seines eigenen Labels Hilltop Records. Dass HashFinger stilistisch keine Grenzen kennt, beweist er erneut, so ist das aktuelle Album deutlich entspannter und elektronischer angehaucht als die Vorgänger.
Bogedi – Kanto
Streng genommen ist „Kanto“ zwar ein Rap-Release, bei dem die Instrumentals ausgekoppelt wurden, weshalb es somit eigentlich in diesem Roundup nicht behandelt wird, aber da Ausnahmen die Regeln bestätigen, POSTPARTUM. in keiner Ausgabe fehlen darf und die Quarantänezeit unter Umständen bei nicht namentlich genannten Redakteuren dieses Roundups zu exzessivem Konsum von Pokemen-Challenges und -Speedruns auf YouTube geführt haben, bekommt Bogedi diesen Platz in der Ruhmeshalle (pun intented). Also Augen zu und ab in eine Zeit als noch gesampled wurde, der Pokedex noch 150 Pokemon hatte und generell und sowieso die Welt noch in Ordnung war.
Blue in Green – Gravity
Nach sieben Jahren Auszeit kehrte Blue in Green kürzlich mit „Gravity“ auf die Bildfläche zurück. Wie bei seinen älteren Releases kombiniert der Produzent und Gitarrist aus Tokio mit den samplebasierten Tracks Jazz- und Bossa-Nova-Einflüsse mit Boombap-Drums und satten Bässen. Außerdem kommen synkopierte Synths und E-Piano-Klänge zur Geltung. Die 12 Beats haben einen entspannten Grundvibe, fallen aber gleichzeitig sehr lebhaft und verspielt aus. Sehr solider, heiterer Sound. Erschienen über Cold Busted Records, ist „Gravity“ auch in diversen Tonträger-Formaten erhältlich.
Brotha VINK – Rare Treats
Nyati hat mal wieder Geschmack bewiesen und arrangiert dem 25 Jahre jungen Niederländer Brotha VINK, der bereits mehr als die Hälfte seines Lebens dem Produzieren widmet, sein lang verdientes Tapedebüt. Smoothe Boombap-Bretter, die zwar nicht so herausstechen wie beispielsweise das jüngste Nyati-Beattape von Dorn, aber trotzdem keine Wünsche offen lassen.
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